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Arp: Rücktritt wegen Vorbildfunktion unumgänglich

Die Liebesbeziehung des zurückgetretenen CDU-Chefs von Schleswig-Holstein zu einer Minderjährigen sei nicht falsch gewesen, sagt Hans-Jörn Arp. Als Politiker im Wahlkampf mache man sich mit einer solchen Liaison jedoch angreifbar.

Hans-Jörn Arp im Gespräch mit Dirk Müller | 16.08.2011
    Dirk Müller: Ein Verhältnis ist ihm zum politischen Verhängnis geworden, eine Liebesbeziehung mit einer 16-Jährigen, wie Christian von Boetticher selbst erklärte. Hoffnungsträger der CDU im hohen Norden, selbst 40 Jahre alt, musste die Konsequenzen ziehen. Ist als Landeschef, als Fraktionschef wie auch als Spitzenkandidat seiner Partei zurückgetreten. Zu groß war der Druck, gerade auch aus den eigenen Reihen. Rücktritt wegen einer Beziehung zu einer Minderjährigen, zu einer 16-Jährigen, was legal ist. Zur rechtlichen Seite nun Anmerkungen von Christiane Wirtz. Was darf man als Politiker, was nicht? Am Telefon ist nun Hans-Jörn Arp, Vizefraktionschef der CDU in Schleswig-Holstein. Guten Morgen!

    Hans-Jörn Arp: Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich Ihnen!

    Müller: Herr Arp, war diese Beziehung falsch?

    Arp: Die Beziehung war nicht falsch, nur die Situation, in der Christian von Boetticher war, passte nicht dazu. Das ist die Frage. Wenn man sich verliebt, kann das nicht falsch sein, nur das Problem dabei ist, wenn man in einer herausragenden Position – in der Wirtschaft, im Sport, in der Politik – ist, hat man auch eine Vorbildfunktion. Das war Christian klar, und deshalb hat er ja auch diese Beziehung beendet.

    Müller: Das heißt, er musste jetzt zurücktreten, obwohl die Beziehung, wie Sie sagen, nicht falsch war?

    Arp: Er musste zurücktreten, weil die moralischen Ansprüche, die die Gesellschaft an Spitzenpolitiker, an Vertreter der Wirtschaft und so weiter hat, andere sind, weil wir auch eine Vorbildfunktion haben, ist das die Frage, über die er am Ende, ich sag mal seine Konsequenzen selbst gezogen hat. Wir gehen in einen Wahlkampf, in einen sehr emotionalen Wahlkampf. Und um ihn selber auch zu schützen vor Angriffen, die, ich sage jetzt mal sehr persönlich sind, ist er richtig, der Schritt, den er getroffen hat.

    Müller: Wie jung hätte die junge Dame denn sein dürfen? 18 wäre okay gewesen?

    Arp: 18 ist in Ordnung. Nicht der Altersunterschied von 10, 20, 30 Jahren, das gibt es in der Politik mehrfach, ist das Problem, aber eine Jugendliche in dem Alter, die, ich sage jetzt mal in ihrer Persönlichkeit wahrscheinlich, ich kenne sie selber nicht, aber in dem Alter eher sensibel ist, sehr anfällig ist, ist natürlich ein besonderes Thema und ist natürlich in einem Umfeld, in dem sie dann im Wahlkampf stehen, machen sie sich damit sehr leicht emotional angreifbar.

    Müller: Und dass diese Beziehung, Herr Arp, mit einer 16-Jährigen rechtlich völlig in Ordnung ist ...

    Arp: Absolut - ist auch nie umstritten - um Gottes willen.

    Müller: Ist für Sie kein Argument?

    Arp: Überhaupt nicht.

    Müller: Sagen Sie mir noch mal was zum Thema Moral, wo kann man da anfangen, wo hört es auf?

    Arp: Kann man nicht, ist fließend, will ja auch keiner von uns den Moralapostel spielen. Jeder von uns hat selber seine eigenen Fehler, das ist, glaube ich, nicht die Frage. Die Frage ist, wenn Sie in einen Wahlkampf gehen, wenn Sie im öffentlichen Leben stehen, müssen Sie damit rechnen, dass Sie bei solchen Geschichten angegriffen werden. Und wenn Sie angreifbar sind, ist es schwierig, weil Sie den Rücken nicht frei haben.

    Müller: Das heißt, Sie hätten die Wahl mit ihm verloren?

    Arp: Das weiß ich nicht, ob wir sie verloren hätten, um Gottes willen, das kann man nicht sagen, aber er ist angreifbar in der Phase. Er hat es ja selbst gewusst. Nachdem ihm klar war, dass auf ihn die Spitzenposition zukommt, nachdem ihm klar war, dass er einer der führenden Unionspolitiker nicht nur Schleswig-Holsteins wird, dass er den Landesvorsitz übernehmen soll – das ist ihm 2010 mitgeteilt worden –, dass er den Spitzenkandidaten für die Landtagswahl übernehmen muss bei der vorgezogenen Neuwahl, hat er von sich aus gesagt, ich muss dieses Verhältnis beenden, es macht mich angreifbar und ich muss den Rücken frei haben.

    Müller: Wie lange wussten Sie denn von dieser Beziehung?

    Arp: Von der Beziehung selber wussten wir erst seit ungefähr einer Woche.

