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Artenschutz
"Ein mit Gift vollgepumpter Elefantenkadaver kann zum Tod von 500 Geiern führen"

Geier erfüllen eine wichtige Funktion in der Natur. In vielen Teilen der Welt sind sie allerdings bedroht. Der Hauptgrund dafür sind vergiftete Köder oder Medikamente, die in der Tierhaltung zum Einsatz kommen, sagte Tilman Schneider von der Konvention zum Schutz der wandernden Tierarten im DLF. Mit einem Aktionsplan will die UN die Tiere nun schützen.

Tilman Schneider im Gespräch mit Georg Ehring | 24.02.2017
    Ein Bartgeier in den Alpen
    Ein Bartgeier in den Alpen (privat / Foto: Felix Knollseisen)
    Georg Ehring: Geier ernähren sich von Aas, und sie erfüllen damit eine wichtige Funktion in der Natur: Tote Tiere zu beseitigen, die sonst längere Zeit herumliegen würden. Doch in vielen Regionen der Welt sind die Geier bedroht. Im spanischen Toledo hat jetzt eine weltweite Konferenz über den Schutz der Geier beraten, und darüber möchte ich jetzt mit Dr. Tilman Schneider sprechen. Er ist Experte für das Thema bei der Konvention für die Erhaltung wandernder Tierarten, die wiederum zum UN-Umweltprogramm gehört. Guten Tag, Herr Schneider!
    Tilman Schneider: Schönen guten Tag, Herr Ehring!
    Ehring: Ja, Herr Doktor Schneider, der Tagungsort Spanien war vielleicht nicht zufällig gewählt. Wo in Europa gibt es überhaupt noch Geier?
    Schneider: Wir haben eine weite Verbreitung hauptsächlich noch in südeuropäischen Ländern und dann auch im Alpenraum kommen jetzt auch wieder die Geier vor, die wir auch früher in Deutschland hatten. Und glücklicherweise beobachten wir seit vor allem 2000, dann stärker auch seit 2006 wieder Geiereinflüge, vor allem Gänsegeier, Mönchsgeier und Bartgeier in Deutschland, resultierend aus Wiederansiedelungsprojekten vor allem im Alpenraum.
    Vergiftung durch Medikamente, Köder und Munition
    Ehring: Wir wollen über die weltweite Bedrohung der Geier sprechen. Warum sind sie in so vielen Ländern unter Druck?
    Schneider: Geier sind aufgrund ihrer Nahrungsansprüche vor allem bedroht. Weltweit ist die größte Bedrohung Vergiftung in der Tat. Das hat damit zu tun, dass Geier zum Teil unbeabsichtigt vergiftet werden durch Köder, die zum Töten anderer Raubtiere ausgelegt werden. Teilweise, vor allem im asiatischen Raum, ein ganz gravierendes Problem, das zum Einbruch der indischen Geierpopulation um über 95 Prozent geführt hat seit den 90er-Jahren: Die Verwendung von Diclofenac, einem Schmerz- und Entzündungshemmer, der in der Viehhaltung verwendet wurde dort, jetzt dort verboten ist, und zu Nierenversagen bei Geiern führt.
    Ein anderer Punkt ist Vergiftung durch Bleischrotmunition, wenn Geier die Kadaver getöteter Tiere fressen, dadurch durch Blei vergiftet werden. Vor allem im südafrikanischen Raum kommt dazu noch die absichtliche Tötung als Produkt, das gehandelt wird zur traditionellen Medizin, also quasi ein glaubensbasierter Faktor. Und kürzlich jetzt auch in den letzten Jahren wieder aufgekommen im Zuge der Wildereikrise auf große afrikanische Tiere, die absichtliche Vergiftung, um eben durch die Vergiftung der Kadaver Geier als Anzeiger für Wildereifälle zu eliminieren. Man schätzt, dass zum Beispiel ein mit Gift vollgepumpter Elefantenkadaver zum Tod von 500 Geiern führt und das zum Auslöschen ganzer lokaler Populationen führen kann.
    "Maßnahmen der Bewusstseinsförderung"
    Ehring: Wie sollen die Geier nun geschützt werden?
    Schneider: Unter der Ägide der Bonner Konvention, der Konvention zum Schutz der wandernden Tierarten unter dem UN-Umweltprogramm und speziell unter der internationalen Vereinbarung zu den Greifvögeln, wurde ein Aktionsplan beschlossen, der nun 15 Geierarten aus dem europäischen, asiatischen und afrikanischen Raum besonders schützt durch Maßnahmen der internationalen Zusammenarbeit. Speziell um die Mortalität der Populationen, die zwischen 80 und 95 Prozent eingebrochen sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten, wieder aufzubauen. Und da geht es vor allem um Maßnahmen der Bewusstseinsförderung, auch um die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden vor Ort in den betroffenen Gebieten, vor allem im asiatischen und afrikanischen Raum, und auch zur verstärkten Anpassung der Gesetzeslage in den betroffenen Staaten.
    Also dieser Geieraktionsplan umfasst das gesamte Verbreitungsgebiet eigentlich dieser 15 Geierarten über diese drei Kontinente hinweg und ist eben dadurch einmalig und maßgeblich, um auch die Staaten, die daran beteiligt sind, auf rechtliche Anpassungen und auch auf die Durchführung der Gesetze dann hinzuweisen und mit ihnen dann entsprechend zusammenzuarbeiten.
    Ehring: Dr. Tilman Schneider war das über den Schutz der Geier. Herzlichen Dank für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.