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Assistenz statt Pflege

Selbstbestimmtes Wohnen, das ist für die meisten Menschen mit schweren Behinderungen in Deutschland noch eine Utopie. Die Mehrheit lebt in stationären Einrichtungen. Doch mit persönlichen Budgets und Menschen, die sie begleiten und Hilfe leisten, ist ein Paradigmenwechsel möglich.

Von Eva Hillebrand | 12.11.2011
    "Ich wollte immer schon ´ne eigene Wohnung haben."

    Peter Budroni wollte nie im Wohnheim sein. Für ihn war das Leben dort eine Übergangslösung, die sechs Jahre lang dauerte. Heute teilt er sich mit seinen Geschwistern Irene und Silvio eine 150 Quadratmeter große Wohnung. Sie liegt fast ebenerdig und ein eigener barrierefreier Eingang führt unmittelbar in einen großen zentralen Raum. Ursprünglich geplant als Empfangsraum für eine physiotherapeutische Praxis, dient er nun als Ess- und Wohnzimmer und bietet direkten Zugang in alle übrigen Räume. Ein Garten hinter dem Haus steht allen Bewohnern zur Verfügung.

    Die drei Geschwister Budroni sind zwischen 45 und 50 Jahre alt. Sie alle erblindeten im Kleinkindalter. Die Geschwister leiden unter Ataxie, einer neurologischen Erkrankung, die begleitet ist vom langsamen Abbau der Muskulatur. Irene musste sich im Alter von acht Jahren an einen Rollstuhl gewöhnen, ihre Brüder mit 12. Inzwischen kämpfen sie mit dem Verlust ihrer Sprachfähigkeit. Als die Geschwister 2005 aus ihrem Elternhaus ins Wohnheim umzogen, war das keine selbstbestimmte Entscheidung. Den Eltern war bewusst, dass sie auf Dauer der Belastung, die Geschwister zu betreuen, nicht gewachsen sein würden. Also hatten sie selbst an der Errichtung des Wohnheims mitgewirkt und glaubten ihre Kinder dort gut versorgt.

    Während Peter Budroni schon vor dem Umzug ins Heim nicht nur an Fürsorge, sondern ebenso an Selbstbestimmung interessiert war, dauerte es bei seinen Geschwistern einige Zeit, bis auch sie sich nach mehr Selbstständigkeit sehnten.

    Silvio erzählt, dass sie im Heim normalerweise um 20 Uhr im Bett sein sollten und um 22.00 Uhr war Bettruhe. Regeln wie im Kinderferienlager.

    "Warum mussten normal Erwachsene um 20.00 Uhr im Bett sein oder so und um 22. Uhr muss Bettruhe sein. Obwohl die manchmal älter als die Betreuer sind."

    Selbstbestimmtes Wohnen, das ist für die meisten Menschen mit schweren Behinderungen in Deutschland noch eine Utopie. Die Mehrheit lebt in stationären Einrichtungen. Gemäß einer gesellschaftspolitischen Übereinkunft, die nur langsam bröckelt.

    "Zunehmend mehr lebten Menschen mit leichten und auch mit schweren Behinderungen in eigenen Wohnungen."

    Christian Albers vom Landschaftsverband Rheinland ist der Fallmanager der Geschwister Budroni. Der Kommunalverband ist rheinlandweit zuständig für Aufgaben in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und der Kultur.

    " ... und das System wurde immer weiter ausgebaut. Bis hin zur neusten Entwicklung. Mittlerweile ist es auch möglich im Rahmen sogenannter persönlicher Budgets ganz spezielle individuelle Hilfen, also nicht organisierte Hilfen Menschen zur Verfügung zu stellen, die dann individuell auch ihre Hilfen gestalten und ihre Versorgung, ihre Assistenz organisieren können."

    Mit persönlichen Assistenten leben inzwischen auch Irene, Silvio und Peter Budroni. Ihr Bruder Helmut, Jüngster unter den sechs Geschwistern, ist Pflegewissenschaftler und ein Experte in Sachen Assistenz.

    "Typisch für das Assistenzmodell ist, dass der behinderte Mensch selber auswählt, wer seine Unterstützung leistet. Also quasi das Personal selber aussucht. Es gibt verschiedene Modelle der persönlichen Assistenz, das eine ist das Modell das Arbeitgebers, das heißt: Der behinderte Mensch stellt sein Personal selbst ein, sucht es auch selbst mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Er ist Arbeitgeber und muss neben der Personalsuche natürlich auch sicherstellen, dass das Personal entsprechend abgerechnet wird, und die Pflichten eines Arbeitgebers eingehalten werden."

