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Aserbaidschan
Kritik ist nicht erwünscht

In Aserbaidschan wurde der Menschenrechtler Anar Mammadli verhaftet. Ihm werden unter anderem Steuerhinterziehung und illegale Geschäftstätigkeit vorgeworfen. Kollegen sagen hingegen, die Festnahme sei politisch motiviert und ein Racheakt dafür, dass Mammadli Wahlfälschungen kritisiert habe.

Von Gesine Dornblüth | 18.12.2013
    Im Oktober hat die Südkaukasusrepublik Aserbaidschan am Kaspischen Meer einen Präsidenten gewählt, und es war der alte: Ilham Alijew. Die OSZE kritisierte den Urnengang anschließend als "weit entfernt" von den Standards freier und fairer Wahlen. Was das Regime in Aserbaidschan maßlos geärgert hat. Geärgert hat es sich vermutlich auch über Anar Mammadli. Er leitet eine einheimische Wahlbeobachterorganisation, und auch er hatte die Wahl heftig kritisiert, auch hier im Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur. Vorgestern wurde Mammadli verhaftet.
    Die Behörden werfen Anar Mammadli unter anderem Steuerhinterziehung und illegale Geschäftstätigkeit vor. Mammadli leitet das nichtkommerzielle Zentrum für Wahlbeobachtung und Demokratiestudien in Aserbaidschan. Er ist einer der prominentesten Vertreter der aserbaidschanischen Zivilgesellschaft. Im Fall einer Verurteilung drohen ihm mehrere Jahre Haft. Sein Kollege Emin Huseynow vom Institut für Reportersicherheit, einer anderen Menschenrechtsorganisation in Baku, ist überzeugt, dass Mammadlis Verhaftung politisch motiviert ist.
    Das ist ein Racheakt. Rache dafür, dass Anar Mammadli die Führung des Landes kritisiert und ihr Wahlfälschungen vorgeworfen hat.
    Aserbaidschan wird autoritär regiert. Das Regime unter Präsident Ilham Alijew, der am 9. Oktober in umstrittenen Wahlen zum dritten Mal in Folge an die Staatsspitze gewählt wurde, hat zahlreiche seiner Kritiker mit konstruierten Vorwürfen ins Gefängnis gebracht. Unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen werden behindert. Das hatte auch Anar Mammadli erfahren. Bei der Präsidentenwahl organisierte er flächendeckend lokale Wahlbeobachter. Als sie ihre Ergebnisse am nächsten Tag der Öffentlichkeit präsentieren wollten, gaben sie den Ort der Pressekonferenz aus Sicherheitsgründen erst eine Stunde vor Beginn bekannt – und trotzdem noch schafften es die Behörden, Druck auf die Leitung des Hotels auszuüben, in dem die Pressekonferenz stattfinden sollte. Der reservierte Raum war auf einmal anderweitig belegt. Mammadli improvisierte, und kritisierte die Regierung scharf.
    "Diese Wahl ist nicht glaubwürdig. Und das bedeutet, dass seit 1993 jede Wahl in Aserbaidschan mit groben Verstößen einherging. Wir stehen in einer Tradition mit Weißrussland, Usbekistan, Turkmenistan."
    Mammadlis Berichte wurden auch von internationalen Organisationen und westlichen Regierungen zitiert. Emin Huseynow vom Institut für Reportersicherheit glaubt deshalb, dass die Festnahme Mammadlis auch ein Schlag des aserbaidschanischen Regimes gegen den Westen ist.
    "Mit der Verhaftung wollen die Machthaber sich auch an denen rächen, die Anar Mammadli finanziert und seine Berichte benutzt haben. Aserbaidschan sucht offenbar bewusst die Konfrontation mit den westlichen Ländern."
    Wenn das stimmt, war der Zeitpunkt passend gewählt. Gestern besuchten EU-Energie-Kommissar Günther Öttinger und der britische Außenminister William Hague Baku.
    Menschenrechtsorganisationen fordern die sofortige Freilassung Mammadlis.