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Arm, aber online

Einen besonderen Reiz übt Berlin auf junge Leute aus, die etwas Neues wagen wollen, auch und vor allem in beruflicher Hinsicht. All das belebt die Gründerszene der Stadt, die nicht allzu viele große Unternehmen vorzuweisen hat. Kleine dagegen immer mehr, vor allem aus der Internet-Branche.

Von Anja Nehls | 24.02.2012
    Das Büro wirkt noch ein bisschen behelfsmäßig. An den Schreibtischen wird schon gearbeitet, aber fertig eingerichtet ist hier noch längst nicht alles. Kein Wunder - die virtuelle Luxusboutique Couture Society gibt es als eigenständiges Unternehmen erst seit dreieinhalb Monaten.

    Vier Freunde hatten erst gemeinsam eine Werbeagentur gegründet und dann eine Idee. 50 Prozent der Mode, die Designer auf den großen Schauen präsentieren gelangt nämlich nie in den Handel - und ist künftig im Internet bei Couture Society zu erwerben - so die Vision. Aus der Modebranche kommt keiner der jungen Gründer, sagt Geschäftsführer Martin Genzler:

    "Deswegen haben wir uns das tatsächlich erarbeitet. Wir sind natürlich mit einer Gründeridee und einem Konzept gestartet, haben Experten befragt, und innerhalb von drei, vier Monaten wurde dann aus einer PowerPoint-Konzeption ein Fulltime Job."

    Mittlerweile machen in der Hauptstadt 3000 bis 4000 Menschen pro Quadratkilometer "irgendwas mit Internet" - schätzen Branchenbeobachter. Zalando ist inzwischen einer der beliebtesten Onlineshops in Deutschland. Wooga ist einer der erfolgreichsten Anbieter von Onlinespielen. Die Musiktauschbörse Soundcloud, der Händler Brands4Friends, Glossy-Box,die Essensbringdienstplattform Lieferheld, der T-Shirt-Shop Spreadshirt oder das Internetradio Aupeo sind Gründungen in Berlin. Die Stadt zieht Jungunternehmer aus der ganzen Welt an, bestätigt Frauke Bielka von der IHK:

    "Das liegt zum einen daran, dass wir wirklich auch noch niedrige Mieten in Berlin haben, das ist für viele sehr interessant, dass die Kultur- und die Clubszene auch sehr spannend ist, dass es in einigen Bereichen noch sehr unkonventionell in Berlin ist und dass es in einer Aufbruchphase ist. Und das ist gerade für Gründer auch aus dem Internetbereich sehr spannend."

    Besonders spannend für die Gründer ist, dass es in Berlin inzwischen auch Investoren für junge Start-up Unternehmen gibt. Bei der IHK bietet Frauke Bielka für Neugründungen auch eine Finanzierungsberatung an. Neben Banken und konventionellen Kreditgebern sind dabei vor allem auch Risikokapitalgeber gefragt:

    "Bei dem Risikokapital ist es so, dass es auch immer mehr kleine Unternehmer und Privatpersonen gibt, die in Start-ups investieren wollen. Da hat sich in Berlin eine Szene entwickelt und da findet vermehrt eine Bewegung in Berlin statt."

    Inzwischen gibt es in Berlin Firmen wie Rocket Internet oder Team Europe, die sich nur darauf spezialisiert haben, andere Internetunternehmen aus der Taufe zu heben und beim Start zu helfen. Risikokapitalgeber wie Early Bird haben Büros in der Berliner Mitte.

    29 Absagen auf der Suche nach Risikokapital bekommt ein deutscher Gründer im Durchschnitt, schätzte kürzlich noch Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler. Die Erfahrung hat Martin Genzler von Couture Society nicht gemacht. Zwei Millionen hat er für sein Unternehmen innerhalb eines halben Jahres bei Investoren eingeworben. Bauchschmerzen bereiten ihm solche Summen nicht:

    "Angst... natürlich schwingt das mit und wir wissen ja, dass das passieren kann, deshalb ist es ja Risikokapital, und wenn das Geld weg ist, ist es weg. Das ist nun mal der Deal, das hat sich so entwickelt und das suchen die Leute sich ja so aus."