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Argentinischer Staatsanwalt
Nismans Tod polarisiert das Land

Der Tod des Sonderstaatsanwaltes Alberto Nisman wühlt die Menschen in Argentinien auf. Eine Mehrzahl der Argentinier glaubt, dass die Regierung direkt oder indirekt dafür verantwortlich ist. Nisman hatte die Präsidentin beschuldigt, seine Ermittlungen zu torpedieren.

Von Julio Segador | 31.01.2015
    Demonstranten in Buenos Aires fordern die Aufklärung des Todes von Staatsanwalt Alberto Nisman.
    Demonstranten in Buenos Aires fordern die Aufklärung des Todes von Staatsanwalt Alberto Nisman. (AFP / Alejandro Pagni)
    Der vorerst letzte Akt des Krimis, rund um den Tod des argentinischen Staatsanwaltes Alberto Nisman. Am Rande der Beerdigung kommt es zu einem Handgemenge. Wütende Bürger reißen vom Trauerkranz, den die Generalstaatsanwaltschaft zur Aussegnungshalle gebracht hat, die Schleife herunter.
    Die Behörden hätten der Familie des Toten zumindest das Beileid aussprechen können, meint diese aufgebrachte Frau. Und ein Mann beschimpft die Regierung als korrupte Bande.
    Der Tod des Sonderstaatsanwaltes Alberto Nisman wühlt die Menschen in Argentinien auf. Der Graben zwischen Anhängern und Gegnern der Regierung - in dem ohnehin immens polarisierten Land – ist noch einmal größer geworden. Eine Mehrzahl der Argentinier glaubt, dass die Regierung direkt oder indirekt für den Tod des Staatsanwaltes verantwortlich ist, der die Präsidentin beschuldigt hatte, seine Ermittlungen zu torpedieren.
    Wir leben diese Momente hier voller Angst. In diesem Land gibt es keine Gerechtigkeit, einzig Korruption.
    "Ich bin hier und trauere um dieses Land, das sich zu einem Mafia-Staat gewandelt hat. Wir bräuchten eine groß angelegte Aktion gegen die Korruption. Und ich glaube, unsere Präsidentin hatte Recht, als sie meinte, man solle sie fürchten. Die Ereignisse geben ihr Recht.
    Die Affäre Nisman hat Präsidentin Cristina Kirchner und ihrer Regierung einen schweren Schlag versetzt. Viele im Land halten ihre Reaktion nach dem Tod des Sonder-Staatsanwaltes, der seit Jahren zu den Hintergründen des schweren Terroranschlags gegen das jüdische Zentrum AMIA im Jahr 1994 ermittelte, für mehr als unglücklich. Zunächst tauchte sie unter und äußerte sich lediglich via Facebook. Dort sprach sie erst von einem Selbstmord, dann von einem Tötungsdelikt. Nach 10 Tagen schließlich eine landesweite TV-Ansprache, wo sie ankündigte, den Geheimdienst-Bereich, der nach ihrer Meinung im Hintergrund gegen die Regierung gearbeitet hat, neu zu strukturieren. Die Präsidentin selbst zeigte sich bei ihrem jüngsten TV-Auftritt gelassen und machte nur eine kurze Anspielung auf die Nisman-Affäre.
    Sie sei nur ein wenig angeschlagen, wie nach einer Seeschlacht, mehr nicht. Umso deutlicher wurde ihr Regierungschef Jorge Capitanich, der auf den republikanischen US-Senator Marco Rubio reagierte. Der hatte US-Präsident Obama und dessen Außenminister Kerry empfohlen, den Nisman-Fall genauer zu verfolgen.
    Ermittlungen zu Terroranschlag auf jüdische Einrichtung gefährdet
    "Mit seiner imperialen Sichtweise verkennt er grundlegend die Charta der Vereinten Nationen, das Selbstbestimmungsrecht der Völker, unser republikanisches, bundesstaatliches und demokratisches Regierungssystem. Ich denke, dass die Einmischung eines anderen Staates in unsere inneren Angelegenheiten unangebracht und völlig inkorrekt ist. Das offenbart das imperiale Gesicht dieses Herrn, der als störrischer Rechtsaußen der Republikaner bekannt ist."
    In Argentinien selbst fragen sich nun viele, was wird nach dem Tod von Alberto Nisman aus den Ermittlungen zu dem Terroranschlag gegen das jüdische Zentrum AMIA? Nisman führte die Ermittlungen seit über einem Jahrzehnt. Sergio Burstein, einer der Sprecher der Vereinigung der AMIA-Opfer, hofft, dass der Nisman-Fall künftig ein Teil dieser Ermittlungen wird.
    "Wir fordern kategorisch, dass die Staatsanwälte, die sich künftig um die AMIA-Ermittlungen kümmern werden, auch die Umstände des Todes von Alberto Nisman untersuchen. Die argentinische Gesellschaft und alle noch lebenden Opfer wollen wissen, ob der Tod des Staatsanwaltes etwas mit den AMIA-Ermittlungen zu tun hat."
    Davon ist Gustavo Perednik überzeugt. Der in Israel lebende Schriftsteller und Hochschullehrer war einer der engsten Freunde Nismans. Er hielt ständigen Kontakt zu ihm. Die Behauptung der Präsidentin, der Geheimdienst habe Nisman instrumentalisiert, hält Perednik für abwegig.
    "Nisman war ein sehr intelligenter Mann. Er wusste genau, was er da machte. War überzeugt von seinen Erkenntnissen. Er wurde in keiner Weise manipuliert. Ganz im Gegenteil. Und das sagt ein enger Freund."
    Die Frage, ob es Mord oder Selbstmord war, dürfte einstweilen noch unbeantwortet bleiben Eine zweite Autopsie wurde nicht gemacht. Der Krimi um den Nisman-Tod, der Millionen Argentinier aufwühlt und fesselt, geht weiter.