    Wenn Behinderte diese Managementaufgaben nicht alleine bewältigen können, brauchen sie die Unterstützung von Verwandten, Betreuern, Assistenzvereinen oder eben Assistenten. Persönliche Assistenten sollen sich konsequent an den Bedürfnissen der Menschen mit Handicaps orientieren. Und ihnen damit helfen, die Machtverhältnisse im Sinne ihrer eigenen Interessen umzukehren. "Jetzt entscheide ich" beginnt damit, dass sie selbst bestimmen, wo und wie sie, unterstützt von Assistenten, leben wollen: Allein oder zu zweit, zu mehreren in einer Wohngemeinschaft, oder in einer Hausgemeinschaft, die alle möglichen Wohnformen kombiniert.

    Die erforderliche Hilfe für Menschen mit schwerer Behinderung lässt sich kaum nach Terminkalender organisieren, einsortierbar in Pflegemodule ist sie gar nicht: Toilettengänge, Umlagern, Nase putzen, Essen und Trinken müssen spontan unterstützt werden und können nicht auf eine von außen organisierte Hilfe warten. Würde einige Assistenten ausschließlich für pflegerische Tätigkeiten, andere für hauswirtschaftliche Verrichtungen und dritte für Begleitungen außer Haus eingesetzt, ließe sich ein relativ normales Leben nicht realisieren. Ist ein Assistent hingegen dauerhaft für acht Stunden anwesend, kann die behinderte Person selbst bestimmen, wann sie wofür wie viel Zeit braucht: zum Essen, zum Spazierengehen, zum Chatten am Computer, zum Beisammensein mit Freunden, zum Arbeiten.

    Auch die Assistenten schätzen die Arbeit, die sich auf eine Person konzentriert. Regine Heider, Leiterin des Assistententeams der Wohngemeinschaft und persönliche Assistentin von Irene Budroni.

    "Das bedeutet für mich, dass ich 'ne Arbeit mache, die total sinnvoll ist. Also wenn ich bei Irene Assistenz mache und sie so lange dusche, wie sie will, obs jetzt ne viertel Stunde ist, oder ne halbe Stunde, und sie ist dann froh, dass das jetzt endlich geht, also Irenes Glücklichsein über mehr Selbstbestimmung, das bereitet mir auch viel Freude, da Teil sein zu können, ihr zu 'nem selbstbestimmteren Leben zu verhelfen. Das ist auf jeden Fall eine sehr befriedigende Arbeit."

    Um Assistent zu sein, bedarf es keiner speziellen Ausbildung, sondern bestimmter Fähigkeiten. Helmut Budroni:

    "Das Wichtigste ist Offenheit, Ehrlichkeit, und Selbstreflektiertsein. Das ist die wesentliche Kompetenz, sich auf andere Menschen einstellen zu können und deren Perspektive und Sichtweise nachvollziehen zu können. Erst recht, wenn ja Behinderte, Assistenznehmerinnen und Assistenznehmer oft sagen: Der Assistent sind meine Hände und meine Beine, oder meine Augen. Damit soll ja gesagt sein: Der soll meine nicht vorhandenen Fähigkeiten ergänzen oder ersetzen. Das setzt natürlich voraus, dass man sie selbst auch einigermaßen gut einsetzen kann, als persönlicher Assistent."

    Viele Assistenznehmer bevorzugen sogenannte Laienhelfer, die ohne professionelles Fachwissen auftreten.

    "Es wird zwar oft von behinderten Menschen gewünscht, dass es möglichst keine ausgebildeten Kräfte sind, damit sind aber in der Regel gemeint: Keine ausgebildeten Pflegekräfte, oder keine ausgebildeten Sozialarbeiter oder Erzieher gar. Die Begründung dafür ist, dass die sagen: Die haben meistens eben gelernt, wie man es macht und glauben deswegen es besser zu wissen als ich. Aber ich bin eben der Experte in eigener Sache, ich kenne mich mit meiner Behinderung selber aus, also entscheide ich auch, was getan wird und was nicht."

