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Ashraf Fayadh
Erst Repräsentant, dann Todeskandidat

Am Donnerstag werden weltweit Kulturschaffende gegen Saudi-Arabien protestieren, organisiert vom Internationalen Literaturfestival Berlin. Es sollen Werke des Lyrikers und Künstlers Ashraf Fayadh vorgetragen werden. Auch er wurde von saudischen Richtern zum Tode verurteilt - obwohl er 2013 noch den Pavillon seines Landes auf der Biennale in Venedig gestaltet hat.

Von Cornelia Wegerhoff | 13.01.2016
    Demonstranten vor der saudischen Botschaft in London fordern die Freilassung von Raif Badawi.
    Nicht nur für Ashraf Fayadh auch für Raif Badawi gehen Menschen, wie hier auf dem Bild, immer wieder auf die Straße. (picture alliance / EPA / Facundo Arrizabalaga)
    "dein stummes blut wird sich nicht zu wort melden
    so lange du deinen stolz in den tod setzt
    um deine seele zu verlieren
    wirst du zeit brauchen
    sehr viel mehr als um deine augen
    zu heilen, die tränen aus erdöl geweint haben"
    Schon im Jahr 2008 veröffentlichte Ashraf Fayadh dieses Gedicht, das nun unwillkürlich auch seinen eigenen, möglichen Tod thematisiert. Sein Lyrik-Band "Instructions within", "Anweisungen von Innen" lässt tief blicken, in eine Persönlichkeit, die viel Leid gesehen hat. Fayadh ist Sohn palästinensischer Flüchtlinge.
    Sein Buch ist längst vergriffen. Schon darin habe er Gotteslästerung betrieben, den Atheismus propagiert, wird ihm heute vorgeworfen. Reichlich spät, meint Professor Sascha Feuchert. Er ist Vize-Präsident und "Writers in Prison"-Beauftragter des deutschen PEN-Zentrums, das Fayadh aus Solidarität zum Ehrenmitglied ernannt hat. Fayadhs Werke könnten nicht der wahre Grund für seine Verurteilung sein, so Feuchert.
    "Experten, die sich diese Gedichte angeschaut haben, sagen uns eigentlich, dass da überhaupt nichts Islamkritisches oder gar Gotteslästerliches drin ist. Es handelt von seinem Schicksal als Palästinenser in Saudi Arabien, als auch ein Heimatloser. Dieser Blasphemie-Vorwurf ist eigentlich der Vorwand, um jemanden politisch kalt zustellen."
    Der Fall des Bloggers Raif Badawi
    Nach der gleichen Methode gingen die saudischen Behörden schon oft gegen Andersdenkende vor. Der prominenteste Fall ist der regierungskritische Blogger Raif Badawi. Wegen vermeintlicher "Beleidigung des Islam" verurteilte ihn ein Gericht zu zehn Jahren Haft und 1.000 Stockhieben. Nach internationalen Protesten wurde zumindest diese Bestrafung eingestellt. Doch seitdem Badawi im Dezember in ein anderes Gefängnis verlegt wurde, ist der Kontakt zu ihm abgerissen.
    Ashraf Fayadh war kein offensiver Regierungskritiker. Er soll aber ein Video ins Netz gestellt haben, das die Hinrichtung eines Minderjährigen zeigt. Ein anderer saudischer Künstler, mit dem er in persönlichen Streit geraten war, habe ihn angeschwärzt. Ein "Agent provocateur", von der Religionspolizei geschickt, vermuten seine ausländischen Freunde. Das Königreich am Golf findet seine Wege, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Dabei war Ashraf Fayadh bis zu seiner Verhaftung ein anerkannter Repräsentant der saudi-arabischen Kulturszene. Und das als Palästinenser:
    Fayadh gestaltete 2013 den saudischen Pavillon in Venedig
    "Fayadh ist nicht nur ein Dichter. Er ist auch Künstler überaus aktiv und auch im Land eigentlich sehr erfolgreich. Das sieht man daran, dass er 2013 auf der Biennale in Venedig den Pavillon für Saudi-Arabien gestaltet hat. Er hat mit seinen Mitkünstlern gezeigt, dass es eine Gesellschaft im Wandel ist und kurz danach, 2014, wird er verhaftet, ins Gefängnis gesteckt, verurteilt und jetzt eben zum Tode sogar verurteilt. Das ist völlig absurd."
    Ashraf Fayadhs Fall stehe "symbolisch für alle Opfer eines von Grund auf repressiven Regimes", das auch noch "von westlichen Regierungen unterstützt" werde, so das "internationale literaturfestival berlin". Es hat zu dem morgigen "worldwide reading" aufgerufen, das gegen seine Verurteilung protestiert.
    Der 35-Jährige sei eine "Schlüsselfigur in der Vermittlung zeitgenössischer Kunst aus Saudi Arabien für ein weltweites Publikum", heißt es aus Berlin. Das kann Steven Stapleton von der britisch-saudischen Künstlerinitiative "Edge of Arabia" nur bestätigen.
    "Ich denke, Ashraf hat wirklich extrem hart daran gearbeitet, um dieses Fenster zwischen der islamischen und der westlichen Welt zu öffnen, zwischen Saudi Arabien und dem Westen. Wir sind es ihm schuldig, ihn jetzt in dieser Situation zu unterstützen. Denn er hat unermüdlich, viele Jahre, für etwas gearbeitet, was gut für alle ist."
    Mit großem Gewinn anzuschauen
    Ein offener Blick auf andere Welten. Auch Sascha Feuchert vom deutschen PEN-Zentrum ist überzeugt, dass sich dieser Blick lohnt.
    "Sie haben uns auch eine Menge zu erzählen. Schauen Sie sich das an, was Fayadh kuratiert hat auf der Biennale. Schauen Sie sich an, was Blogger wie Badawi schreiben. Da werden ganz existenzielle, ganz grundlegende Dinge behandelt und die haben für uns auch Relevanz. Und diese Dinge sind hoch spannend. Das kann man sich mit großem Gewinn anschauen."