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Asienexperte Hanns-Günther Hilpert
"Japan ist von den USA abhängig"

Japans Regierungschef Shinzo Abe hat sich in Washington mit US-Präsident Donald Trump getroffen - und er kam als Bittsteller. Hanns-Günther Hilpert, Leiter der Forschungsgruppe Asien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, findet das verständlich. Die Not der Japaner sei so groß "wie kaum die eines anderen Verbündeten der USA", sagte Hilpert im Deutschlandfunk.

Hanns-Günther Hilpert im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 10.02.2017
    Japans Präsident Abe und US-Präsident Trump schütteln sich die Hände bei Abes Besuch im Weißen Haus (AP Photo/Evan Vucci)
    Japans Ministerpräsident Abe (li.) zu Gast bei US-Präsident Trump (dpa bildfunk / AP / Evan Vucci)
    Jessica Sturmberg: Japans Regierungschef Shinzo Abe und der amerikanische Präsident Donald Trump treffen sich heute zum gemeinsamen Gespräch und auch zu einer Runde Golf. Abe wird dabei hoffen, dass die verbindende Kraft des Sports etwas hilft, die handelspolitischen Wogen zu glätten – man könnte da an der Stelle tatsächlich auch das Bild eines drohenden Pazifiksturms bedienen –, denn was Trump bisher gegen die japanische Wirtschaftspolitik und auch japanische Unternehmen herausgelassen hat, sorgt in Japan für große Unruhe. Das geplante Freihandelsabkommen TPP hat Trump ja gleich als eine seiner ersten Amtshandlungen aufgekündigt. Er hat gegen den Autohersteller Toyota wegen dessen Investitionen in Mexiko gewettert, er hat behauptet, Japan würde den Yen absichtlich abwerten, um Exporte günstiger zu machen, und überhaupt, warum würden umgekehrt so wenig amerikanische Waren in Japan gekauft? – in Anspielung auf das Handelsbilanzdefizit. Jetzt könnte man ja an der Stelle denken, warum sagt Japans Regierungschef Abe nicht mal selbstbewusst, ja, stopp, das stimmt zum großen Teil so gar nicht, aber stattdessen kommt er mit Versprechen, dass japanische Unternehmen groß in den USA investieren. Im Technologiebereich soll zusammengearbeitet werden, es sollen Arbeitsplätze geschaffen werden, ein Autozulieferer will jetzt einen in Mexiko geplantes Werk in den USA bauen, und überhaupt hält sich Abe auffallend zurück mit Kritik an Trump. Hanns-Günther Hilpert von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Asienkenner, wie groß ist die Not der Japaner?
    Hanns-Günther Hilpert: Die Not der Japaner ist sehr groß wie kaum die eines anderen Verbündeten der USA. Japan ist in vielfacher Weise von den USA abhängig, und Trump spielt die sicherheitspolitische Karte, um handelspolitische Konzessionen von Japan zu bekommen. Japan ist in der Verteidigung abhängig von dem Nuklearschirm der USA, nicht so stark im konventionellen Bereich, aber vor allem im nuklearen Bereich. Darüber hinaus ist aber auch Japans Position in Asien abhängig von dem Bündnisvertrag mit den USA. Die Legitimität Japans in Asien wäre so ein bisschen hinterfragt, wenn Japan denn bündnisfrei wäre. Japan hat keine nachhaltige Versöhnung mit seinen Nachbarn hingekriegt. Manche in Asien misstrauen so etwas den Checks and Balances in Japan gegen einen aufkeimenden Nationalsozialismus ohne Aggression. Das mag übertrieben sein, aber die Perzeption ist halt so. Und natürlich, wenn Japan bündnisfrei wäre, dann könnte Japan sich auch sehr schnell atomar bewaffnen. Also, ohne die USA, ohne ein Bündnis mit den USA müsste Japan sehr viel höhere Verteidigungslasten tragen, hätte eine geringere Legitimität in Asien und auch weniger Einfluss in der Welt.
