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Artenschwund
"Wir leben auf einem Planeten der bedrohten Affen"

Von 425 Affenarten seien inzwischen über 60 Prozent akut bedroht, sagte Arnulf Köhnke vom WWF im Deutschlandfunk. Hauptursache sei die Lebensraumzerstörung der Tiere. Es sei dringend nötig, die verbleibenden Lebensräume effektiv zu schützen. Gleichzeitig müsse man global gegen organisierte Wilderei vorgehen.

Arnulf Köhnke im Gespräch mit Georg Ehring | 08.02.2016
    Ein Flachlandgorilla (lat.: Gorilla gorilla) geht auf allen Vieren durch sein Gehege in einem niederländischen Zoo.
    In 50 Jahren hat sie die Population des Flachlandgorillas mehr als halbiert. (picture alliance / dpa / Ronald Wittek)
    Georg Ehring: In China beginnt heute das Jahr des Affen, das Jahr des Schafes ist zu Ende. Menschen, die in diesem Jahr geboren werden, sollen sich durch ihren Erfindungsgeist auszeichnen, sie können die meisten Probleme mit Leichtigkeit lösen, eine deutschsprachige Chinaseite bescheinigt dem Affen sogar einen gesunden Menschenverstand. Wir wollen uns aus diesem Anlass der Bedrohung des Affen durch den Menschen widmen. Die Umweltorganisation WWF macht darauf aufmerksam, dass immer mehr Arten vor dem Aussterben stehen. Verbunden bin ich jetzt mit Arnulf Köhnke vom WWF, guten Tag, Herr Köhnke!
    Arnulf Köhnke: Guten Tag!
    Ehring: Herr Köhnke, welche Affenarten trifft es denn besonders?
    Köhnke: Von den 425 Affenarten sind inzwischen leider über 60 Prozent akut bedroht – wir leben also wirklich auf einem Planeten der bedrohten Affen, wenn man so will. Man kann da viele Beispiele herausgreifen – ganz bekannt zum Beispiel der Sumatra-Orang-Utan, der in hundert Jahren von über 80.000 Tieren auf unter 7.000 Tiere zurückgegangen ist, einfach weil sein Lebensraum massiv zurückgeht, unter Abholzung leidet, weil tropische Regenwälder abgeholzt werden in den letzten 20 Jahren um über 60 Prozent. Aber auch so ganz berühmte Arten wie der Östliche Flachlandgorilla, dessen Population sich in 50 Jahren aktuell mehr als halbiert, es sind nur noch 3- bis 5.000 Tiere. Der WWF fürchtet, dass innerhalb der nächsten 15 Jahre, wenn die Wilderei und der Lebensraumverlust nicht drastisch reduziert werden, vielleicht solche Affen wie der Gorilla ganz verschwinden könnten. Es sind aber auch kleine Arten, die wirklich dramatisch bedroht sind, nicht nur diese großen, berühmten natürlich.
    "Viele Affenpopulationen sind weiterhin stark im Rückgang"
    Ehring: Das heißt nicht nur die Menschenarten, sondern auch die weniger bekannten Arten, quer durch den Garten sozusagen.
    Köhnke: Genau. Es gibt auch Affenarten wie zum Beispiel in Brasilien der Nördliche Braune Brüllaffe, von dem es weniger als 250 Tiere gibt und die Populationen schon sehr stark zersplittert sind, eben auch durch Zerstörung seines Lebensraums, der Küstenwälder in Ostbrasilien – dass es also Populationen gibt, keine einzige mehr als 50 Affen. Das heißt, solche Affenarten stehen wirklich am Rand des Aussterbens.
    Ehring: Vor zwölf Jahren war in China das letzte Mal das Jahr des Affen, wie hat sich denn seitdem die Lage entwickelt?
    Köhnke: Es ist leider nicht wirklich besser geworden. Viele Affenpopulationen sind weiterhin stark im Rückgang und leiden weiterhin unter der Zerstörung ihrer Waldlebensräume – durch Abholzung für Umwandlung des Waldes in Ackerbau oder für Viehzucht oder auch für Holz – und leiden auch massiv weiterhin unter Wilderei, unter nicht nachhaltiger Jagd auf diese Affen.
    Ehring: Was sind denn die Hauptursachen? Ein paar Ursachen haben Sie ja schon kurz angesprochen.
    Köhnke: Ja, die Hauptursache ist wirklich die Lebensraumzerstörung. Die Affen leben in tropischen Wäldern, und diese tropischen Wälder werden von Menschen umgewandelt in Äcker, für Viehzucht, in Weiden, aber auch abgeholzt für ihr Holz. Gleichzeitig werden die Affen aktiv gejagt, um ihr Fleisch als sogenanntes Buschfleisch zu essen oder teilweise auch, um sie wegen zugeschriebener medizinischer Funktionen illegal zu handeln.
    "Es geht auch darum, uns Menschen eine dauerhafte Lebensgrundlage zu bieten"
    Ehring: Gibt es denn erfolgreiche oder erfolgversprechende Ansätze, dagegen vorzugehen und Affen zu schützen?
    Köhnke: Nach Überzeugung des WWF gibt es eigentlich eine Reihe von Ansätzen, um Affen zu schützen. Erst mal ist es ganz dringend nötig, die verbleibenden Lebensräume effektiv zu schützen und die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort in Einklang zu bringen mit dem Erhalt von Artenvielfalt allgemein und in dem Fall mit dem Erhalt von Affen. Wenn man zum Beispiel Entscheidungen darüber trifft, wo Entwicklung stattfinden soll, wo Konzessionen vergeben werden sollen oder wo Straßen gebaut werden sollen, dann müssen nach Auffassung des WWF eben bedrohte Tierarten wie diese Affen stark mit in Betracht gezogen werden. Gleichzeitig muss man global gegen organisierte Wilderei arbeiten – sowohl im Strafvollzug, aber natürlich auch, indem man den Menschen vor Ort alternative Lebensgrundlagen bietet, um vielleicht nicht mehr illegal jagen gehen zu müssen.
    Ehring: Affen leben ja oft in Ländern, die auch andere Probleme haben als den Naturschutz, wie ist denn da der Stellenwert zu vermitteln, des Naturschutzes?
    Köhnke: Na, ich denke, ganz wichtig ist, zu vermitteln, dass es hier nicht nur darum geht, tropische Wälder zu schützen oder Affen, es geht einfach auch darum, uns Menschen insgesamt eine dauerhafte Lebensgrundlage zu bieten. Und für uns sind diese Wälder von zentraler Bedeutung, was zum Beispiel die Speicherung von Kohlenstoff angeht, was insgesamt unsere Lebensqualität auf der Welt angeht, nicht nur vor Ort. Und ich denke, das ist ein wirklich wichtiger Ansatz, das zu stärken und dadurch den Naturschutz zu stärken, auch in diesen Ländern vor Ort.
    Ehring: Arnulf Köhnke war das vom WWF zum Thema Bedrohung der Affen weltweit. Herzlichen Dank!
    Köhnke: Ja, danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.