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Artenvielfalt
WG mit der Fledermaus

Hessens Umweltministerin Priska Hinz will sich für einen besseren Schutz der Artenvielfalt im Land einsetzen. Ein wichtiger Baustein ist das "fledermausfreundliche Haus", also ein Haus, das den fliegenden Säugern Schutz und Nistplätze bietet. Beim Zusammenleben mit Fledermäusen ist allerdings einiges zu beachten.

Von Anke Petermann | 25.04.2014
    Wann genau die neuen Untermieter einzogen in ihr 100 Jahre altes Haus an der Hessischen Bergstraße, kann Katja Elena Funke gar nicht sagen.
    "Die wohnen sicherlich schon länger hier, aber die Signale, die haben wir nicht richtig zu deuten gewusst. Also, wir haben die anderen Tieren zugeschrieben. Wie zum Beispiel Rascheln im Rollladenkasten hab' ich Vögeln zugeschrieben. Dann die kleinen trockenen Kotkügelchen auf der Fensterbank hab' ich Mäusen zugeschrieben. Und dann hatte sich letztes Jahr gezeigt, dass wir im Garten saßen und dass da tatsächlich Fledermäuse aus dem Rollladenkasten geflogen sind."
    Funkes Neugier war geweckt. Sie recherchierte im Internet, fand heraus, dass sich der NABU für Fledermäuse einsetzt und ließ sich von der informieren. Die Funkes erfuhren, dass sie mit Zwergfledermäusen eine streng geschützte Art beherbergen.
    "Dann hatten wir eine Jungfledermaus, die sich verflogen hatte im Haus. Die hab' ich in der Küchenspüle gefunden, ziemlich ängstlich am Morgen. Da habe ich dann rausgefunden, es Fledermausauffang- oder Pflegestellen, wo man Jungfledermäuse hinbringen kann, hatte daraufhin Kontakt zu der Auffangstelle in Heppenheim. Die wurde hingebracht und untersucht.

    Es wurde festgestellt, es ist noch ein Jungtier, das aber völlig gesund ist. Und mir wurde dann gesagt, ich sollte die in dem Schuhkarton, in dem ich die transportiert hätte, direkt unter die Wochenstube, die ja im Rollladenkasten ist, stellen, dass sie in der Dämmerung dann an der Hauswand hochklettern kann und zusammen mit den anderen Fledermäusen fliegen kann. Und das hat auch geklappt. Die ist hochgeklettert. Die anderen sind aus dem Rollladenkasten rausgeflogen, haben sie entdeckt, haben sie umkreist, haben sie umschwirrt wie ein richtiger Freudentanz, und dann sind sie zusammen in die Nacht geflogen."

    In der sogenannten Wochenstube ziehen die Weibchen im Sommer ihre Jungtiere groß. Wenn der Nachwuchs selbstständig ist, werden die Wochenstuben aufgelöst.

    "Der NABU hat mich auch dahingehend aufgeklärt: Das sind auch keine Tiere, die der Bausubstanz schaden. Also in keiner Weise. Die nutzen nur bestimmte Lücken, um sich da hinzuhängen, der Kot, der runterfällt, ist trocken, riecht nicht, der kann mit dem Kehrbesen weggekehrt werden und eignet sich hervorragend als Blumendünger. Also, es ist einfach ein ganz zurückhaltendes liebes Tierchen, was man eigentlich nicht spürt, aber wenn man ein bisschen aufpasst, kann man es beobachten und sich daran erfreuen."

    Praktisch sind die Flugsäuger, weil sie pro Nacht Tausende von Insekten vertilgen – natürlicher Mückenschutz. Als" fledermausfreundliches Haus" zeichnete das Hessisches Umweltministerium das Domizil der Funkes in Seeheim-Jugendheim jetzt aus. So steht es auf kachelgroßen Plaketten an mittlerweile über 800 Häusern in Hessen. Wenn sie sich in Mauerspalten, hinter Verkleidungen oder unterm Dach angesiedelt haben, muss man die Flugkünstler nur ungestört rein und raus fliegen lassen, erläutert NABU-Fledermaus-Expertin Petra Gatz:

    "Wenn man Fledermäuse am Haus haben möchte, gibt es auch die Möglichkeit, dass man künstliche Quartiere am Haus anbringt, um den Fledermäusen eine Wohnung anzubieten. Da kann man Dinge kaufen, man kann welche bauen, man kann also auch Bauanleitungen bekommen, was für Kinder ganz toll ist, wenn man das gemeinschaftlich machen kann. Es ist im Prinzip ganz einfach. Also, der Fledermaus ist es im Prinzip egal, was es für ein Haus ist, ist es ein altes Haus, ein neues Haus. Wir haben auch viele Quartiere in Häusern mitten in der Stadt, 6-, 8-, oder 10-Familienhäuser, auch da gibt es Fledermäuse. Denn oftmals haben diese Häuser Flachdächer, die haben eine Blende, so eine Abdeckblende, und darunter, in den Spalten zwischen Mauerwerk und dieser Abdeckung, haben Fledermäuse ganz wunderbare Quartiere."
    Das "fledermausfreundliche Haus" ist ein Projekt der laufenden UN-Dekade für biologische Vielfalt, erklärt der hessische NABU-Vorsitzende Gerhard Eppler. Damit ist es Teil einer weltweiten Strategie.

    "Also, auch der Siedlungsbereich gehört zu unserer Umwelt mit dazu. Und in dem Bereich sind gerade viele Fledermausarten, die an Gebäuden ihre Wochenstuben-Quartiere beziehen und von da aus ausschwärmen, Insekten fangen und alles, und gerade auch im Siedlungsbereich kann man sehr viel tun für die Biodiversität."