    Müller: Vorher wusste da niemand was von in der CDU?

    Arp: Ob es niemand war, weiß ich nicht. Sicherlich hat es den ein oder anderen ... Es gibt ja wohl einen Informanten da aus dem Kreis Plön, von dem man immer mal wieder hört, der Vertreter der Jungen Union, ich weiß es nicht, der hat wohl Kontakt zu ihr gehabt, aber in dem Umfang ist das erst alles, also bei einigen schon früher und im Wesentlichen so bekannt geworden, dass das ungefähr vor einer Woche, letzten Mittwoch, Donnerstag, ist uns das in vollem Umfang erst klar geworden.

    Müller: Im vollen Umfang, aber vorher haben Sie vielleicht schon was geahnt oder was durchdringen hören?

    Arp: Nee, in der Form nicht, in der Form nicht. Man hat immer mal Gerüchte gehört, wie jeder über sein Privatleben hier mal diskutiert, das waren aber bei Christian von Boetticher eher andere Fragen, ob er verheiratet ist, ob er nicht verheiratet ist, ob er mit der Dame in Hamburg zusammenlebt oder so, aber es war nicht in der Form. Solche Dinge sind hier nie, bei mir zumindest nicht, angekommen.

    Müller: Jetzt hat Christian von Boetticher – Sie haben es ja selbst gesagt, Herr Arp – die Beziehung beendet, das Ganze, wenn wir das richtig verstanden haben, liegt ein Jahr zurück. Kann man nicht sagen, war ein Fehler, aber jetzt geht die Welt weiter?

    Arp: Natürlich, natürlich kann man das sagen. Er ist ein hervorragender Politiker, er hat ein hohes Ansehen hier im Land, ich schätze ihn sehr, und gerade deshalb ist es so schwierig. Gerade deshalb ist es so schwierig zu sagen, pass mal auf, wir sind ... nehmen wir moralische Werte, die wir, ich sage mal, die fließend sind, aber die ihn auch schützen sollen im Wahlkampf, in der Öffentlichkeit, auch übrigens dieses Mädchen schützen sollen vor unsachlichen Angriffen, vor unsachlichen Unterstellungen. Deshalb war der Schritt, den er selbst gegangen ist, den er auch selber mit uns gemeinsam überlegt hat, auch vernünftig und am Ende auch folgerichtig.

    Müller: Jetzt sagen ja viele in Kiel, die die politischer Szenerie in Schleswig-Holstein genauer kennen, viele in der Union, Sie sollen auch dazu gehören, sind froh, dass er jetzt geht, weil man ohnehin nicht zufrieden war mit seinem Führungsstil. Stimmt das?

    Arp: Das stimmt überhaupt nicht, das ist auch eine Unterstellung. Ich habe mit Christian von Boetticher hervorragend zusammengearbeitet. Ich war sein Schatzmeister, ich war sein Stellvertreter, das lasse ich auch nicht so im Raum stehen. Ich war, wir waren mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden, es gab überhaupt keinen Grund, in irgendeiner Form seine Arbeit, seine politische Arbeit, ich sage mal in irgendeiner Form zu kritisieren.

    Müller: Aber es hat Unzufriedene gegeben in der Fraktion?

    Arp: Das mag sein, aber es war mit Sicherheit ... wenn, dann war es eine verschwindend kleine Minderheit. Ich selber hab das nicht erfahren. Ich hab ihn, wo immer es war, und da ging es um sachliche Themen, verteidigt, habe auch ihn in jeder Form loyal unterstützt. Das würde ich auch nicht sagen, dass das ein offener Konflikt war. Sie haben doch bei jedem Menschen, der eine Führungsaufgabe hat, haben Sie automatisch auch Kritiker, das ist doch in der Natur der Sache so, dass das in keinem anderen, ich sag mal Parlament oder auch in einer Firma, in einem Unternehmen ist doch fast immer das Gleiche. Es war nicht so, dass es einen offenen Konflikt gab. Er hat es geschafft, diese Fraktion zusammenzuführen, er hat es geschafft, die Partei zusammenzuhalten. Es gab nie irgendwelche Auseinandersetzungen oder Angriffe, schon gar nicht gegen seine Person.

    Müller: Jetzt wollen Sie die Fraktion führen?

    Arp: Das wollen wir mal sehen, ob ich sie führen werden, entscheidet die Fraktion, das werden wir in den nächsten Tagen beraten. Wir haben heute erst mal Fraktionssitzung, und dann wollen wir mal sehen, wie die Stimmung in der Fraktion ist.

    Müller: Wann kommt Christian von Boetticher als Politiker in eine Position zurück?

    Arp: Ich glaube ja mal bald, so sicherlich ... Er bleibt ja Mitglied der Landtagsfraktion, er gibt sein Mandat nicht ab, und einer, der die Qualitäten hat, wie Christian von Boetticher sie hat, auf den kann die Union auch nicht so leicht verzichten.

    Müller: Also er muss von allen Ämtern zurücktreten, Parlamentarier, Abgeordneter darf er aber bleiben?

    Arp: Ja, natürlich.

    Müller: Hans-Jörn Arp bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk, Vizefraktionschef der CDU in Schleswig-Holstein. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Arp: Auf Wiederhören, schönen Dank, tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.