    Der Begriff "Assistenz" wurde ursprünglich geprägt, um schon anhand der Wortwahl selbstbestimmte von fremdbestimmter Behindertenhilfe abzugrenzen. Worte wie "Betreuung", "Versorgung" und "Pflege" werden nicht selten im Sinne von Fremdbestimmung und Bevormundung benutzt und von vielen Behinderten auch so verstanden.

    Assistenten werden finanziert über das persönliche Budget. Dieses ist seit 2001 im 9. Sozialgesetzbuch verankert und seit Anfang 2008 mit einem Rechtsanspruch verbunden. Verschiedenste Institutionen sind, je nach Fall, verantwortlich: Die gesetzliche Kranken- oder Rentenversicherung, der Sozialhilfeträger, die Pflegekassen, die Arbeitsagentur, der Landschaftsverband - oder alle miteinander.

    Das Budget sollte generell nicht höher sein, als die Höhe der Leistungen, auf die ohnehin Anspruch besteht. Ging das Geld bislang überwiegend an Wohnheime und Pflegeunternehmen, so wird es nun den Personen mit Handicap direkt ausgezahlt. Sie können sich dafür – beispielsweise - die Unterstützung durch Assistenten besorgen. Die Geschwister Budroni zahlen ihren Assistenten einen Stundenlohn von 11 Euro. Ihr Gesamtbudget erhalten sie vom Landschaftsverband Rheinland, der als Hauptkostenträger die Leistungen sämtlicher Träger koordiniert.

    "Die Finanzierung der entstehenden Kosten steht auf mehreren Füßen, für die Unterkunfts- und Unterhaltskosten also die Kosten, die auch ein Mensch ohne Behinderung hätte, wäre vorrangig die Stadt Mönchengladbach zuständig, im Rahmen der Grundsicherung. Und die Kosten der Betreuung, also der Hilfen, der Assistenz, wie es die Menschen benötigen, die werden vorrangig durch den Landschaftsverband Rheinland getragen, in Form persönlicher Budgets, aber zum Teil auch durch die Leistung der Pflegeversicherung. Die Leistungen der Pflegeversicherung, die beiden Brüder haben die Pflegestufe 2, die Irene hat die Pflegestufe 3, des sind bei der Größenordnung etwa 10 Prozent. Des ist minimal. Den Großteil zahlt der Landschaftsverband Rheinland im Rahmen der Eingliederungshilfe."

    Es geht um Lebensunterhalt und Unterkunft, um soziale Teilhabe und Teilhabe am Arbeitsleben, um hauswirtschaftlichen -und Pflegebedarf. Und den Geschwistern stehen insgesamt 36 Stunden Assistenz pro Tag zu. Über all das haben sie eine Zielvereinbarung mit dem Landschaftsverband geschlossen. Auch dabei wurden sie von ihrem Bruder Helmut Budroni unterstützt.

    "Irene braucht 24 Stunden Pflege am Tag, weil sie quasi nichts mehr alleine machen kann. Das, was sie noch alleine kann, ist ihren Trinkbecher halten, aber das war's dann auch schon fast, also an Aktivitäten. Aber Peter und Silvio können noch einige Dinge selbst tun und sind deshalb nicht auf so umfangreiche Hilfe angewiesen wie Irene."

    Zwölf Stunden Assistenz für beide Brüder zusammen reichen aus, da sie tagsüber arbeiten und ihnen nachts die persönliche Assistentin ihrer Schwester zur Verfügung steht. Am Wochenende, wenn Irene bei Ihrem Lebensgefährten ist, haben die Brüder pro Tag zusammen 24 Stunden Assistenz. Alles in allem kommen die Geschwister so auf 252 Stunden Assistenz in der Woche mit 12 Assistenten. Würde jeder für sich alleine wohnen, bestünde hingegen ein Assistenzbedarf von insgesamt 504 Stunden.

    Der Landschaftsverband übernimmt 16.000 Euro im Monat für die Assistenzkosten, die Pflegeversicherung zahlt 1545 Euro.

    "Ich gehe davon aus, dass die entstehenden Kosten im Falle der Familie Budroni, in etwa dem entsprechen, was auch eine angemessene Heimeinrichtung kosten würde. Andererseits ist uns klar, dass es Einzelfälle gibt, die vielleicht auch höhere Kosten verursachen, je nach Konstellation, nach individuellem Bedarf und individuellen Vorstellungen. Wir betrachten aber auch als Landschaftsverband Rheinland die Gesamtsumme und gehen davon aus, das ist auch erwiesen, dass insgesamt das ambulante Wohnen, das selbstständige Wohnen auch wirtschaftlicher und kostengünstiger ist, als Wohnen in Heimen."

