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Astronomie
Das Wandern ist der Planeten Lust

Fast täglich entdecken Astronomen neue Exoplaneten. Das sind Himmelskörper, die andere Sterne umkreisen als die Sonne. Und mit jedem neuen exosolaren Planetensystem lernen die Forscher wieder etwas über unser Sonnensystem. Es scheint doch nicht eines von vielen zu sein. Und das liegt an zwei Planeten: Jupiter und Saturn.

Von Guido Meyer | 21.09.2017
    Der Riesenplanet Jupiter dominiert die Aprilnächte.
    Der Riesenplanet Jupiter: Er spielt eine entscheidende Rolle dabei, dass unser Sonnensystem so aussieht, wie es aussieht. (NASA)
    Es war einmal ... eine Zeit, da glaubten die Astronomen noch, alle Planetensysteme seien so ähnlich aufgebaut wie das Sonnensystem. Der Astronom Clemens Robert vom Observatoire de la Côte d'Azur erinnert sich:
    "Früher, als wir noch keine anderen Sternsysteme kannten, sind wir davon ausgegangen, dass das Sonnensystem typisch ist. Warum auch nicht? Wir konnten es ja mit keinem anderen vergleichen. Aber die bislang bekannten Exoplaneten entsprechen überhaupt nicht den Planeten im Sonnensystem. Ein Abbild unseres Planetensystems haben wir noch nirgendwo entdeckt."
    Exosolare Gasriesen umkreisen ihren Stern ganz innen
    Den Hauptgrund für diesen Unterschied liefert der größte Planet des Sonnensystems, Jupiter. Er befindet sich so ungefähr in der Mitte unseres Planetensystems. In exosolaren Systemen aber umkreisen solche Gasriesen ihren Stern ganz innen. Deswegen nennen Astronomen sie "Hot Jupiters", heiße Jupiter, weil sie durch den nahen Stern aufgeheizt werden. Rund 300 bislang entdeckten Hot Jupiters steht ein "kalter Jupiter" im Sonnensystem gegenüber – offensichtlich die Minderheit, um nicht zu sagen: ein Einzelfall. Daher folgern die Astronomen, dass "unser Jupiter" gewandert sein muss - glaubt auch Aurélien Crida, ebenfalls vom Observatorium an der Côte d'Azur in Nizza.
    "Der Planet bewegt sich zunächst auf einer fast kreisförmigen Bahn um die Sonne. Dabei kommt er ständig in Kontakt mit dem Gas und mit dem Staub, die in der Anfangsphase des Sonnensystems noch scheibenförmig um die Sonne herum verteilt war. Die Gravitation des Planeten führt zu Massekonzentration innerhalb dieser Gas- und Staubscheibe."
    Auch Jupiter ist gewandert
    Diese Ansammlungen von Gas und Staub üben ihrerseits einen Schwerkrafteinfluss auf den Planeten aus. Die Gas- und Staubklumpen bremsen den Planeten ab. Er ist nicht mehr schnell genug, um sich auf seiner Umlaufbahn zu halten. Die Folge: Statt weiterhin kreisförmig die Sonne zu umrunden, nähert er sich ihr nun spiralförmig an. Deswegen befinden sich alle Hot Jupiters so nahe an ihrem Stern. Auch "unser Jupiter" ist nach seiner Entstehung in Richtung Sonne gewandert, glauben die meisten Astronomen – aber nicht ganz bis an die Sonne heran.
    "Wir wissen, dass Jupiter niemals die Erdbahn gekreuzt hat. Andernfalls wären wir heute nicht hier, um solche Fragen zu erörtern. Ein Planet von der Größe Jupiters hätte die Erde zerstört."
    Der Planet Saturn mit seinen markanten Ringen, deren Natur anfangs unbekannt war
    Der Saturn hat wohl Einfluss auf die Bahn von Jupiter genommen (ESO)
    Bleibt die Frage, welche Kraft Jupiter nach seiner Annäherung wieder nach außen bewegt hat, dorthin, wo er heute ist. Denn diese erneute Wanderungsbewegung ist es, die das Sonnensystem auszeichnet. Hier bringen die Astronomen nun einen zweiten Planeten ins Spiel.
    "Wir glauben, dass Saturn dafür verantwortlich war. Dieser Gasplanet ist der zweitgrößte im Sonnensystem. Seine Bahn befindet sich gleich hinter der Jupiters. Mit seiner Masse dürfte er nicht nur verhindert haben, dass Jupiter bis zur Sonne nach innen wandert. Er hat ihn mittels seiner Anziehungskraft auch wieder nach außen gezogen."
    Zwei Gasriesen nebeneinander
    Im Sonnensystem befinden sich mit Jupiter und Saturn gleich zwei Gasriesen auf Umlaufbahnen direkt nebeneinander. Und das ist bislang einzigartig, gerade weil sie sich in der Mitte des Planetensystems befinden und nicht in Sonnennähe.
    "In keinem extrasolaren System haben wir bislang zwei Gasriesen nahe bei ihrem Stern entdeckt, also erst einen Hot Jupiter und dahinter einen 'Hot Saturn'. Wenn es zwei Gasriesen gibt, bewegen sie sich letztlich – so wie im Sonnensystem - nach außen, nicht nach innen."
    So lässt sich die Konstellation im Sonnensystem erklären, in dem Jupiter und Saturn nach außen gewandert sind. Clemens Robert:
    "Das reicht noch nicht aus, um zu behaupten, das Sonnensystem sei untypisch. Es könnte sich bei unserem um eine ganze Klasse von Planetensystemen handeln, die wir noch nicht entdeckt haben. Wenn wir ein System wie das unsere in 50 Lichtjahren Entfernung beobachten würden, könnten wir dessen Planeten gar nicht sehen."
    Denn bislang geraten eben vor allem Hot Jupiters, die sich nahe an ihrem Stern befinden, ins Netz der Astronomen, weil sie leichter zu entdecken sind. Und damit kann das Sonnensystem nun mal nicht dienen.