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Astronomie
Abstimmen über den Urknall

Nach der kosmischen Inflationstheorie hat sich unser Kosmos einen aberwitzig kleinen Sekundenbruchteil nach dem Urknall extrem schnell aufgebläht - danach ging die Ausdehnung im normalen Tempo weiter.

Von Dirk Lorenzen | 01.04.2015
    Die Inflation löst elegant einige Probleme der einfachen Urknallmodelle. Doch die Theorie hat einen gewaltigen Haken: Sie ist äußerst flexibel.
    Manche Experten meinen gar, diese Theorie könne jede mögliche Beobachtung erklären. Denn die Bedingungen vor der Inflation ließen sich beliebig verändern, sodass jedes gewünschte Ergebnis herauskomme.
    Doch eine Theorie, die sich nicht widerlegen lässt, gehört eher in den Bereich der Philosophie oder Religion. Wissenschaftlich ist sie ohne Wert.
    Alan Guth, einer der Begründer der Inflation, hat diesen Einwand klar zurückgewiesen: Die alte Vorstellung des britischen Philosophen Karl Popper, nach der eine Theorie immer wieder zu testen sei, bis man sie widerlegt habe und eine neue Theorie brauche, sei heute überholt.
    Vielmehr sei Wissenschaft jetzt ein Wettstreit von Ideen. Und eine Theorie gelte so lange, wie eine übergroße Mehrheit der Forscher sie unterstütze - und das sei bei der Inflation der Fall.
    Kurz gesagt: Die Wissenschaftler stimmen einfach ab, was richtig und was falsch ist. Das klingt nach einem Aprilscherz, ist es aber leider nicht. Denn Forschung ist kein demokratischer Prozess.
    Anderthalb Jahrtausende waren sich die Astronomen einig, dass die Erde im Zentrum der Welt stehe und von der Sonne umkreist werde - mit der wahren Natur hatte das bekanntlich nichts zu tun. Mal sehen, wie es dereinst der Inflation ergeht.