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Arzneimittelreste
Neue Reinigungsstufe in Klärwerken

Entzündungshemmer, Asthma-Medikamente, Psychotherapeutika und Antibiotika gelangen über das Abwasser in Flüsse und Sehen und schaden dort beispielsweise Fischen oder Fröschen. Herkömmliche Kläranlagen reichen zum Filtern nicht aus, eine weitere Reinigungsstufe wird erforderlich.

Von Annette Eversberg | 20.10.2014
    Tabletten liegen in einem Glas.
    Für alle Medikamente, die seit 2004 zugelassen wurden, müssen Pharmafirmen die Umwelttauglichkeit nachweisen. (dpa)
    Das Klärwerk der 47.000-Einwohner-Stadt Dülmen im Münsterland hat eine wichtige Funktion. Sauberes Abwasser schützt letztendlich den Halterner Stausee. Eine Talsperre, aus der rund eine Million Menschen im westlichen Münsterland und nördlichen Ruhrgebiet ihr Trinkwasser beziehen. Das Abwasser durchläuft bisher insgesamt drei Reinigungsstufen, erklärt Helmut Wissing, Abwassermeister im Klärwerk Dülmen.
    "Hier sind wir am Ablauf der Vorreinigung. Von hier aus geht es dann zur Biologie. In der Biologie leben die Bakterien, die das Abwasser reinigen von allen Verbindungen. Das sind Einzeller und Mehrzeller, die im Prinzip dann Stoffe in ihre Zellen aufnehmen können und dann entsprechend umbauen."
    In der 3. Stufe werden Nährstoffe wie Phosphat beseitigt, damit es nicht zu einer Überdüngung kommt. In den Gewässern, in die das geklärte Abwasser eingeleitet wird.
    Doch inzwischen hat man sich in Dülmen für die 4. Reinigungsstufe entschieden. Um auch Arzneimittel soweit wie möglich zu entfernen. Arzneimittel wirken in kleinsten Mengen. Auch in der Umwelt. Spuren von Hormonen beeinträchtigen bereits die Fortpflanzung von Fischen. Das Schmerzmittel Diclofenac schädigt Leber und Nieren der Fische. Antibiotika führen zu multiresistenten Keimen, die man auch in den Gewässern findet. Helmut Wissing.
    "In Zukunft werden wir das Wasser in sogenannte Reaktionsbecken geben, wo wir dem Wasser noch Aktivkohle zusetzen werden. Und das dann wirklich gereinigte Wasser fließt dann ab in den Tiberbach."
    EU will die 4. Reinigungsstufe zur Pflicht machen
    Und von dort weiter bis zum Halterner Stausee. Dr. Sven Lyko ist als Wissenschaftler zuständig für das Gebietsmanagement im Lippeverband, zu dem das Klärwerk Dülmen gehört. Gereinigt heißt für ihn:
    "Wir erhoffen uns jetzt durch die zusätzliche Stufe eine nochmalige Elimination von etwa 80 Prozent. Sodass wir eigentlich dann davon ausgehen, dass wir im Gesamtprozess auf der Kläranlage so 80 bis 90 Prozent der Gesamtmenge an Arzneimitteln eliminieren. "
    Auch wenn Spurenstoffe wie Arzneimittel nicht zu 100 Prozent geklärt werden können. Den Bau einer 4. Reinigungsstufe bewertet das Umweltbundesamt heute als erfolgversprechend. Die EU will die 4. Reinigungsstufe in den Klärwerken zur Pflicht machen. Am weitesten ist man bereits in der Schweiz, betont Dr. Steffen Metzger vom Kompetenzzentrum Spurenstoffe Baden-Württemberg.
    "Man hat hier eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht. Das heißt, man weiß mittlerweile, welche Kläranlagen eine 4. Reinigungsstufe nachzurüsten haben."
    Inzwischen weiß man auch, welches Reinigungsverfahren geeignet ist. Je nachdem, in welchem Einzugsgebiet sich die Kläranlage befindet. Steffen Metzger.
    Auch die Verbraucher können was tun
    "Aktivkohlefiltermethode oder Ozonung. Man muss sehen, die Wirkungsweise bei diesen beiden Verfahren ist unterschiedlich. Bei Aktivkohle spricht man von Adsorption. Die Stoffe werden an die Aktivkohle angelagert. Bei Ozonung werden die Stoffe umgewandelt. Die Stoffe werden in kleinere Bruchstücke zerschlagen. Bei der Ozonung kann sein, wenn im Abwasser gewisse Stoffe vorhanden sind, dass sozusagen daraus toxischere Stoffe nach der Ozonung entstehen. Dann würde man sich ganz klar für die Aktivkohle entscheiden."
    Wie im Klärwerk Dülmen. Zwischen 2.50 Euro und 15 Euro pro Jahr kann die 4. Reinigungsstufe den Verbraucher kosten. Je nachdem wie groß das Klärwerk ist und auf wie viele Einwohner sich die Kosten verteilen. Aber die 4. Reinigungsstufe kann das Problem der Umweltbelastung nicht alleine lösen. Pharmafirmen müssen deshalb die Umwelttauglichkeit nachweisen. Für alle Medikamente, die seit 2004 zugelassen wurden. Bei Altarzneimitteln gilt das aber noch nicht. Der Lippeverband will deshalb in Dülmen auch prüfen, was man mit der Aufklärung von Krankenhäusern, Ärzten, Apotheken und Verbrauchern erreichen kann. Sprecher Michael Steinbach.
    "Wenn also die Ärzte das verschreiben, was im Rahmen ihrer therapeutischen Möglichkeiten geboten ist, anderseits aber die Umwelt möglichst wenig belastet. Vielleicht kleinere Packungsgrößen in vielen Fällen auch auf Medikamente verzichtet, wo es nicht unbedingt erforderlich ist. Beim Verbraucher liegt natürlich der Focus auf der richtigen Entsorgung. Stichwort: Nie in die Toilette. Und ist es auch sinnvoll darauf zu achten, was man so nimmt und auch auf die Packungsgröße. "