    Die Kosten beim selbstständigen Wohnen liegen etwa 40 Prozent unter denen eines Lebens im Wohnheim. Wenn Kritiker behaupten, das Leben mit persönlicher Assistenz sei generell teurer als eine stationäre Unterbringung, entspricht das also nicht den Tatsachen. Solche Vergleichsrechnungen lassen oft unberücksichtigt, dass die Infrastruktur eines Wohnheims Kosten erfordert, die beim ambulanten Wohnen gar nicht erst auftauchen.

    Der Paradigmenwechsel hin zur selbstbestimmten Hilfe stößt noch bei vielen Leistungsträgern auf Barrieren. Entschieden wird weiterhin eher über die Betroffenen, anstatt mit ihnen. Ein Antrag auf persönliches Budget erfordert eine individuelle Lösung, ist kein Fall für Verwaltungsroutinen. Bundesweit existieren aber keine transparenten Kriterien, um den einzelnen Bedarf zu errechnen. Die Budgets werden willkürlich und keineswegs immer im Sinne der Antragsteller festgesetzt. Immer noch müssen Menschen mit Handicaps aufgrund des stark zergliederten Sozialleistungssystems mehrere Anträge bei unterschiedlichsten Leistungsträgern stellen. Die sich als nicht zuständig erklären, obgleich sie es laut Rechtslage sind. Wenig hat sich geändert im Vergleich zu den Zeiten, als es noch kein trägerübergreifendes persönliches Budget gab.

    "Also man musste immer einzeln mit dem Kostenträger verhandeln. Und benötigte in der Regel dann auch ein entsprechendes entweder Verhandlungsgeschick, oder eben Hartnäckigkeit. Was viele nicht haben. Aber auch Geduld, manche Leute müssen lange klagen, also es gibt tatsächlich auch Leute - ich persönlich hab zumindest einige kennengelernt, die viele Jahre geklagt haben und dazu braucht man einen langen Atem."

    Im Mai dieses Jahres entschied das Bundessozialgericht in Kassel über einen solchen Fall: Ein Sozialhilfeträger sah sich für den Antrag eines Behinderten auf das persönliche Budget nicht zuständig und leitete ihn weiter an die Rentenversicherung. Auch hier wurde abgelehnt - ohne detaillierte Begutachtung. Die muss der Rententräger nach dem Kasseler Urteil nun umgehend nachholen. Der zuständige Richter rügte, die Träger seien offenbar weiterhin vorrangig darauf bedacht, ihr eigenes Budget zu verteidigen. Er sprach von einem Zitat: "Krieg einer gegen den anderen, innerhalb des Staatswesens".

    Ein irritierender Befund, da es doch heißt, das Budget sei politisch gewollt. Und da der Personenkreis, der Anspruch auf das persönliche Budget und damit auch auf Assistenzleistungen hat, rapide ansteigt.

    "Im Grunde jeder Mensch, der entweder eine Behinderung hat, oder von Behinderung bedroht ist. Jeder pflegebedürftige Mensch ist, oder zumindest die meisten davon dürften auch in irgendeiner Form ein Mensch mit Behinderung sein. Auch der alte Mensch ist ein Mensch mit 'ner Behinderung, hat auch die Möglichkeit einen Behindertenausweis zu beantragen. Es wird aber in der Altenpflege beziehungsweise in den Altenhilfestrukturen eigentlich kaum umgesetzt. Ich denke, dass die Verbände und Institutionen der Altenhilfe, diejenigen sein müssten, von denen die Initiative ausginge. Aber die sind ja in der Regel auch Träger von Altenheimen, insofern beißt sich das, die werden natürlich'n größeres Interesse daran haben, ihre Altenheime weiterhin zu finanzieren und voll zu haben. Es ist eigentlich mir nicht verständlich, warum es bei alten Leuten so wenig zum Tragen kommt, wie es zum Tragen kommen könnte."

