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Artgerechte Haltung
Tierschützer wollen Kennzeichnung von Hühnerfleisch

In Hühnerkostüme gezwängt, sind drei Britinnen wochenlang durch Europa gereist, um für eine Haltungskennzeichnung von Hühnerfleisch zu werben. Nun kommen die Tierschützerinnen in Brüssel an.

Von Alexander Budde | 08.09.2014
    Agrarminister Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen) mit dem Kampagnen-Huhn "Rosa".
    Agrarminister Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen) mit dem Kampagnen-Huhn "Rosa". (Deutschlandradio / Alexander Budde)
    Auf seinem Demeter-Hof in Wörme hält Hubertus von Hörsten Hühner. Wann immer sie wollen, können die Tiere ins Freie. Wild flatternd baden die Hennen im Staub, aufgeregt wachen die Hähne. Für seine Legehennen scheut von Hörsten weder Mühen noch Kosten. Er will sich abheben von den großen Spielern der Branche.
    "Wir müssen einen Stall bauen für die Tiere. Und nicht die Tiere danach machen, wie der Stall ist. Das ist doch völlig idiotisch! Wir schneiden die Schnäbel ab, weil unsere Stallungen so was von mistig sind, dass die sich gegenseitig auffressen!"
    In der sogenannten Massentierhaltung haben die Tiere kaum die Möglichkeit, ihr natürliches Verhalten auszuleben, wissen Bio-Bauern wie von Hörsten. Kannibalismus, Herzbeschwerden sind bekannte Folgen der intensiven Hühner-Haltung mit ihren abnormen Wachstumsraten. Der gewöhnliche Verbraucher erfährt von alldem wenig.
    Das will Tamsin French ändern. Die Freiland-Bäuerin aus dem britischen Devon ist eine der drei Frontfiguren der Kampagne, die sich abwechselnd in das Hühnerkostüm zwängten. Die Argumente für eine verpflichtende Kennzeichnung von Fleischprodukten liegen auf der Hand, sagt French bei ihrem Zwischenstopp beim Landwirtschaftsminister in Hannover.
    "Die Verbraucher haben ein Recht zu wissen, was sie da kaufen. Wir wollen, dass man im Supermarkt Antwort auf simple Fragen bekommt, etwa wo das Huhn herkommt und wie es gehalten wurde. Davon würden alle profitieren: Der Verbraucher, der mehr über das Fleisch erfährt, das er verspeist. Und auch wir Erzeuger, denn wir hätten eine größere Chance uns im Markt zu behaupten und über den Preis zu differenzieren."
    Deutschland produziert nach Frankreich das meiste Geflügelfleisch in der EU. Rund 700 Millionen Tiere werden hierzulande jährlich geschlachtet, der Großteil in Niedersachsen. In einer Länderarbeitsgruppe zusammen mit Baden-Württemberg will Niedersachsens grüner Agrarminister Christian Meyer eine Kennzeichnung von Fleisch prüfen. Bei Hühnereiern habe diese Kennzeichnung bewirkt, dass Verbraucher viel weniger Eier aus Käfighaltung kaufen.
    "Bei den Eiern hat es gut geklappt, mit 90 Prozent der Verbraucher, die teurere Eier kaufen, die die Käfighaltung links liegen lassen. Ich kann mir gut vorstellen, dass, wenn es eine Klarheit und Unterstützung von Tierschutzorganisationen und Verbrauchern für so eine Kennzeichnung gibt, dass wir damit sukzessive die schlechten Haltungsbedingungen zurückdrängen können und dem Verbraucher ermöglichen, dass was er sich wünscht auch tatsächlich zu kaufen."
    Ein einheitliches staatliches Tierschutzsiegel hält Meyer für sinnvoll, mit klaren Kriterien, die in allen Bundesländern gelten und staatlich überwacht werden.
    "Wir haben im Bundesrat die Forderung erhoben, dass auch die verarbeiteten Eiprodukte, also wenn Eier im Kuchen sind oder der Mayonnaise, dass dort die Tierhaltung draufsteht. Das würde die Billig-Eier aus Tierqualanlagen aus dem Ausland sehr stark abwehren. Und der Verbraucher könnte auch dort die gleiche Kaufentscheidung und Wahlfreiheit haben wie bei den losen Eiern."
    Dafür will auch das Huhn Rosa heute in Brüssel demonstrieren. Die Tierschützer – in Deutschland unterstützt von der Albert Schweitzer Stiftung – dürfen sich auf eine europaweite Umfrage berufen, wonach Acht von zehn Verbrauchern eine verpflichtende Kennzeichnung auch von Fleischprodukten wünschen.