Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Arztbesuch im Internet

Es klingt verlockend: Bequem vor dem Rechner alles von der Blasenentzündung bis zum Bluthochdruck behandeln zu lassen. Fernbehandlung per Internet - das versprechen zumindest die Betreiber von "DrEd.com". Die Stiftung Warentest und Gesundheitsexperten haben das Portal untersucht.

Von Stefan Römermann | 14.08.2012
    In Deutschland sind virtuelle Arztbesuche per Internet ohne vorherigen persönlichen Kontakt eigentlich verboten. Doch die Online-Praxis von "DrEd" steht in London – und in Großbritannien ist die so genannte Telemedizin erlaubt. Anfangs gab es die Webseite nur auf Englisch, seit Ende vergangenen Jahres wirbt "DrEd" aber auch gezielt um deutsche Kunden. Die Patienten müssen dabei zuerst auswählen zu welchem Thema sie eine virtuelle Sprechstunde besuchen wollen, erklärt Jens Apermann, Unternehmenssprecher von "DrEd".

    "Dort erwartet sie ein Fragebogen wo allerhand medizinische Daten abgefragt werden, und natürlich auch persönliche Daten. Diese fließen ein in eine elektronische Patientenakte, die bei uns dann angelegt wird. Innerhalb dieser Akte versucht der Arzt anhand der vorliegenden Information oder der Nachfragen, die da noch geklärt werden, eine Diagnose zu stellen. Ist er sich in der Diagnose sicher, macht er auch gleich einen Behandlungsvorschlag."

    Der Behandlungsvorschlag – das ist in der Regel ein Privatrezept. Die verordneten Medikamente werden dann entweder über eine Versandapotheke direkt per Post zum Kunden geschickt – oder er erhält das Rezept, das auch in einer Apotheke in Deutschland problemlos eingelöst werden kann. Der Arztbesuch kostet je nach Krankheit zwischen neun und 29 Euro, die allerdings nur dann bezahlt werden müssen, wenn tatsächlich ein Rezept ausgestellt wird. Behandelt wird ohnehin nur eine kleine Auswahl an Krankheiten und Problemen, besonders solche, die vielen Menschen peinlich sind. Beispielsweise Erektionsstörungen, Geschlechtskrankheiten oder Haarausfall. Nachdem im vergangen Jahr unter anderem die Kassenärztliche Bundesvereinigung vor dem Angebot gewarnt hat, hat nun die Stiftung Warentest das Angebot unter die Lupe genommen. Dazu haben die Tester zwei Fälle mit typischen – aber nicht eindeutigen Symptomen entwickelt. Die Testpatienten haben sich anschließend an "DrEd" gewandt, erklärt "test"-Redakteurin Bettina Sauer.

    "Wir waren schon ganz schön baff, was da raus gekommen ist. Als erstes Szenario hatten wir die Blasenentzündung. Und da hat unsere Testerin sehr uneindeutige Symptome angegeben, nämlich Blasenschmerzen. Das kann alles Mögliche sein. Das könnte sogar wegen Nierensteinen sein, oder weil ein Tumor da sitzt und Probleme macht. Trotzdem bekamen wir nach wenigen Minuten, also nur auf Grund dieser uneindeutigen Symptome das Angebot, ein Antibiotikum zu verordnen."

    Der zweite Testfall, eine Chlamydien-Infektion, endete ebenfalls mit einem Antibiotika-Rezept. Dabei wurden die Symptome auch dieses Mal nicht ausreichend abgeklärt, urteilt "test"-Redakteurin Sauer.

    "Das heißt, die Patienten nehmen ein möglicherweise nebenwirkungsreiches Medikament. Möglicherweise sind andere Krankheiten dahinter die unaufgeklärt bleiben. Und deshalb fanden wir das Vorgehen von 'DrEd' nicht in Ordnung."

    Bei "DrEd" hält man das Urteil der Stiftung Warentest für ungerecht und beklagt sich in einem offenen Brief über die Testmethoden. Zwar räumt das Unternehmen Softwarefehler ein. Diese hätten dafür gesorgt, dass bestimmte Nachfragen in den Online-Fragebögen nicht gestellt wurden. Allerdings seien die Probleme inzwischen gelöst – und außerdem habe die Behandlung so den geltenden medizinischen Richtlinien entsprochen. Im Fall der Chlamydien-Infektion habe die Testperson sogar geschwindelt und einfach behauptet, sie habe einen Selbsttest gemacht der positiv ausgefallen sei, klagt "DrEd"-Sprecher Apermann.

    "Das heißt, dort hat der Testpatient der Stiftung Warentest uns gezielt getäuscht, und dann kann es sich nicht mehr um einen fairen und objektiven Test handeln. Also wir würden uns wünschen, dass wir nicht nur in der Telemedizin Fortschritte machen, sondern, dass auch die Tester der Telemedizin Fortschritte machen, sondern dass auch die Tester der Telemedizin entsprechend Fortschritte machen. Und wir dann zu einer Entwicklung kommen, die vielleicht beiden Seiten nutzt und nicht nur Patienten verunsichert."

    Doch Gesundheitsexperten halten geschwindelte oder falsche Aussagen der Patienten für durchaus legitim. Denn viele Menschen könnten gar nicht abschätzen, wie wichtig bestimmte Fragen wirklich seien. Und wer bei "DrEd" einfach nur Viagra verordnet bekommen möchte, wird vielleicht einfach bestimmte Antworten geben um auch ja sein Rezept zu bekommen. Und genau hier liegt das Problem, warnt Michaela Schwabe von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland in Berlin.

    "Wenn einfach etwas behauptet wird, das kann der Arzt im Internet-Portal ja gar nicht nachvollziehen. Und mit Viagra oder Pille gilt oder so etwas ja nichts anderes. Auch hier ist entscheidend, was habe ich noch für Begleiterkrankungen. Zum Beispiel Herzerkrankungen können bei Einnahme von Viagra eine große Rolle spielen. Und Viagra kann auch lebensgefährlich sein."