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Astronomie mit Gammastrahlen
Verpuffung auf Weißen Zwergen

In Garmisch-Partenkirchen diskutieren 300 Forscher über die Entdeckungen des NASA-Satelliten Fermi. Das Weltraumobservatorium hat schon zehn Nova-Explosionen erfasst. Aber die energiereiche Gammastrahlung tritt auch bei vielen anderen Phänomenen im Kosmos auf – manchmal zur Überraschung der Astronomen.

Von Dirk Lorenzen | 18.10.2017
    Wenn Weiße Zwerge verschmelzen, entstehen große Mengen an Positronen, die für die typische Gammastrahlung der Milchstraße verantwortlich sein können.
    Wenn Weiße Zwerge verschmelzen, entstehen große Mengen an Positronen, die für die typische Gammastrahlung der Milchstraße verantwortlich sein können. (VASA / Chandra X-ray Observatory)
    Pierrick Martin vom Nationalinstitut für Astrophysik und Planetologie im französischen Toulouse interessiert sich vor allem für die äußerst energiereiche Gammastrahlung – und da zählt derzeit der Doppelstern V407 im Sternbild Schwan zu seinen Lieblingsobjekten:
    "Da kreisen ein Weißer Zwerg und ein Roter Riese umeinander, eine auskühlende Sternleiche und ein alter, aufgeblähter Stern. Wir haben von diesem System überraschenderweise Gammastrahlung aufgefangen – aber wir freuen uns immer, unerwartete Dinge zu entdecken."
    Materie auf dem Weißen Zwerg zündet die Kernfusion
    Das ungleiche Doppel aus Sternleiche und sterbendem Stern klingt eher nach kosmischem Niedergang – doch wo das NASA-Gammaobservatorium Fermi so intensive Strahlung erfasst, muss es buchstäblich heiß hergehen.
    "Der Weiße Zwerg stiehlt ständig Materie vom Roten Riesen, die sich auf der Oberfläche ansammelt. Hat die Materie auf dem Weißen Zwerg eine bestimmte Menge erreicht, zündet dort die Kernfusion. Es entsteht ein Strahlungsblitz, der das restliche Gas in der Nähe wegschleudert. Das wiederum prallt in die Gas- und Staubmassen, die der Rote Riese ins All pustet – und dabei werden Teilchen auf sehr hohe Energien beschleunigt."
    Gammastrahlung bei Supernovae dauert Jahrtausende
    Die Forscher staunen, dass der kosmische Materiediebstahl mit anschließender Explosion derart energiereich abläuft. Bisher hatte sich das Fermi-Team auf die Überreste von Supernovae konzentriert, noch viel gewaltigeren Explosionen, mit denen sehr massereiche Sterne ihr Dasein beenden. Die Verpuffungen auf dem Weißem Zwerg erweisen sich nun als eine Art Miniaturversion.
    "Die Gammastrahlung hielt hier nur zwei Wochen an, bei Supernovae dauert das Jahrtausende. Hier läuft alles etwas schwächer und viel schneller ab. Das Gute daran ist, dass wir so den ganzen Film sehen konnten – bei Supernova-Überresten bekommen wir immer nur einen Schnappschuss."
    Live dabei, wenn eine Sternoberfläche abfackelt
    Die Explosionswolken der Supernovae driften immer weiter auseinander und leuchten sehr hell im Gammabereich, aber binnen weniger Jahre ist keinerlei Entwicklung zu bemerken. Bei den schwächeren Materieexplosionen auf der Oberfläche Weißer Zwerge, Novae genannt, ist das ganz anders. Hier laufen die energiereichsten Prozesse wie im Zeitraffer ab. Bisher haben die Astronomen diese Objekte nur im sichtbaren Licht oder mit Röntgen- und Radioteleskopen beobachtet, doch dank des Fermi-Satelliten sehen Pierrick Martin und seine Kollegen jetzt endlich, was dort wirklich vor sich geht.
    "Gammastrahlen sind eine sehr energiereiche Art des Lichts. Weil das sichtbare Licht von Staub und Gas absorbiert wird, hat man bei den längeren Wellenlängen eher einen Blick von außen auf das Geschehen – aber mit den Gammastrahlen blicken wir tief hinein ins Herz der Nova-Explosion."
    Mittlerweile hat das Gammaobservatorium Fermi schon zehn solcher Nova-Explosionen erfasst – und jedes Jahr kommen ein, zwei weitere hinzu. Die Astronomen sind dann immer live dabei, wie eine Sternoberfläche abfackelt und dabei überraschend energiereiche Strahlung produziert.