Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Arthur Millers "The Prize" am Broadway
Über alte Möbel und alte Schuld

Arthur Millers Stück "The Price" wird nur selten auf den Bühnen der Welt gespielt. Mit einer absoluten Starbesetzung hat Regisseur Terry Kinney ihm nun einen neuen Glanz verliehen - und Danny DeVito ein fulminantes Broadway-Debüt.

Von Andreas Robertz | 21.03.2017
    Broadway bei Nacht.
    Broadway bei Nacht. (AFP / Stephane de Sakutin)
    Nun ist Mark Ruffalo am Broadway in Arthur Millers "The Price" zu sehen, einem Stück, in dem es auch darum geht, welchen Preis wir für unsere Lebensentscheidungen zahlen müssen. Er spielt den bodenständigen und ehrlichen Polizisten Victor, der als junger Mann seine Karriere als Wissenschaftler abgebrochen hatte, um seinen, durch die Wirtschaftskrise verarmten Vater zu pflegen, während sein Bruder Walter einfach verschwand, um ein berühmter Arzt zu werden. Nun, 16 Jahre nach dem Tod des Vaters, wird das elterliche Haus abgerissen und er muss sich darum kümmern, dass die alten Möbel verkauft werden. Und wenn es nach seiner sehr materialistisch ausgerichteten Frau Esther ginge, lieber gestern als heute. Um diese schmerzliche Transaktion auch noch zusätzlich zu erschweren, schachert der alte jüdische Möbelverkäufer Salomon um den Verkaufspreis.
    Danny DeVito spielt Salomo als einen Geschäftsmann, der mit allen Wassern gewaschen ist: Er stöhnt, atmet schwer, erzählt von seinen Lebenserfahrungen, als wäre heute der letzte Tag seines Lebens gekommen und erklärt Victor mit viel Witz die Psychologie der Menschen, die gebrauchte Möbel kaufen:
    "Look, this furniture. The problem is, the average person take one look at this furniture and make him very nervous.” "Salomon, you’re starting again!” "I am not bargaining with you. A man sits down to such a table, he knows not only he is married, he’s got to stay married.”
    Staubige und mysteriöse Atmosphäre
    Danny DeVito ist eine Traumbesetzung für diese Rolle. Er bedient in seinem Broadway Debüt das Klischee des gewieften jüdischen Händlers so herzerfrischend und überzeugend, dass man während des ersten Aktes meinen könnte, Arthur Miller hätte im Grunde eine Komödie geschrieben. Aber während man lacht, spürt man die ganze Zeit an Mark Ruffalos verkniffenem Gesicht und seiner wortkargen Art, wie schmerzhaft für ihn jede Verzögerung des Deals ist. Als die beiden sich endlich einigen, tritt der verschollene Walter alias Tony Shalhoub, den man als "Detective Monk" aus der gleichnamigen TV Serie kennt, auf und der Akt endet. Nach der Pause findet man sich dann auf gewohntem Arthur Miller Territorium wieder: Söhne, die herauskriegen müssen, was ihre Väter, Brüder oder die Gesellschaft als Ganzes ihnen schuldet.
    Die Bühne von Derek MacLane trifft die staubige und mysteriöse Atmosphäre eines alten Dachbodens: alles ist voller alter Möbel und selbst von der Decke hängen Stühle und Tische herab. Im Hintergrund der blaue Himmel und die Silhouetten der typischen New Yorker Wassertürme. Der Ort wirkt wie eine abgerückte Welt, in der die beiden Brüder mit den Folgen ihrer Entscheidungen ins Reine kommen müssen.
    Es tut einem fast körperlich weh, wie Mark Ruffalo einfach oft nur unschlüssig dasteht und versucht, seine Wut unter Kontrolle zu halten, wenn der mit Worten so gewandte Walter plötzlich großzügig auf seinen Anteil am Verkauf verzichtet, ihm einen lukrativeren Deal über einen Steuertrick vorschlägt und Esther benutzt, um Victor als den ohne Grund verbitterten Bruder dazustellen. Als wäre er wieder Bruce Banner, der mit aller Kraft verhindern will, dass der Hulk aus ihm hervorbricht.
    Als sein Zorn dann endlich hervorbricht, erlebt man die emotionale Abrechnung, auf die man die ganze Zeit gehofft hatte. Gegen Marl Ruffalos Ausbruch hat Tony Shalhoub nur ein weinerliches Rechtfertigungsgerede entgegenzusetzen. Für Walter besteht die Welt letztlich aus Gewinnern und Verlierern und Victor ist ein Verlierer. So unversöhnlich sich beide Brüder bis zum Schluss auch gegenüberstehen, am Ende hat Victor Esthers Herz und seinen Stolz zurückgewonnen. Und Salomo bekommt endlich seinen Deal. "Es ist nie gut, sein Herz an gebrauchte Möbel zu hängen", sagt er und das mag übertragen auch für alte Familiengeschichten gelten.
    "The Price" ist wie alle Arthur Miller Stücke ein moralisches Stück, dass nach den richtigen Entscheidungen des Einzelnen angesichts einer auf Gier und Profit ausgelegten Welt fragt. In der richtig zurückgenommenen Regie von Terry Kinney ist das selten gespielte Stück eine echte Wiederentdeckung. Seinem absolut großartigen Ensemble mag er vor allem eins gesagt haben: Wenn ihr euch einfach nur richtig zuhört, dann hört euch auch das Publikum richtig zu.
    Sie haben es getan.