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Arztreport
Mehr Studierende mit psychischen Problemen

Jeder vierte junge Mensch zwischen 18 und 25 Jahren leidet unter Angststörungen oder Depressionen - so das Ergebnis einer aktuellen Studie. Was Ärzte, Krankenkassen und Universitäten besonders aufhorchen lässt: Studierende sind besonders betroffen. Der ständige Leistungsdruck lässt viele zu Tabletten greifen.

Von Claudia von Laak | 22.02.2018
    Studierende in einer Vorlesung
    Studierende in einer Vorlesung (imago/Ute Grabowsky)
    Wer ein Studium beginnt, der wird in einigen Jahren eher psychisch erkranken als jemand, der im Arbeitsleben steht. Dabei bekommen Studentinnen eher eine Depression als Studenten - so steht es im Arztreport der Barmer, der vom Göttinger Aqua-Institut erarbeitet wurde.
    Leiter Joachim Szecsenyi:
    "Wir haben festgestellt, dass Studierende zwar zu Beginn des Studiums seltener psychische Erkrankungen haben, aber im Laufe des Studiums die Erkrankungsrate von psychischen Erkrankungen insbesondere von Depressionen deutlich ansteigt."
    Um mehr als ein Drittel hat die Zahl der psychischen Erkrankungen in den letzten zwölf Jahren zugenommen. Joachim Szecsenyi führt dies unter anderem auf die Neuorganisation des Studiums zurück. Er ist der Ansicht:
    "Dass diese Studiensituation heutzutage durch das Bachelor- und Mastersystem sehr belastend ist und, je länger man dann im Studium ist und vielleicht auch Misserfolg im Studium hat, sich das auch auf die psychische Gesundheit auswirkt."
    Der Druck am Ende des Studiums nimmt zu
    Der Druck am Ende des Studiums nimmt zu - Prüfungen stehen an, Bachelor- oder Masterarbeiten, wird es am Ende eine 1,8 oder vielleicht nur eine glatte 2? Nicht alle halten diesen Druck aus.
    "Gerade wenn man sich anschaut, dass heutzutage immer mehr davon abhängt, wie man etwas beendet und nicht nur, dass man etwas beendet, also sprich, welche Note man hat, das verstärkt natürlich den Druck."
    Weiß Jan Flint, der kurz vor seinem zweiten juristischen Staatsexamen steht. Gerade wird gelernt, bis es quietscht – manche versuchen sich in diesen Prüfungsphasen auch mit Tabletten zu beruhigen, sagt Johannes Schroth, der im Moment gemeinsam mit Jan Flint eine kurze Lernpause macht und sich vor der Tür der juristischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität von der Wintersonne bescheinen lässt.
    "Ich habe ein paar meiner Freunde erlebt, die zwischendurch auch mal Tabletten geschluckt haben. Valiumähnliche Präparate, hat denen auch nicht geholfen. Das haben sie schnell eingesehen. Aber wenn man dafür prädestiniert ist, kann ich mir schon vorstellen, dass das massiv werden kann."
    Entsprechende Angebote fehlen
    Die beiden angehenden Juristen halten sich selber für psychisch stabil, sind aber der Ansicht, die Uni müsse mehr Angebote für labilere Studierende machen.
    "Aber diese Angebote dürfen nicht so abgestempelt sein. So: Wenn Du gar nicht mehr kannst, dann kannst Du auch in die Sprechstunde gehen. Sondern, das muss vermittelt werden, dass das etwas ist, das potentiell jeden treffen kann, auch von heute auf morgen. Und auch wieder weggehen kann. Das wäre vielleicht ein erster Schritt in Richtung einer Besserung, dass man da die Tür aufmacht."
    Psychische Erkrankungen so früh wie möglich erkennen und behandeln, bevor sie chronisch werden. Das ist auch das Ziel von Krankenkassen, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen. So hat zum Beispiel die Barmer in Zusammenarbeit mit Universitäten ein Online-Training entwickelt.
    Vorstandsvorsitzender Christoph Straub: "Weil wir wissen, dass man mit modernen, internetbasierten Angeboten das Risiko, eine Depression zu entwickeln, um 40 Prozent reduzieren kann. Das heißt, der erste Schritt muss sein, das Problem zu beschreiben und passgenau Angebote zu entwickeln und anzubieten, die den Ausbruch von Erkrankungen oder das Auftreten von starken psychischen Belastungen verhindern."
    Die Weltgesundheitsorganisation WHO sagt voraus, dass die Zahl der Depressionen weiter ansteigen wird - ein drängendes Thema also für Krankenkassen, Studentenwerke und Universitäten. Der angehende Jurist Jan Flint:
    "Wenn man sich an der Uni so umschaut, dann sind doch meistens diejenigen im Mittelpunkt, die erfolgreich sind. Und dann entsteht schnell der Eindruck, oh, ich muss jetzt auch so genial sein, damit ich überhaupt mithalten kann. Dass man da nicht so erschlagen wird von dem Eindruck, hier sind nur Genies unterwegs und ich gehöre hier eigentlich gar nicht hin, das ist ein Punkt, an dem kann man auf jeden Fall noch arbeiten."