    Das Aus für TPP ist "ein harter Schlag" für Japan
    Sturmberg: Wir haben jetzt den sicherheitspolitischen Aspekt beleuchtet, kommen wir vor allen Dingen auf das Wirtschaftspolitische noch mal stärker zu sprechen. Wie hart trifft das die Japaner, dass es nicht zum Freihandelsabkommen TPP kommen wird?
    Hilpert: Ja, das ist ein großer Schlag. Abe hat dafür innenpolitisch sehr viel Kapital aufgewandt. Mit einem solchen multilateralen TPP-Abkommen – das hätte sowohl einen wirtschafts-, handelspolitischen Vorteil für Japan, nämlich niedrigere Zölle im Zugang in die USA, also vor allem die Automobilzölle, würden gesenkt werden, aber es hätte natürlich auch einen sicherheitspolitischen Vorteil gehabt, nämlich eine engere Bindung der USA in Asien, also gewissermaßen einen handelspolitischen Teil der sicherheitspolitischen Verankerung der USA in Asien und damit auch eine gewisse Rückversicherung gegen die Unsicherheiten, die von China kommen. Und dafür war Japan bereit, seine Agrarmärkte sehr stark zu öffnen und damit auch die … und Abe hat damit auch der Lobby, der starken Bauernlobby in Japan begegnet und hat dafür sehr viel innenpolitisches Kapital investiert.
    Sturmberg: Wie würde sich denn dann jetzt ein bilaterales Abkommen zwischen den USA und Japan davon unterscheiden?
    Hilpert: Ich vermute mal, dass die Zollsenkungen ähnlich wären, also Japan bietet die Öffnung seiner Agrarmärkte an – Obst, Gemüse, aber vor allem Getreide, Rindfleisch, Schweinefleisch –, was ja auch sehr stark den Midwest-Staaten in den USA nutzen würde, wo Trump ja sehr stark in den Wahlen gepunktet hat. Umgekehrt würden die USA wohl die Zölle senken, aber dann darüber hinaus werden wohl auch eine ganze Reihe der Handelsregeln, die vereinbart wurden in TPP, wohl dann auch geschlossen werden.
    Sturmberg: Wenn es zu einem solchen bilateralen Abkommen kommt, worin stellt sich da Japan schlechter, beziehungsweise worin stellen sich die USA besser im Vergleich zu den multilateralen Abkommen?
    Hilpert: Die USA stellen sich natürlich besser, indem sie mit jedem einzelnen Land Asien-Pazifiks bilateral alleine verhandeln können. Und damit ist die Wucht, mit der die Verhandlungsmacht, mit der die USA auftreten können, natürlich ungleich höher, und jedes Land ist praktisch gezwungen, bilateral Konzessionen einzugehen, die sie multilateral wahrscheinlich nicht geben könnten.
    "Der Gewinner ist China"
    Sturmberg: Wer profitiert denn letzten Endes? Wenn die USA sich anschließend besserstellen, hätte Trump da auch einen Punkt gemacht?
    Hilpert: Ja, also in dem bilateralen Abkommen könnte ich mir vorstellen, dass sich die USA durchaus besserstellen, aber die USA verlieren natürlich dadurch, dass sie kein multilaterales Abkommen mit Asien-Pazifik hingekriegt haben und damit ein Stück weit signalisiert haben, dass sie sich aus der Region – handelspolitisch zumindest – verabschieden. Und da ist der Gewinner China, da hat insgesamt die USA und ihre elf Partnerländer im asiatischen-pazifischen Raum haben dadurch verloren. Verloren hat natürlich … Es ist dann auch die Frage, was das denn für Drittländer bedeutet, und da kommt die EU ins Spiel, die ja mit Japan derzeit ein Handelsabkommen auch aushandelt, das ja schon fast abgeschlossen wäre, und einer letztendlich nur noch einer politischen Lösung bedarf. Und da ist die Frage, wenn es zu keinem Abkommen mit den USA käme, wäre das Abkommen mit Europa natürlich … dann hätte eine große Signalwirkung für den asiatisch-pazifischen Raum. Aber Abe scheint ja die USA auf jeden Fall zu favorisieren, eben aus den sicherheitspolitischen Gründen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.