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Asteroiden
Die Herren der Ringe

Die Gasriesen im Sonnensystem, allen voran Saturn, sind von markanten Ringen umgeben - und sie sind nicht die einzigen Himmelskörper mit diesem Schmuck im Sonnensystem: Auch zwei Asteroiden haben Ringe, das entdeckten europäische Astronomen im vergangenen Jahr. Auf einem Workshop der Europäischen Südsternwarte verrieten sie Details.

Von Guido Meyer | 04.03.2015
    Künstlerische Darstellung des Asteroiden Chariklo mit Ringsystem
    Künstlerische Darstellung des Asteroiden Chariklo mit Ringsystem (ESO)
    Längst richten Astronomen ihre Blicke auf exosolare Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Denn unseres, so möchte man meinen, das haben wir mittlerweile so ziemlich im Griff. Irrtum. Noch immer werden praktisch gleich vor unserer kosmischen Haustüre neue, ungewöhnliche, um nicht zu sagen: einmalige Objekte entdeckt.
    "Also, das war wirklich eine ganz schöne Überraschung. Wir wussten, dass alle großen Gasplaneten Ringsysteme besitzen. Denken Sie nur an die Ringe Saturns. Hier handelt es sich aber um zwei sehr kleine Objekte, die nur auf einen Durchmesser von 250 Kilometer kommen. Das ist wirklich winzig. Und es könnte bedeuten, dass Ringsyteme viel verbreiteter sind, als wir bislang dachten."
    Mischung aus Asteroid und Komet
    Der Astrophysiker Bruno Sicardy vom Observatoire de Paris gehört zu einem Team europäischer Forscher, die sich mit zwei ungewöhnlichen Asteroiden beschäftigen. Chariklo heißt der eine, Chiron der andere. Sie sind Vertreter einer Unterart von Asteroiden, den Zentauren, wie der Astronom Jose Luis Ortiz vom Instituto de Astrofísica de Andalucía im spanischen Granada erklärt:
    "Diese Objekte sind eine Mischung aus einem Asteroiden und einem Kometen - genauso wie die Zentauren in der griechischen Mythologie eine Mischung aus einem Mann und einem Pferd darstellen. Im Prinzip sind es Asteroiden. Ganz so wie ein Komet entwickeln sie jedoch eine Koma aus Gas und Staub, die sie umgibt. Auch entsprechen ihre Umlaufbahnen im äußeren Sonnensystem eher denen von Kometen. Chariklo ist der größte bekannte Vertreter dieser Klasse. Er sozusagen der König der Zentauren."
    Möchte man in diesem Bild bleiben, trägt dieser "Zentauren-König" eine Art Heiligenschein - genauer: Er ist von einem Ring umgeben. Noch genauer: von zweien. Während sonst nur die Gasriesen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun ein Ringssystem besitzen und keiner der terrestrischen Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars, haben die Astronomen im vergangenen Jahr nun ausgerechnet bei einem solch kleinen Objekt gleich zwei solcher Ringe nachgewiesen. Wie, erklärt Bruno Sicardy vom Pariser Observatorium.
    "Auf seiner Umlaufbahn um die Sonne, irgendwo zwischen Saturn und Uranus, zieht Chariklo bisweilen vor einem Stern vorbei. Es entsteht dann für einige Sekunden eine Sternenfinsternis. Wir konnten beobachten, dass der Stern schon kurz vor der Bedeckung durch Chariklo zweimal kurz verdunkelt wurde, und danach auch wieder zweimal. Es muss also Materie um den Zentauren herum geben. Ringe sind da die naheliegendste Erklärung."
    Ringe sind wenige Kilometer dick
    Anhand der Länge der Sternverdunklungen konnten die Forscher die Dicke der Ringe auf drei bis sechs Kilometer bestimmen. Sie liegen etwa neun Kilometer auseinander. Nach Chariklo fanden die Wissenschaftler in diesem Jahr einen zweiten Asteroiden mit Ring, und zwar den Zentauren Chiron, so José Luis Ortiz vom Institut für Astrophysik Andalusiens.
    "Chiron ist größer als die typischen Kometen. Daher ist seine Gravitation stärker - so stark, dass er die Koma halten kann, die sich bei Kometen schnell verflüchtigt und zu einem Schweif wird. Um Chiron herum hält sich dieses Material länger, eben aufgrund seiner größeren Anziehungskraft."
    Chirons Koma dehnt sich Tausende Kilometer um den Zentauren herum ins All aus. Damit hüllt sie auch den Ring um Chiron ein oder zumindest die Ringfragmente, die die europäischen Forscher bislang nachweisen konnten. Sie bestehen nicht aus kleinen Gesteinsbrocken, wie bei Chariklo, sondern aus Eis, Staub und organischen Materialien. Das ist aber auch schon so ziemlich alles, was sicher ist. Weder ist der Ursprung der Ringe bekannt noch der Ursprung der beiden Zentauren selbst. Vielleicht kommen beide ursprünglich aus dem Kuiper-Gürtel, einer Ansammlung eisiger Asteroiden am Rande des Sonnensystems. Ob sogenannte Schäfermonde zwischen den Ringen für deren scharfe Abgrenzung verantwortlich sind, soll das Hubble-Weltraumteleskop im Sommer zeigen, so Bruno Sicardy.
    "Wir werden die Ringe wahrscheinlich nicht direkt sehen, weil sie zu nahe an den Zentauren sind. Aber vielleicht werden wir Monde entdecken. Damit hätten wir dann zumindest eine der offenen Fragen beantwortet."