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"Armutszuwanderung"
Kommunen sollen entlastet werden

Die Kommunen klagen über steigende Kosten wegen der sogenannten Armutszuwanderung - jetzt will der Bund sie spürbar entlasten. Nach DLF-Informationen ist ein Zuschuss für die Kosten der Unterkunft in Höhe von 25 Millionen Euro vorgesehen. Außerdem sollen die Freizügigkeit für EU-Bürger, Schwarzarbeit und Scheinselbstständigkeit eingedämmt werden.

Von Katharina Hamberger | 27.08.2014
    Eine Rumäne sitzt in Frankfurt am Main auf dem Gelände einer ehemaligen Möbelspedition in seiner notdürftig eingerichteten Unterkunft.
    In der Debatte um Armutszuwanderung wollen Kommunen schnelle Hilfe - der Bund will Geld für Unterkunftskosten zuschießen. Doch viele sogenannte Armutszuwanderer leben in notdürftig eingerichteten Behausungen. (dpa / picture-alliance / Andreas Arnold)
    Rund 140 Seiten umfasst der Abschlussbericht des Staatssekretärsausschusses zur sogenannten Armutsmigration, der unserem Hauptstadtstudio bereits vorliegt. Sein Ergebnis: Deutschland ist ein beliebtes Land bei Zuwanderern aus EU-Ländern. Und die meisten, die zu uns kommen, sind erwerbstätig. Trotzdem gibt es Kommunen und Städte, in die besonders viele Menschen kommen und die dadurch überlastet sind. Der Ausschuss schlägt deshalb in seinem Bericht, der heute im Kabinett verabschiedet werden soll, Maßnahmen vor. Die beinhalten zum einen die finanzielle Unterstützung von Kommunen:
    "Es gibt vor allem eine Unterstützung des Bundes bei den Kosten der Unterkunft in Höhe von 25 Millionen Euro. Und es werden die Impfkosten übernommen."
    Eva Högl, SPD-Obfrau im Neonazi-Untersuchungsausschusses des Bundestages, gibt eine Pressekonferenz in Berlin
    Eva Högl, SPD (picture alliance / dpa / Hannibal Hanschke)
    Sagte Eva Högl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD unserem Hauptstadtstudio. Zudem soll geprüft werden, wie Kommunen mit Hilfe zum Beispiel des Europäischen Sozialfonds unterstützt werden können. Daneben soll es eine Reihe von Gesetzesänderungen geben. Unter anderem sollen die Kontrollen für Schwarzarbeit verschärft werden und bei einer Gewerbeanmeldung intensiver auf Scheinselbstständigkeit geprüft werden.
    "Die soziale Hängematte"
    Eine weitere Regelung betrifft die Freizügigkeit für EU-Bürger. So soll es Wiedereinreisesperren bei Rechtsmissbrauch oder schwerem Betrug geben. Wer hier ausschließlich zur Arbeitssuche ist und nach sechs Monaten noch keine Aussicht auf einen Job - und sich nicht selbst versorgen kann - hat, der kann sein Aufenthaltsrecht verlieren.
    Das begrüßt vor allem die CSU: Man brauche zwar Zuwanderung, vor allem von Fachkräften, das sei unbestritten, sagte Stephan Mayer, CSU und innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, unserem Hauptstadtstudio.
    Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer spricht bei einem Statement vor einem Sitzungssaal in mehrere hingehaltene Mikrofone.
    Stephan Mayer, CSU (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    "Aber was nicht hinnehmbar ist, ist, dass jemand nur, um sich in die soziale Hängematte zu legen nach Deutschland kommt, der gar nicht Anstalten unternimmt, sich in Deutschland eine Job zu suchen, sondern einzig um allein von Sozialhilfe, von Hartz IV leben will. Und dass für diese Menschen kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht mehr vorhanden ist, das ist schon ein erheblicher Fortschritt."
    Mehr Kontrollen beim Kindergeld
    Desweiteren soll es eine Art Kontrollmechanismus beim Kindergeld geben. Für einen Antrag darauf wird die Steueridentifikationsnummer des Kindes benötigt. Damit sollen Doppelbezüge verhindert werden. Auch für nicht hier lebende Kinder gibt es Kindergeld. Dass die jedoch dasselbe bekommen sollen, wie in Deutschland lebende Kinder, damit ist die CSU nicht einverstanden. Die drei christsozialen Minister der Koalition hätten deshalb in einer angehängten Protokollerklärung klar gemacht, so Mayer:
    "Dass wir gerne eine Prüfung unternehmen würden, ob es auch EU-rechtlich möglich ist, dass man die Höhe des Kindergeldes, für den Fall, dass sich das Kind zum Beispiel in Rumänien, Bulgarien oder Polen aufhält, dann auch an den Lebenshaltungskosten orientiert."
    Ein entschärfter Abschlussbericht
    Von Seiten der SPD heißt es, es sei in Ordnung, dass hier EU-Rechtssprechung überprüft wird. Mit diesem Prüfauftrag muss die CSU nun leben. Der Abschlussbericht ist insgesamt nicht so scharf ausgefallen, wie ihn die Christsozialen wohl gerne gehabt hätten. Sie sprechen deshalb von einem Kompromiss, mit dem sie zufrieden seien – und nehmen den Bericht als Anlass, um nochmal darauf hinzuweisen, dass sie aus ihrer Sicht völlig zu unrecht für ihren Spruch "Wer betrügt, der fliegt" gescholten worden seien. Der Vorwurf sei falsch, so Mayer, dass die CSU dieses Thema nur aufgebracht hätte, um sich zu profilieren.
    Eine rumänische Bettlerin in Dresden
    Mit "Armutszuwandern" sind vor allem Bulgaren und Rumänen gemeint. (dpa / Matthias Hiekel)
    "Auf doch vielen Seiten hat der Staatssekretärsausschuss doch sehr intensiv dargelegt, dass es ein zunehmendes Problem gibt. Insbesondere in manchen Ballungszentren in Deutschland, was die Zunahme der Hartz-IV-Empfänger aus Rumänien und Bulgarien anbelangt."
    Die SPD sieht das anders. Högl spricht von einer krassen Niederlage für die CSU. Der Bericht zeige:
    "dass vieles hier gut funktioniert. Und das, was die CSU als Eindruck erwecken wollte, dass Menschen hier Sozialleistungen missbräuchlich in Anspruch nehmen oder hier gar nicht herkommen dürfen nach Deutschland, das widerlegt der Staatssekretärsausschuss."
    Die Maßnahmen sollen, so wird es in dem Abschlussbericht vorgeschlagen, gegen Ende des Jahres daraufhin überprüft werden, ob sie für die Kommunen eine Entlastung gebracht haben. Falls nicht, soll es 2015 weitere Unterstützung geben.