Samstag, 20. April 2024

Archiv

Astronomie
Vergessene Stars

Die "Sternzeit" erinnert im September an 30 Personen, die in der Himmelsforschung Großes geleistet haben und dennoch weitestgehend in Vergessenheit geraten sind.

01.09.2014
    Eine neue Aufnahme des Weltraumteleskops "Hubble", die am 9.3.2004 veröffentlicht wurde. Sie zeigt etwa 10000 Galaxien, einige von ihnen in chaotisch wirkender Formgestaltung. Die Aufnahme erfasst nur einen äußerst kleinen Teil des Himmels unterhalb des Sternbilds Orion, bezeichnet als "Hubble Ultra Deep Field" (HUDF).
    Die "Sternzeit" erinnert im September an 30 zu Unrecht vergessene Himmelsforscher (picture-alliance/dpa/dpaweb)
    Aristoteles, Johannes Kepler und Edwin Hubble kennt praktisch jeder - aber Anaxagoras, Maria Cunitz und Carl Wirtz sind bestenfalls Experten ein Begriff. Die einen gelten geradezu als Helden, die ihre Disziplin wesentlich voran gebracht haben - die anderen haben zwar auch wichtige Theorien entwickelt und bedeutende Entdeckungen gemacht, doch blieb ihnen der ganz große Eintrag im Geschichtsbuch verwehrt.
    So vertrat Anaxagoras schon vor zweieinhalb Jahrtausenden die Theorie, die Sonne sei ein glühender Stein und der Mond nur eine beleuchtete Kugel. Für ihn leuchteten am Himmel keine Götter, sondern physikalische Objekte - damit war er seiner Zeit weit voraus.
    Maria Cunitz, die bedeutendste Astronomin des 17. Jahrhunderts, übersetzte und verbesserte die Arbeiten Johannes Keplers und verfasste selbst einen Bestseller - doch ihr Ruhm ist längst verblasst. An sie erinnert nur ein nach ihr benannter Krater auf der Venus.
    Edwin Hubble hat Ende der 1920er-Jahre entdeckt, dass sich der Kosmos ausdehnt - nach ihm heißt das berühmte Weltraumteleskop und nicht nach dem Kieler Astronomen Carl Wirtz. Der hatte zwar schon einige Jahre vor Hubble die Ausdehnung des Kosmos geahnt, doch war sein Teleskop nicht gut genug, diese Idee mit Beobachtungsdaten ausreichend zu untermauern.
    In der Wissenschaftsgeschichte gibt es eine Vielzahl von faszinierenden Geschichten, kleinen Dramen und kuriosen Begebenheiten, die sich rund um die Personen drehen, die sich der Erforschung des Weltalls verschrieben hatten. Im September widmet sich die "Sternzeit" im Deutschlandfunk den vergessenen Stars der Himmelskunde - täglich um 02.05 Uhr in der "Radionacht" und um 16.57 Uhr in "Forschung aktuell".
    Die "Sternzeit"-Autoren Dirk Lorenzen und Hermann-Michael Hahn lassen für jeweils hundert Sekunden eine Persönlichkeit aus dem Dunkel der Geschichte auftauchen. Ausgangspunkt ist oft das aktuelle Himmelsgeschehen - typisch für die Sternzeit, die somit auch im September nicht nur Geschichte(n) erzählt, sondern auf besondere Ereignisse am Firmament hinweist.
    Wer war Johann Schmidt?
    Es beginnt bei Halbmond zum Monatsersten mit Johann Schmidt. Der hat im 19. Jahrhundert mit gutem Auge und künstlerischem Geschick eine zwei Meter große Mondkarte gezeichnet, die sage und schreibe 33.000 Krater enthält. Doch seine Astronomenkollegen haben es ihm nicht gedankt: Es gibt zwar einen Mondkrater Schmidt - doch der heißt nicht nur nach dem unermüdlichen Beobachter, sondern auch nach zwei weiteren Schmidts der Astronomiegeschichte.
    Bei Veränderlichen Sternen geht es um das Schicksal des Amateurastronomen John Goodricke, der im 18. Jahrhundert mehrere Sterne entdeckt hat, die periodisch heller und schwächer werden. Doch seine Leidenschaft wurde ihm zum Verhängnis: Bei ausgedehnten Beobachtungen in kalten Winternächten zog sich Goodricke eine Lungenentzündung zu, an der er im Alter von nur 21 Jahren starb.
    Ernst Chladni wiederum ist zwar für seine Verdienste in der Akustik bekannt. Doch seine revolutionäre Auffassung, dass Meteoriten Steine aus dem Weltall und Reste aus der Entstehungszeit des Sonnensystems seien, brachte ihm heftigen Widerspruch ein - unter anderem von Alexander von Humboldt und Johann Wolfgang von Goethe.
    Bei Jakow Seldowitsch sind manche der heutigen Kollegen vielleicht ganz froh, dass er nicht mehr allen präsent ist. Der russische Kosmologe hatte nicht nur bahnbrechende Ideen - er ging mit seiner Zunft auch hart ins Gericht: Kosmologen, so meinte er, irrten oft, doch nie quäle sie ein Zweifel. In Zeiten, in denen sich viele Forscher unter großem Erfolgsdruck ihrer Geldgeber sehen und unter allen Umständen die ersten sein wollen, ist das ständige kritische Hinterfragen der eigenen Erkenntnisse nicht mehr so populär wie es sein sollte. Gerade deshalb ist der weise Jakow Seldowitsch auch Thema einer "Sternzeit" im September.
    Dirk Lorenzen
    Die "Sternzeit" widmet sich folgenden Persönlichkeiten: