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Asse
Bergung des Atommülls kompliziert und langwierig

Im Atommüllendlager Asse lagern 126.000 Fässer mit schwach- und mittelaktivem Abfall. Allerdings dringt dort Grundwasser ein. Seit sechs Jahren kümmert sich das Bundesamt für Strahlenschutz deshalb um eine Rückholung. Die ist schwierig und wenn sie überhaupt möglich ist, können bis dahin noch Jahrzehnte vergehen.

Von Alexander Budde | 19.01.2015
    Ein Tank mit radioaktiv-strahlendem Wasser in der Schachtanlage Asse in Niedersachsen.
    Tank mit radioaktiv-strahlendem Wasser in der Schachtanlage Asse (afp / Jochen Luebke)
    Gut 500 Meter tief unter Tage ist es warm wie in der Sauna. Weißer Staub umhüllt die Teilschnittmaschine. Fünf bis zehn Meter pro Tag raspelt sich die Fräse in den Salzstock hinein. Horizontal werden neue Wege gegraben, andernorts bestehende Stollen mit Beton verfüllt. Die Arbeiten hier unten sollen der Asse Zeit kaufen, verhindern, dass das marode Bergwerk zusammenbricht. Eine akute Gefahr gebe es nicht, betont Wolfram König, der Präsident des Bundsamtes für Strahlenschutz, kurz BfS:
    "Das Grundproblem ist, dass wir eine Instabilität haben. Und dass nicht dadurch ein Zusammenbruch droht, sondern dass durch Bewegungen des Umgebungsbereichs sich neue Wegsamkeiten für Grundwasser bilden kann, was hineinströmt und im schlechtesten Fall unkontrollierbar ist. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Aber wir können durch das, was wir hier machen, den Berg berechenbarer machen. Und damit haben wir Sicherheit, die wir brauchen, um die Rückholung überhaupt realisieren zu können."
    25 Prozent weniger Bewegung im Berg
    Seit sechs Jahren läuft die Sanierung der atomaren Altlasten der Asse in Regie des BfS. Und es geht voran, betont König bei jeder Gelegenheit. 25 Prozent weniger Bewegung im Berg registrieren die Messsonden. Wichtigste Voraussetzung für die Rückholung ist derzeit die Erkundung und der Bau des sogenannten Bergungsschachtes.
    "Schacht fünf ist der Rückholschacht. Wir brauchen den Schacht, um die Abfälle zurückholen zu können."
    Seit einer Woche laufen Probebohrungen. Die Experten des BfS prüfen, ob die geologischen Verhältnisse den Bau von neuen horizontalen Zufahrtswegen überhaupt zulassen. Vor den schwitzenden Journalisten spricht König von einer Herkulesaufgabe, die wegen der vielen Unwägbarkeiten auch einer Schnitzeljagd gleiche.
    Mitunter seien zwei Dutzend Genehmigungen einzuholen, um eine Wand anzubohren. Sein Argument: Der ganze Rückholungsprozess dauert auch so lange, weil die Asse dem strengen Atomrecht unterliegt. König rechnet damit, dass der komplette Schacht bis 2028 fertig sein könnte, die Rückholung soll bis zum Jahr 2033 geschehen. Kritiker wie Heike Wiegel von der Bürgerinitiative aufpASSEn e.V. werfen ihm vor, nicht schnell genug damit voranzukommen.
    Asse-Anwohner verlangen schnellere Rückholung
    "Wir kritisieren, dass der Schachtbau wahnsinnig lange dauern soll. Wir wissen, dass Schachtbaufirmen auch in sechs bis sieben Jahren so einen Schacht funktionstüchtig abgeteuft haben können. Wir haben uns extra dafür eingesetzt – und das war die gesamte Begleitgruppe mit den Betreibern gemeinsam – für das Beschleunigungsgesetz, für Lex Asse. Ich akzeptiere nicht, dass das Atomrecht verwandt wird, um die Rückholungszeiten zu verlangsamen."
    Er könne die kritischen Einwände zwar verstehen, sagt König. Doch Prognosen gibt es von ihm keine. Den Vorwurf der Verschleppung weist er mit Inbrunst zurück:
    "Ich wünsche mir auch, dass es schneller geht. Aber wir haben nun einmal Randbedingungen, die uns andere hinterlassen haben. Es bringt nichts, denen, die sich dieser Aufgabe stellen, immer mit auf den Weg zu geben, ihr könntet noch viel mehr machen, ohne sich wirklich anzuschauen, unter welchen Bedingungen wir solche Ansprüche formulieren. Nein, wir brauchen eine realitätsnahe Einschätzung – und von dort aus müssen wir Planungen machen."
    Und dann ist da noch der sich abzeichnende Konflikt um das Zwischenlager. Sollten die Fässer eines Tages geborgen werden, würde es gebraucht, um den Atommüll zu verpacken und bis zum Abtransport in ein Endlager sicher zu verwahren. Strahlenschützer können allerhand Gründe anführen, warum es ratsam wäre, dieses Lager möglichst dicht an der Asse anzulegen. Doch die Anwohner stemmen sich dagegen. Die Region fordert eine bundesweite Suche nach dem am besten geeigneten Standort.
    "Wer die Rückholung will, muss das Zwischenlager auch bejahen. Aus der Betreibersicht heraus spricht alles dafür, vor Ort das zu machen. Das ist der Konflikt, in dem wir uns befinden. Und es ist kein fachlicher, sondern ein politischer - und den kann ich nicht beantworten."