Donnerstag, 28. März 2024

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Asien-Experte über Trump
"Ein exzellenter Präsident für die Interessen Chinas"

Kleinere asiatische Staaten hatten Hoffnungen in US-Präsident Donald Trump gesetzt. Nach den unberechenbaren Äußerungen auf dessen Asienreise seien die jedoch mit Fragezeichen versehen, sagte der Politikwissenschaftler Eberhard Sandschneider im Dlf. Er sieht weitgehend freie Bahn für China.

Eberhard Sandschneider im Gespräch mit Dirk Müller | 13.11.2017
    US-Präsident Donald Trump und Chinas Präsident Xi Jinping bei einer Opernvorstellung in der Verbotenen Stadt in Peking
    Die Chinesen und ihr Präsident Xi Jinping (r.) dürften sich am Ende am meisten über Donald Trumps Asienreise freuen, meint der Politologe und Asien-Experte Eberhard Sandschneider (picture alliance / dpa / Andrew Harnik)
    Dirk Müller: Ein Mammutprogramm für den amerikanischen Präsidenten, Besuchsmarathon in Asien. Japan, Südkorea, China, Vietnam – immer mit seiner Botschaft verbunden: "America first!" Nun die letzte Station seiner Reise: die Philippinen, vielleicht die Etappe, auf die sich Donald Trump am meisten gefreut hat, denn er trifft dort auf Rodrigo Duterte, der äußerst umstrittene Staatschef des Landes, der die Philippinen mit eiserner Hand regiert, dessen Sicherheitskräfte im Anti-Drogen-Krieg mehr als 4000 Menschen getötet haben sollen, der Barack Obama einen Hurensohn genannt hat. Donald Trump wiederum hat Duterte mehrfach öffentlich gelobt und diesem einen tollen Job attestiert.
    Donald Trump in Asien, Donald Trump in Manila, Donald Trump zu Gast bei Rodrigo Duterte. "Sie machen einen tollen Job", sagt der amerikanische Präsident. – Am Telefon ist nun der Politikwissenschaftler und Asien-Kenner Professor Eberhard Sandschneider von der Freien Universität in Berlin. Guten Morgen!
    Eberhard Sandschneider: Schönen guten Morgen.
    Müller: Herr Sandschneider, kommen da zwei echte Männerfreunde zusammen?
    Sandschneider: Ja, so sieht es fast aus, obwohl diese Männerfreundschaft uns natürlich etwas abschreckt. Ihr Beitrag hat ja sehr deutlich gemacht, dass sie auf Aspekte setzen, die man vor einiger Zeit noch für völlig unmöglich gehalten hätte, dass Präsidenten von Staaten solche Positionen beziehen, sowohl was den Umgang mit Frauen anbetrifft, was den Umgang mit politischen Gegnern anbetrifft, was die Wechselhaftigkeit und die Unvorhersagbarkeit ihres Verhaltens angeht, und diese beiden sind offensichtlich wie füreinander gemacht.
    Müller: Ist das seriöse Politik?
    Sandschneider: Es ist Politik. Ob wir sie als seriös betrachten aus unserer westlichen Sicht, ist, glaube ich, zunächst einmal nachrangig. Wir werden damit leben müssen, dass es solche Politiker gibt. Das ist bei Herrn Duterte weniger irritierend für uns, bei Herrn Trump natürlich schon. Sie machen Politik auf ihre Art und Weise und seltsamerweise – und das ist das eigentlich Irritierende für uns –, sie finden damit durchaus in ihren Bevölkerungen Zuspruch.
    "Suche nach starkem Mann ausgeprägter, als uns lieb ist"
    Müller: Unser Korrespondent Holger Senzel, den wir vorhin ja auch im Vorbericht gehört haben, hatte uns in einem Korrespondentengespräch auch gesagt, 80 Prozent der Bevölkerung würde immer noch für Duterte stimmen. Haben Sie eine Erklärung dazu, warum das so ist?
    Sandschneider: Na ja. Er setzt an, ein Problem zu lösen, das offensichtlich in den Philippinen drängend ist. Und dann ist letztlich die Frage, wie viel Informationen haben die Menschen, wie gehen sie damit um, wie wichtig ist das Problem für sie. Manchmal ist ja komischerweise die Suche nach dem starken Mann tatsächlich ausgeprägter, als es uns lieb ist, als wir es uns vorstellen können, und dann ist offensichtlich die Frustration, dass frühere Regierungen ein bestimmtes Problem nicht gelöst haben, glaube ich, die stärkste Motivation für die Unterstützung dieser Männer.
    Müller: Sie reden ja auch immer von "wir", meinen damit offenbar die westliche, die "vernünftige" Perspektive. Liegt das aber auch daran, dass wir es nicht verstehen können, weil wir die Frustrationen nicht verstehen können?
    Sandschneider: Na ja. Wir sehen ja in der Entwicklung unseres eigenen Landes, dass es Frustrationen gibt, die sich auch in Wahlergebnissen niederschlagen. Und es ist tatsächlich so: Oft genug ist es uns unklar, wie groß der Druck in solchen Gesellschaften ist. Die Philippinen sind für uns weit, weit weg. In den USA ist es allerdings auch weit weg, wie wir feststellen, denn ein genauer Blick zeigt: Auch die Frustrationen in der amerikanischen Gesellschaft sind sehr hoch und haben zur Wahl von Donald Trump geführt und auch dazu, dass er mit seiner erratischen, sprunghaften, manchmal wirklich unglaublichen Politik tatsächlich auch noch Erfolg hat.
    Trump-Verunsicherung auch in Südostasien angekommen