    Auf Dauer werden es sich hilfsbedürftige Senioren allerdings kaum nehmen lassen auf Assistenz zurückgreifen, um nach ihren Vorstellungen leben zu können. Solange jedoch potenziellen Budget- und Assistenznehmern der Weg zum persönlichen Budget geradezu verbaut wird, ist es nicht verwunderlich, wenn dieses Instrument zehn Jahre nach seiner Einführung so wenig in Anspruch genommen wird: Nur um die 10.000 Bürger nutzen nach Schätzungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales das persönliche Budget. Wie viele davon mit persönlicher Assistenz leben, bleibt eben so vage. Helmut Budroni:

    "Also es sind insgesamt in Deutschland nach Schätzungen ungefähr zweieinhalb bis dreitausend. Es gibt keine konkreten Zahlen. Es gibt keine Studien darüber, wie viel Personen mit persönlicher Assistenz leben. Schon allein deswegen, weil es bis vor wenigen Jahren gar keine klar definierte Rechtsgrundlage dafür gab. Wir haben zwar ein Gesetz, dass das persönliche Budget definiert und das ist im Grunde eine Finanzierungsform der persönlichen Assistenz, aber es ist das persönliche Budget und nicht die persönliche Assistenz, die damit gemeint ist. Das haben wir in Schweden, da gibt es seit den 90-er Jahren, Anfang 90er-Jahren ein Assistenzgesetz und man versucht hier in Deutschland auch schon seit einigen Jahren das durchzusetzen. Also ein Gesetz, was eben diesen Leistungsanspruch auf persönliche Assistenz definiert."

    Als die UN-Behindertenrechtskonvention zur sozialen Teilhabe von Menschen mit Behinderung im März 2009 von der Bundesregierung ratifiziert wurde, hätte ein solches Gesetz schon auf der Tagesordnung stehen müssen.

    Deutschland aber tut sich schwer. Henning Wimmers, Behindertenbeauftragter für Mönchengladbach

    "Die UN-Konvention ist sicherlich ein Stichwort, was Entscheidungsträger, Politiker und auch Kommunalverwaltungen zum Handeln auffordert, aber wenn die Frage heißt, ob jetzt dadurch schon viel passiert ist, in dieser Richtung, kann ich nur sagen, dass mein Eindruck ist, dass es nicht so ist. Ich bin persönlich sehr gespannt auf den Bericht der Bundesregierung, den sie ja jetzt zwei Jahre nach Inkrafttreten der UN-Konvention abgeben muss."

    Die Skepsis von Henning Wimmers wird Mitte Juni dieses Jahres bestätigt, als der Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention das Kabinett passiert.
    Die Behindertenverbände kritisieren daran insbesondere, dass kaum eine Anpassung deutscher Gesetze vorgesehen ist.

    Das Forum behinderter Juristinnen und Juristen hat im Mai 2011 - nicht zum ersten Male - zur Selbsthilfe gegriffen und einen Entwurf vorgelegt, der die Gesetzgebung vorantreiben soll. Das sogenannte Gesetz zur sozialen Teilhabe sieht unter anderem vor, einen Rechtsanspruch auf Persönliche Assistenz neben dem Persönlichen Budget im neunten Sozialgesetzbuch zu verankern. Menschen, die zu Hause mit persönlicher Assistenz leben wollen, könnten dann nicht mehr von den Sozialämtern in Wohn- oder Pflegeheimen untergebracht werden.

    Ein Rechtsanspruch alleine garantiert aber noch keinen Erfolg - wie sich an der schleppenden Umsetzung des persönlichen Budgets zeigt. Deshalb hat Helmut Budroni vor vier Jahren zusammen mit Behinderten den Verein Pro Assistenz gegründet.

    "Pro Assistenz hat die Aufgabe, Menschen, die ein persönliches Budget beantragen wollen, oder umsetzen wollen, dabei zu unterstützen. Vom Antrag bis zur Beratung bis zur Begleitung bei der Hilfeplanerstellung, aber auch die Umsetzung des persönlichen Budgets.

    Peter und Sylvio Budroni gehen jetzt mit ihren Assistenten in Konzerte, ins Theater und zu Fußballspielen. Sylvio beteiligt sich ehrenamtlich an der Vereinsarbeit bei Pro Assistenz. Peter hat unterdessen eine seiner Assistentinnen entlassen.

    Irene ist viel entspannter und froh darüber, dass sie nun mehr Zeit mit ihrem Lebensgefährten verbringen kann.

    Persönliche Assistenz erfordert viel Geduld von beiden Seiten, kann sehr anstrengend sein und ist keinesfalls konfliktfrei. Ein Unterschied zum Leben im Heim aber ist elementar. Silvio Budroni

    #"Kurz gesagt: Da wurde mehr über uns entschieden und hier entscheiden wir selber."