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Asylpolitik der Niederlande
Im Flüchtlingszentrum Ter Apel soll sich niemand zuhause fühlen

Schnelle Asylverfahren, Entscheidungen innerhalb weniger Wochen. Flüchtlinge, die in den Niederlanden ankommen, müssen sich als erstes in Ter Apel melden, dem zentralen Auffanglager im Nordosten des Landes. Wer einen positiven Bescheid bekommt, soll das Lager schnell wieder verlassen, aber wohin?

Von Kerstin Schweighöfer | 04.07.2018
    Besucher des niederländischen Füchtlingauffangzentrums für Flüchtlinge "Ter Apel" gehen an einem neu errichteten Gebäude entlang. April 2017
    Das niederländische Flüchtlingsauffangzentrum "Ter Apel" in der Provinz Groningen. Besucher begutachten ein neues Gebäude im April 2017. (AFP/Vincent Jannink)
    Zur Neueröffnung im April 2017 sang der Chor der Flüchtlingskinder. Ter Apel heißt das grösste Flüchtlingsauffangzentrum der Niederlande, und seit den Neu- und Umbauarbeiten sieht es aus wie ein kleines, im Grünen gelegenes Dorf. Bis zu 2.000 Flüchtlinge können hier untergebracht werden, in typisch holländischen Backsteinreihenhäusern. Auch Grundschule, Spielplatz und Sporthalle fehlen nicht, so Ter Apel-Manager Henk Wolthof:
    "Wir haben rund 250 Wohnungen bauen lassen, in denen bis zu acht Menschen leben können. Das ist eine enorme Verbesserung. Vorher lebten die Flüchtlinge in Wohnwagen und Containerbauten."
    Die Wohnungen allerdings sind spartanisch eingerichtet. Zuhause fühlen soll sich hier niemand. Denn im besten Falle verlassen die Flüchtlinge Ter Apel schon nach gut zwei Wochen wieder: Die ersten sechs Tage dürfen sie zur Ruhe kommen, dann beginnt die Asylprozedur. Sie dauert in den meisten Fällen nicht länger als acht Tage. Mehr als 50 % aller Asylbewerber erfahren in dieser Zeit, ob sie bleiben dürfen oder nicht.
    Die Acht-Tage-Regelung wurde 2010 eingeführt. Vorher wussten Flüchtlinge auch in den Niederlanden oft erst nach Jahren, woran sie waren. Das Asylverfahren hinter den Deichen gilt als eines der strengsten und effizientesten Europas - und als eines der fairsten: Denn vom ersten Tag an stehen den Asylbewerbern ein Vertreter des Flüchtlingshilfswerks zur Seite, ein Dolmetscher und ein Anwalt - alle drei unabhängig von der Regierung, so wird in einem Informationsfilm vom Flüchtlingshilfswerk in 11 Sprachen betont.
    Niederländische Regierung zweifelt Entscheidungen der Asylanwälte an
    Mehr als zwei Drittel aller Anfragen werden nach wie vor bewilligt, daran hat die Einführung der Acht-Tage-Regelung nichts geändert. Die rechtsliberale Regierungspartei des amtierenden Ministerpräsidenten Mark Rutte fürchtet, die Asylanwälte könnten die Verfahren zu sehr zu Gunsten der Flüchtlinge manipulieren, sie wollen Asylbewerbern deshalb nur noch in den Berufungsverfahren Rechtsbeistand gewähren. Hilfsorganisationen und Asylanwälte sind empört. Auch das Kollegium für Menschenrechte hat Bedenken:
    "Wenn Asylbewerber ihre Verfahren ohne Rechtsbeistand beginnen müssen, führt das nur dazu, dass mehr Fehler gemacht werden", so Vorsitzende Adriana van Dooijeweert.
    Die Zahl der Berufungsverfahren, die inzwischen weniger als zehn Prozent aller Verfahren ausmachen, könnte dadurch wieder steigen. "Denn Fehler kosten Zeit", so van Dooijeweert, "dann dauert alles wieder länger."
    Zu lange dauert schon jetzt die Familienzusammenführung: Länger als es die EU-Richtlinie vorschreibt, nämlich bis zu eineinhalb Jahre, müssen Eheleute oder Eltern in den Niederlanden auf den Nachzug von Partnern oder Kindern warten.
    Schnelle Asylverfahren, langsame Integration
    Zu lange dauert Hilfsorganisationen auch der Aufenthalt in den Auffangzentren - trotz der Acht-Tage-Regelung. Denn wer einen positiven Vorentscheid bekommen hat, muss oft jahrelang auf eine Wohnung warten. Schuld daran ist die große Wohnungsknappheit in den Niederlanden.
    Auffangzentren wie Ter Apel könnten als noch so vorbildlich gelten - ob ein Aufenthalt human sei, hänge auch von seiner Dauer ab, so Martijn van der Linden vom niederländischen Flüchtlingshilfswerk.