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Armut, Askese und Caritas

Elisabeth von Thüringen wurde berühmt, weil sie bettelarm sein wollte. Bis heute dient sie der katholischen Caritas und der evangelischen Diakonie als Vorbild. Die Kirchen feiern ihren 800. Geburtstag am 7. Juli. Wann sie wirklich geboren wurde, ist historisch nicht belegt.

Von Ulrike Rückert | 07.07.2007
    Im Jahr 1207 wird in Ungarn die Königstochter Elisabeth geboren. Mit vier Jahren kommt sie als Braut des Landgrafensohns nach Thüringen mit einer Mitgift aus Gold und Silber, Juwelen und Seiden, wie sie in Thüringen noch nie gesehen ward. 13 ist sie bei der Hochzeit mit Ludwig.

    "Ach welch ein seliges, heiliges, unschuldiges Paar war zusammengekommen von Gottes Willen! Sie hatten zusammen eine unaussprechliche Liebe zu Gott, der heilige Engel war zwischen ihnen oft Bote."

    So ein Chronist. Elisabeth ist die Herrin eines glanzvollen Fürstenhofes. Einige Monate in jedem Jahr regiert sie das Land, wenn Ludwig auf Reisen oder im Krieg ist. Doch sie ist auch fromm und beeindruckt von den Armutsbewegungen, die sich in Europa ausbreiten, von Franz von Assisi und den Beginen.

    Armut, Askese und aktive Caritas - mit Elisabeths Stand ist das schwerlich vereinbar. Sie gibt Almosen, stiftet mit Ludwig ein Hospital, unterstützt das erste Franziskanerkloster in Thüringen. Ludwig ist in Italien, als sie mit einer großen Hungersnot konfrontiert wird. Die Fürstin organisiert die Verteilung von Getreide und richtet noch ein Hospital ein. Dort, erzählt später eine Hofdame,

    "ertrug sie ohne allen Schauder die verdorbene Luft der Kranken, die ihre Mägde nur schwer und kaum mit Murren aushielten. Sich und ihren Hofdamen entzog sie viel, um es den Armen geben zu können."

    Nachts bleibt Elisabeth wach, um zu beten. Sie unterzieht sich harten Bußübungen, lässt sich geißeln. Und sie wählt Konrad von Marburg als Beichtvater. Konrad ist ein Kreuzzugsprediger und fanatischer Ketzerjäger. Elisabeth überzeugt seine strenge Askese.

    "Kein Zweifel, dass die Härte dieses Konrads für Elisabeth Anlass zu großen Verdiensten war. Bekannte doch Elisabeth selbst, wie sehr sie Konrad fürchtete. Und Furcht ist eine große Buße."

    Er gebietet ihr, nur das zu essen, was von den Bauern ihrer Landgüter gerecht erworben wurde. So trägt er den Protest gegen die Ausbeutung der Armen mitten in ein Zentrum der Macht. Die Folge ist, dass Elisabeth an der fürstlichen Tafel kaum noch das Essen anrührt.

    "Wegen dieser Lebensweise wurden sowohl ihr als auch ihrem Mann, weil er das erlaubte, viele Vorwürfe von den Seinen gemacht."

    Im Sommer 1227 rufen Kaiser und Papst zum Kreuzzug nach Palästina auf. Auch Ludwig zieht mit, doch er stirbt in Italien am Fieber.

    "Tot, tot ist er und tot ist mir die Welt und alles, was in ihr ist."

    "Nachdem sie das gesagt hatte, sprang sie unter Tränen auf. Die Hinzueilenden aber zogen sie von der Wand, an die sie sich gekrallt hatte. Es flossen die Augen aller und es troff das Gesicht von Tränen."

    Die Witwe ist 20 Jahre alt und hat gerade ihr drittes Kind geboren. Ihr Schwager Heinrich Raspe ergreift die Macht in Thüringen. Er sperrt ihre Einkünfte, um sie zu Wohlverhalten zu zwingen. Elisabeth verlässt die Wartburg. Einen Winter lang lebt sie mittellos in Eisenach. Sie entscheidet sich für ein religiöses Leben und trennt sich von ihren Kindern. Nun greift ihr Onkel, der Bischof von Bamberg, ein: Sie soll wieder heiraten.

    "Wenn mich mein Onkel gegen meinen Willen jemandem übergeben würde, würde ich mir heimlich die Nase abschneiden. So wollte mich keiner mehr haben."

    Konrad von Marburg verhandelt mit Heinrich Raspe, Elisabeth bekommt eine Abfindung. Damit gründet sie vor den Toren von Marburg ein Hospital. Im grauen, geflickten Bußgewand macht sie Mägdearbeit und pflegt die Kranken mit eigenen Händen.

    ""Die Elendesten und Verachtetesten setzte sie an ihren eigenen Tisch, und als ich sie deshalb tadelte, erwiderte sie mir, sie empfange von ihnen sonderliche Gnade und Demut","

    schreibt Konrad an den Papst. Nur drei Jahre lebt sie in Marburg. Sie ist erst 24, als sie im November 1231 stirbt. Begraben wird sie in der Kapelle ihres Hospitals. Gleich am nächsten Tag soll hier das erste Wunder geschehen sein. Schon vier Jahre später wird sie heilig gesprochen.

    In der Begeisterung des 19. Jahrhunderts für das Mittelalter wurde Elisabeth zu einem Mythos stilisiert. Bis heute dient sie der katholischen Caritas und der evangelischen Diakonie gleichermaßen als Vorbild. Viele soziale Einrichtungen sind ihr gewidmet. Beide Kirchen feiern ihren 800. Geburtstag am 7. Juli. Wann sie wirklich geboren wurde, ist historisch nicht belegt.