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Arrogante Makler und neugierige Vermieter

Um teure Mieten zahlen zu können, muss man erst einmal eine Wohnung finden. In Ballungsräumen ist das oft sehr schwierig – und das ist noch ziemlich milde ausgedrückt. Besonders schwer ist die Lage für Mietinteressenten in München.

Von Susanne Lettenbauer | 02.05.2013
    In der Schwabinger Wohnung einer jungen Doktorandin (Anmerkung: die Interview-Partnerin möchte nicht namentlich genannt werden) stapeln sich die Kartons. Seit Monaten. Eigentlich wollte die Frau schon längst umgezogen sein, wenn, ja wenn sie eine Wohnung finden würde:

    "Also angefangen habe ich vor einem Jahr, also genau vor 14 Monaten. Die Situation ist so, dass das Angebot gering ist. Wenn, dann muss man sich durch Makler durchkämpfen, durch viele, viele Mitbewerber durchkämpfen oder durch unsägliche Wohnungen durchkämpfen, weil aufgrund des Mangels nahezu jeder Keller oder jeder Speicher oder alles Mögliche angeboten wird. Und zu Preisen, die man sich gar nicht vorstellen kann, also zwischen 12 und 17 Euro pro Quadratmeter."

    Für ihre kleine Schwabinger Wohnung mit 48 Quadratmetern in einem 20-Parteien-Mietshaus zahlt die junge Doktorandin derzeit knapp 16 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete. Das Bad ist nicht beheizbar, die Räume sind hellhörig. Am Anfang glaubte sie noch, dass sie als Single, ohne Haustier oder Kind, gute Chancen hätte:

    "Ich habe einen Aushang gemacht, dass ich eine Wohnung suche, da haben auch drei Leute abgerissen, ich habe mich total gefreut und dachte, da kommt was. Dann hat sich ein Rentner gemeldet, der 73 ist, der wohnt seit 30 Jahren in einer kleinen Speicherwohnung und muss jetzt ausziehen wegen einer Luxussanierung. Das heißt, nach 30 Jahren steht der Mann auf der Straße und das fand ich sehr, sehr berührend."

    Als nächsten Schritt verlegte sich die junge Frau auf Wohnungssuche mit Hilfe von Maklern. Doch abgesehen von der hohen Provision von 2,38 Monatsmieten wunderte sie sich über die oft hanebüchenen Angaben, die die Maklerbüros verschickten:

    "Skurril, oder sagen wir auch merkwürdig, war im Immoscout ein Makler, der sagte, der Weg von der S-Bahn zur Wohnung seien 12 Minuten zu Fuß, ganz kurz. Ich habe das dann in Google recherchiert: Das waren 31 Minuten Gehweg zu Fuß. Ich habe ihn daraufhin angesprochen, da hat er gesagt: Na ja, das ist doch Ihr Auftrag zu gucken, wie weit das ist. Ich übernehme nur die Angaben von dem Vermieter und kann dafür nicht belangt werden, zumal ich so viele Bewerber habe, dass das eigentlich irrelevant ist."

    Dass die Makler Zusatzgebühren allein für die Besichtigung der Wohnung nehmen würden, wie häufig gemunkelt, sei ihr indes noch nicht passiert, sagt die junge Frau. Es gebe auch Makler, die den Interessenten Fragen stellten, die weit über den normalen Rahmen hinaus gingen:

    "Ich habe zum Teil unsägliche Selbstauskunftsbögen gesehen, wo ich dem Makler, ohne dass ich ihn kenne - oder dem Vermieter - die Vollmacht hätte geben müssen, über die Schufa-Auskunft hinaus meine persönlichen Bankdaten einzusehen. Das sind so Dinge, wo ich denke, das kann gar nicht sein. Das habe ich dann auch nicht gemacht mit dem Effekt, dass ich die Wohnung nicht besichtigen durfte."

    Mit 100 Bewerbern in einer Schlange stehen, während gut 1000 Wohnungen aus unterschiedlichen Gründen in München freistehen, gehört zum Alltag von Wohnungssuchenden, weiß Nicole Seitz, die Wohnungssuchende als freie Wohnungsberaterin in München berät:

    "Also bei Maklern habe ich die Erfahrung gemacht, dass Massenbesichtigungstermine vereinbart wurden, dass Makler schlecht informiert waren, wenn man nachgefragt hat, ob es einen Hausmeister in der Wohnanlage gibt, welche Heizung in der Wohnung ist, da waren sie einfach nicht informiert und das war immer sehr frustrierend."

    Eine Chance, um doch noch eine Wohnung zu ergattern, seien die Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften in München, sagt Seitz. Ihre eigene Wohnung bekam sie nur, weil sie die Newsletter der Anbieter abonnierte und jeden Tag telefonisch nachfragte:

    "Das ist eigentlich wie bei einer Bewerbung um einen Job, man muss die Unterlagen dabei haben, man muss sich solide präsentieren."

    Die Doktorandin kann sich solide präsentieren. Neben ihrer Doktorarbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität arbeitet sie in einem guten Job:

    "Ich bin jetzt fest angestellt, unbefristet im öffentlichen Dienst, also ich habe ja noch die Sachen, wo man sagen würde, ich habe noch Chancen mit einem superverlässlichen Einkommen. Was macht einer, der freiberuflich ist, die berichten mir, sie bekommen gar nichts, sie werden nirgendwo eingeladen, sie brauchen gar nicht anzufangen. Also ich bin eigentlich in einer Topposition und trotzdem ist es so schwierig."

    So ganz hat die junge Frau die Hoffnung noch nicht aufgegeben, doch noch eine neue Wohnung zu finden und sei es irgendwann im Münchner Umland. Sie schaut weiterhin in die Samstagausgaben der Zeitungen mit Wohnungsannoncen. Ihr letztes Erlebnis:

    "Jetzt hatte ich auf eine Anzeige geantwortet, Chiffre, da haben sie gesagt, wir haben 92 Zuschriften, aber kommen Sie und gucken Sie es sich an, ja, also, was sagt man dazu"