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Armenien-Resolution
Abgeordnete verteidigen Einstufung als "Völkermord"

Es ist ein hochpolitischer Akt, den der Deutsche Bundestag am  2. Juni vollziehen wird: Abgestimmt wird über eine Stellungnahme, in der das Massaker an den Armeniern von rund 100 Jahren ausdrücklich als "Völkermord" bezeichnet wird. Kritik aus der Türkei ist programmiert.

Von Frederik Rother | 17.05.2016
    Besucher verfolgen am 24.04.2015 im Deutschen Bundestag in Berlin die Debatte zu den Massakern an den Armeniern 1915/16.
    Besucher im Bundestag - sie verfolgten eine Debatte 2015, in der das Massaker erstmals als Völkermord bezeichnet wurde. (picture alliance / dpa - Stephanie Pilick)
    Es soll eine klare Stellungnahme werden, die den umstrittenen Begriff bereits in der Überschrift enthält: "Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten im Osmanischen Reich vor 101 Jahren". Das ist der voraussichtliche Titel des Antrags, den die Fraktionen von Union, SPD und Grünen am 2. Juni im Bundestag zur Abstimmung stellen wollen.
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte am Wochenende im Berliner Tagesspiegel Bedenken wegen des geplanten "Völkermord-Beschlusses" geäußert.
    Allein mit der Entscheidung für den Genozidbegriff sei es nicht getan, so der Minister. Er habe darauf gesetzt, dass Türken und Armenier für eine gemeinsame Aufarbeitung und Annäherung gewonnen werden könnten. Das sei bei der Sensibilität des Themas aber nicht einfach.
    Der SPD-Politiker hofft, dass die deutsch-türkischen Beziehungen durch die Resolution nicht belastet werden und Deutschland mit der Türkei weiter gut zusammenarbeiten kann.
    Warnungen aus der Türkei
    Die türkische Seite warnt bereits und kritisiert das geplante Vorhaben scharf. Der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, sagte vor kurzem der Rheinischen Post: "Es ist nicht Aufgabe der nationalen Parlamente, über die Geschichte zu urteilen". Über den Begriff Genozid könne nur ein internationales Gericht entscheiden.
    Franz Josef Jung, stellvertretender Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag und zuständig für Außen- und Verteidigungspolitik, verteidigt die Rolle des Bundestags. Er sagte heute morgen im Deutschlandfunk:
    "Wir haben eine Verantwortung auch als Parlament, auch als deutsches Parlament, denn man muss ja deutlich sehen: Damals war das deutsche Reich auch in Mitverantwortung gegenüber der jungen türkischen Regierung. Wir haben alles das gewähren lassen und von daher haben wir auch ein Stück Mitverantwortung, und deshalb, denke ich, ist auch unser Parlament hier entsprechend gefragt."
    Der Antrag müsse auch völlig unabhängig von den aktuellen Verhandlungen mit der türkischen Regierung gesehen werden. Das Flüchtlingsabkommen sei bereits jetzt schon als Erfolg zu bezeichnen.
    Keine Anklagebank
    Jung befürwortete die kommende Abstimmung:
    "Unser Anliegen ist es nicht, hier die Türkei auf die Anklagebank zu setzen. Darum geht es überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil! Wir wollen zur Aussöhnung beitragen. Aber ich glaube, wir wollen einen historischen Tatbestand auch korrekt beschreiben, und das muss man, glaube ich, differenzieren."
    Die türkische Regierung müsse unterscheiden, zwischen damaliger Schuld und heutiger Verantwortung. Die – so Jung – solle die Türkei übernehmen.
    Politiker der SPD wie auch von den Grünen verteidigten den Beschluss ebenfalls. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der "Bild am Sonntag", dass sich der Bundestag nicht von einem Despoten wie Erdogan erpressen lasse.