    Müller: Reden wir über weitere Frustrationsmomente, vielleicht rationale politische Frustrationsmomente, die viele südostasiatische Staaten haben mit China. Hat sich dort in irgendeiner Form in den vergangenen ein, zwei Jahren etwas zum Positiven entwickelt?
    Sandschneider: Diese Staaten müssen mit China leben und sie haben bislang die Erfahrung machen können und auch letztlich darauf gehofft, dass die USA als Partner bereitstehen, um ein Stück weit zumindest auch ein Gegengewicht gegen China zu bilden. Genau diese Politik ist jetzt mit einem großen Fragezeichen versehen. Donald Trump hat in China gezeigt, dass er bereit ist, auch dort seine Unberechenbarkeit an den Tag zu legen. Trotz aller Kritik an den Handelsfragen hat er deutlich gemacht, dass er China nicht dafür verantwortlich macht, dass es Handelsbilanzdefizite mit den Vereinigten Staaten gibt. Dann in Danang sagt er im Prinzip das Gegenteil, ohne China zu benennen. Ich glaube, die Verunsicherung, sage ich noch einmal, die uns in Europa prägt im Umgang mit diesem Präsidenten, dürfte mittlerweile auch in Südostasien angekommen sein. Nur dort brauchte man Trump in der Vergangenheit oder die Vereinigten Staaten in der Vergangenheit deutlich mehr, als wir es uns vorstellen können.
    Müller: Wir haben ja auch schon mal an dieser Stelle, Herr Sandschneider, über den Inselstreit, über die Territorialstreitigkeiten im südchinesischen Meer geredet. Wenn wir über Russland, anderes Beispiel, berichten, ist das meistens negativ im Westen. Wenn wir über China berichten, ist es neben den ökonomischen Perspektiven politisch betrachtet auch meistens negativ. Ist das so, dass China ausschließlich als Imperialist dort in der Region auftritt?
    Sandschneider: Das würde man aus chinesischer Sicht nie als Imperialismus bezeichnen, weil die Chinesen sagen, wir kümmern uns nicht um die Eroberung eines fremden Landes, sondern wir holen das zurück, was sowieso zu China gehört. Für China ist das eine nationale Souveränitätsfrage und keine Frage des Imperialismus. Das sehen die Anrainerstaaten, die im südchinesischen Meer natürlich betroffen sind, einschließlich der Philippinen übrigens, durchaus etwas anders. Man muss aber auch hier sagen: Langfristig scheint der Trend deutlich zu Gunsten Chinas zu verlaufen. Das Land macht Schritt für Schritt kleine Schritte zur Absicherung des südchinesischen Meeres im chinesischen Interesse, lässt sich dabei letztlich auch von den Vereinigten Staaten nicht stören, und mit einer langfristigen Strategie wird das vermutlich funktionieren.
    China – teile und herrsche
    Müller: Gibt es eine südostasiatische Macht, ein Land, beispielsweise die Philippinen, die etwas Gegengewicht dagegensetzen können?
    Sandschneider: Nein. Diese Staaten sind alle für sich genommen zu klein, um dieses riesige China ausgleichen zu können. Und selbst in der Zusammenarbeit funktioniert es nur sehr begrenzt. China ist auch in Südostasien meisterhaft dabei, diese Staaten auseinanderzudividieren. Laos und Kambodscha zum Beispiel, die keine Interessen im südchinesischen Meer haben, aber hohe chinesische Infrastruktur-Investitionen erhalten, sind ständig dafür gut, auch dafür zu sorgen, dass selbst die Gruppe der ASEAN-Staaten nicht allzu kritisch mit China umgeht.
    Müller: Demnach ist China ein cleverer Spalter?
    Sandschneider: Ja, das kann man so nennen. Teile und Herrsche ist zumindest ein offensichtliches Prinzip, das da gilt. Aber jetzt muss man sagen, dass die Chinesen das versuchen, ist ihr gutes Recht. Dass die anderen es mit sich machen lassen, ist ihr eigentlicher Fehler.
    China hat durch Trump leichtes Spiel
    Müller: Asien-Gipfel – das ist ja der Anlass, warum Donald Trump nach Manila gekommen ist, der Gipfel der südostasiatischen Staaten. Wir haben jetzt über verschiedene Akteure dort gesprochen. Gehen Sie davon aus, wenn der Machtfaktor Donald Trump in der Form nicht richtig wahrgenommen wird in Südostasien, dann hat China dieses Spiel wie auch immer, seine Machtinteressen im Grunde schon durchgesetzt und beherrscht die ganze Szenerie auch für die kommenden Jahre?
    Sandschneider: Durchgesetzt noch nicht, aber die Szenerie für die kommenden Jahre zu beherrschen, das ist sehr wahrscheinlich. Lassen Sie es mich so formulieren: Donald Trump ist ein exzellenter Präsident für die Interessen Chinas und letztendlich nur dafür. Er ist praktisch wie gemalt für China. Er zieht sich dort zurück, wo China ohnehin in Konkurrenz zu den Vereinigten Staaten gehen würde, und da er sich zurückzieht, hat China natürlich ein vergleichsweise leichtes Spiel.
    Müller: Das ist für Sie schon ausgemachte Sache, das ist schon gegessen?
    Sandschneider: Im Augenblick sehe ich keinen Anlass, in irgendeiner anderen Weise zu denken, denn das, was Trump tut, scheint genau in diese Richtung zu gehen.
    Müller: Bei uns heute Morgen live im Deutschlandfunk der Politikwissenschaftler und Asien-Experte Professor Eberhard Sandschneider. Danke, dass Sie wieder für uns Zeit gefunden haben. Schönen Tag noch!
    Sandschneider: Bitte sehr!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.