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Assistierte Ausbildung
Ein Modell mit Potenzial

Das Projekt "Carpo" begleitet gezielt junge Menschen vor und während ihrer Ausbildung. Dabei steht ihnen bei allen wichtigen Fragen ein Sozialpädagoge zur Seite. Davon profitieren sollen vor allem Mittelständler. Ein Besuch in einer Kfz-Werkstatt in Oberschwaben.

Von Thomas Wagner | 18.07.2015
    Autoreparatur
    In einer oberschwäbischen Kfz-Werkstatt setzt man auf das Programm "assistierte Ausbildung. (imago)
    Jan verschwindet mit seinem Schraubenschlüssel fast vollständig unter der Motorhaube eines PKW.
    "Ich wechsele grade eine Ventildeckeldichtung. Das ist schon ein wenig knifflig, weil man viel weg bauen muss."
    Jan ist bereits Mitte 20, hat aber erst vor Kurzem in der Kfz-Reparaturwerkstatt Schmid im oberschwäbischen Horgenzell eine Lehre als Kfz-Mechatroniker begonnen. Nach seinem Hauptschulabschluss jobbte er über Jahre hinweg mal hier, mal da – konnte sich aber nicht zu einer Ausbildung durchringen. Nun nimmt er Teil am Programm "assistierte Ausbildung." Dabei steht ihm vor und während der Lehre bei allen wichtigen Fragen ein Sozialpädagoge zur Seite.
    "Vor der Lehrstelle haben sie mir beim Bewerbungsschreiben geholfen und beim Suchen. Und jetzt unterstützen sie mich hauptsächlich bei den Allgemeinbildungsfächern. Ich bin jetzt ein paar Jährchen aus der Schule rausgewesen. Und man verlernt das dann eben auch, was in der Schule so alltäglich ist. Und da haben sie mir sehr stark geholfen, da wieder reinzukommen."
    Unzufriedener Firmenchef
    Firmenchef Walter Schmid ist zufrieden mit den Leistungen seines Auszubildenden – und mit dem Projekt "Assistierte Ausbildung".
    "Man muss denen eine Chance geben. Von unserer Sicht ist das für die Leute optimal, wenn da jemand mit ihnen durchgeht durch die Lehre – wer weiß, ob die jetzt nochmals in dem Alter einen Job gelernt hätten? Das ist eine gute Idee..."
    Allerdings müsse sich die Betreuung des Auszubildenden stärker an den Erfordernissen im Betrieb orientieren – und intensiviert werden. Nur ab und zu schaue der Sozialpädagoge, der den Auszubildenden begleitet, in der Horgenzeller Autowerkstatt vorbei.
    "Für unsere Fälle kommt der Betreuer zu wenig. Man hat relativ wenig Kontakt. Und von der Zusammenarbeit bekommt man relativ wenig mit, was jetzt der Helfer mit dem Azubi macht. Da ist die Kommunikation schwierig."
    Um eine gute Betreuung sicher zu stellen, müsste sich der Sozialpädagoge nach Ansicht von Walter Schmid intensiver als bisher mit der Arbeit des Auszubildenden im Betrieb auseinandersetzen. Da geht es auch...
    "....um seine Tageslaunen. Er ist hippelig, mal so, mal so. Er fängt mit allem Möglichen an, was er im Kopf hat, was er in Internetforen, und das macht er ziemlich oft, sich angelesen hat."
    Wenn es um Verhaltensauffälligkeiten und mögliche Abhilfen geht, sieht sich der oberschwäbische KFZ-Meister schnell mit seinem Latein am Ende. Er fordert: Hier müssen die Experten der "assistierten Ausbildung" ran – und zwar intensiver als bisher. Mit dieser Meinung steht Walter Schmid nicht alleine.
    "Der Knackpunkt besteht dahingehend, dass die Begleitung, die Unterstützung durch die assistierenden Einrichtungen einfach zu wenig ist. Es bleibt am Betrieb hängen. Und wir haben in den Betrieben Probleme, diese ganzen Fehlmengen vom Vorleben aufzufangen. Das schaffen wir nicht. Und da ist die angesetzte Unterstützung durch die unterstützenden Einrichtungen einfach zu gering."
    So Elmar Häusler, Ausbildungsexperte der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee. Auch er befürwortet eine bessere Verzahnung der „assistierten Ausbildung" mit den betrieblichen Belangen.
    "Es ist so ein behütetes Vorbereiten auf den Beruf. Hier müsste der Alltag, der die Auszubildenden erwartet, ganz klar herausgearbeitet werden – praxisnäher."
    Konflikte im Betrieb
    Kfz-Meister Walter Schmid kann das nur bestätigen – und nennt dafür ein Beispiel. In seinem Fall ist der Auszubildende aufgrund seiner Vorgeschichte bereits Mitte 20, also fast zehn Jahre älter als all die meisten anderen, die ihre Berufsausbildung beginnen- kein Einzelfall. Und dies verursache, so Juniorchef Christopf Schmid, manchmal Konflikte im Betrieb:
    "Mit 24, der Umgang mit den anderen... Sie meinen halt, sie seien älter. Aber sie sind eben ein Lehrling, der sich an die anderen Gesellen halten muss. Und das geht ein bisschen unter in dem Alter."
    Will heißen. Ein 24jähriger Auszubildender lässt sich von Jüngeren eher ungern Anweisungen erteilen. Auch hier müsse die „assistierte Ausbildung" stärker als bisher nachsteuern, die Teilnehmer besser auf die Betriebshierarchien vorbereiten. Daneben äußert Walter Schmid noch einen weiteren Wunsch – nämlich...
    "...dass man mehr offen legt, wen man da einstellt. Weil: Wir haben nicht gewusst, dass er hyperaktiv ist und eigentlich nichts dagegen unternimmt."
    Solche Informationen seien für die zukünftigen Arbeitgeber wichtig. Alles in allem hält Walter Schmid aus Sicht eines Mittelständlers die „assistierte Ausbildung" dennoch für ein hilfreiches Instrument, zumal es generell immer schwieriger werde, Ausbildende zu finden. Allerdings:
    "Für Großbetriebe ist das wahrscheinlich nichts. Denn da laufen sie nur als Nummer mit, stehen den ganzen Tag in der Ecke und sind froh, wenn der Tag vorbei ist."
    Will heißen: Bei der "assistierten Ausbildung" ist eine persönliche Betreuung des Lehrlings durch den Firmenchef wichtig. Genau dies sei in Großbetrieben schwierig. Auch Elmar Häusler von der IHK Hochrhein-Bodensee hält die „assistierte Ausbildung" für ein gutes Modell, wenn auch mit Einschränkungen:
    "An dem Modell hat sich bewährt, dass wir Leistungsschwache auffangen und trotz ihrer Handicaps in die Ausbildung aufnehmen können. Aber es ist natürlich so, dass in den Schlüsselqualifikationen so viele Defizite sind, dass wir diese betrieblich und mit dieser wenigen Unterstützung nicht aufarbeiten können."