Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Aserbaidschan
Wo Menschenrechtler an den Pranger gestellt werden

Aserbaidschan wird von einem Autokraten geführt, der Kritiker nicht zulässt. Das hat auch die aserbaidschanische Journalistin Khadija Ismayilova zu spüren bekommen. Sie hatte es gewagt über die korrupten Machenschaften von Präsidenten Ilham Alijew zu berichten und wurde dafür verurteilt.

Von Martin Durm | 11.10.2017
    Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew
    Präsident Ilham Alijew soll Offshore-Konten in der Karibik haben, Strohmänner, Briefkastenfirmen (dpa / picture alliance / Alexey Kudenko)
    Eine Kneipe in der Altstadt von Baku, schmutzige Teegläser, flackerndes Neonlicht. Die Gäste am Nebentisch schweigen sich an, der Wirt langweilt sich hinter dem Tresen. Khadija Ismayilova hat diesen traurigen Ort in der Hoffnung gewählt, für ein paar Stunden unbeobachtet reden zu können: über die Zustände in ihrem Land, das Regime, den korrupten Clan des Präsidenten. Ob wir tatsächlich unbeobachtet sind, weiß sie nicht:
    "Sie kontrollieren alles", sagt sie. "Wir werden ständig überwacht, unsre Telefone abgehört."
    Nach all den Verleumdungen, Drohungen und den eineinhalb Jahren, die auch sie im Gefängnis verbrachte, könnte sie eingeschüchtert sein oder verbittert. Aber das ist sie nicht. Man muss sich Khadija Ismayilova als einen glücklichen Menschen vorstellen:
    "Ich bin glücklich, ich bin es wirklich. Selbst im Gefängnis haben mich die Wärter manchmal gefragt, warum lächelst Du. Und ich antwortete: Weil ich glücklich bin. Ich weiß, das klingt seltsam. Aber mich machen selbst die Probleme glücklich, weil mich das Regime nicht daran hindern kann, zu tun, was richtig ist."
    Das ganze Land als Privatbesitz
    Als investigative Journalistin hat Khadija Ismayilova etwas getan, das Diktaturen niemals verzeihen. Sie hat den Herrscherclan angetastet und über die korrupten Machenschaften von Präsident Ilham Alijew berichtet: Offshore-Konten in der Karibik, Strohmänner, Briefkastenfirmen. Damit übertrat sie jene rote Linie, die jede Diktatur vor ihren Untertanen zieht. Nur – Khdadija Ismayilova ist keinem untertan.
    Die Journalistin Khadija Ismayilova aus Aserbaidschan
    Die Journalistin Khadija Ismayilova aus Aserbaidschan (dpa / picture alliance / Georg Wendt)
    "In Aserbaidschan gibt es nur eine Ideologie. Die Ideologie des Geldes. Das Land wird wie der Hinterhof des Präsidenten und seiner Oligarchen regiert, als wäre es ihr Privatbesitz. Sie wissen: Wenn sichtbar wird, wie korrupt sie sind, gerät alles in Gefahr."
    In ihrem Fall hat das Alijew-Regime im September 2014 zurückgeschlagen. Khadija Islmayilova wurde zunächst als psychisch labil diffamiert, dann wegen Anstiftung zum Selbstmord verhaftet und am Ende wegen angeblicher Steuerhinterziehung verurteilt. Die Ankläger des Regimes sind erfinderisch, wenn es darum geht, Menschenrechtler an den Pranger zu stellen.
    "Wir haben zurzeit 147 politische Gefangene. Aber das sind nur die, die wir kennen. Kürzlich protestierten Leute gegen die ständigen Stromausfälle in ihrer Siedlung. Sie trugen dabei Transparente mit dem Bild des Präsidenten, weil sie zeigen wollten, dass sich der Protest nicht gegen ihn richtete. Sie wurden trotzdem verhaftet. Wir nennen sie die Stromhäftlinge."
    Keine Ahnung vom Reichtum des Präsidenten
    Armes Aserbaidschans. Jenseits von Bakus glitzernder Hochhauskulisse erstrecken sich die Ölfelder bis zum Ufer des Kaspischen Meeres. Es ist tote, abgestorbene Erde, wo das Sonnenlicht in schwarzen Seen versickert. Die Leute, die hier in den Arbeitersiedlungen leben, zwischen Pumpen und Bohrlöchern, haben keine Vorstellung vom Reichtum des Alijew-Regimes. Aber sie haben eine Ahnung von dem Preis, den sie dafür bezahlen:
    "Bei uns wird man schnell krank und alt", sagt eine Arbeiterin. "Hautkrankheiten, Lungenprobleme, die Haare werden weiß, selbst wenn man noch jung ist. Aber wo sollten wir hin?"
    Aserbaidschan exportiert 40 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr. Das meiste davon geht nach Westeuropa. 2020 soll eine Gaspipeline Baku mit Brindisi in Süditalien verbinden, um westliche Industrieländer wie Deutschland oder Frankreich weniger abhängig von Lieferungen aus Russland zu machen. Es geht um übergeordnete Interessen in Aserbaidschan. Wen kümmern da Menschenrechte und Demokratiedefizit, fragt Khadija Ismayilova?
    "Niemand will das hören. Wenn ich mit westlichen Diplomaten rede, sage ich ihnen was hier geschieht. Und immer habe ich dann das Gefühl, dass sie das gar nicht wissen wollen, dass ich sie in eine unangenehme Lage bringe."
    Fürs Erste bleibt die Lage für Khadija Ismayilova unangenehm. Sie ist derzeit nur auf Bewährung frei. Sie darf das Land nicht verlassen. Und sie will es auch nicht:
    "Natürlich mache ich weiter. Ich liebe meinen Job. Es gibt für mich nichts Besseres. Wenn ich berichten kann, dann macht mich das glücklich. Ich könnte mir nicht vorstellen etwas anderes zu tun."