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Asylrecht
"Eine politische Verfolgung gibt es nicht"

Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) hat die geplante Asylrechtsreform verteidigt. Es sei richtig, die westlichen Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Den Menschen dort gehe es zwar wirtschaftlich schlecht, "eine politische Verfolgung gibt es dort aber nicht", sagte Ulbig im Deutschlandfunk.

Markus Ulbig im Gespräch mit Bettina Klein | 19.09.2014
    Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU)
    Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) in der Sächsischen Staatskanzlei in Dresden (picture alliance/ dpa/ Oliver Killig )
    Es sei richtig, im Rahmen der Asylrechtsreform Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, sagte der sächsische Innenminister Markus Ulbig. Damit werde auch deutlich gemacht, dass es für Menschen aus diesen Ländern kein Recht auf politisches Asyl in Deutschland gebe. So würden keine falschen Hoffnungen geweckt.
    Derzeit liege die Anerkennungsrate bei Menschen aus diesen Ländern unter einem Prozent. Bei Flüchtlingen aus Syrien seien es hingegen 90 Prozent. Den Menschen in den westlichen Balkanländern müsse zu Hause geholfen werden.
    Ulbig sagte, es gehe bei der Asylrechtsreform auch darum, den wirklich politisch Verfolgten zu helfen. Weltweit gebe es 45 Millionen Flüchtlinge. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die Probleme all dieser Menschen in Deutschland oder in Europa gelöst werden könnten. Flüchtlinge müssten richtig untergebracht und auch integriert werden werden. Dabei stünden die deutschen Kommunen vor großen Herausforderungen, sagte Ulbig. In diesem Jahr würden 100.000 Flüchtlinge mehr in Deutschland erwartet.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Der Bundesrat soll unter anderem über die geplante Reform des Asylrechts heute abstimmen. Widerstand war von den Grünen und den Landesregierungen zu hören, an denen sie beteiligt sind. Gestern Abend sollte es noch einmal Vermittlungsgespräche geben. Über den Ausgang ist allerdings nicht allzu viel bekannt geworden.
    Am Telefon begrüße ich den sächsischen Innenminister Markus Ulbig von der CDU. Schönen guten Morgen.
    Markus Ulbig: Guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Herr Ulbig, in den Gesprächen zwischen Kanzleramt und den Grünen soll es ja gestern Abend einen Durchbruch gegeben haben. Details wurden offenbar nicht genannt. Wissen Sie, wie dieser Durchbruch aussieht?
    Ulbig: Details kann ich Ihnen auch nicht sagen. Aber es geht mit Sicherheit um die Streitthemen, die länger bekannt sind, unter anderem die Residenzpflicht beziehungsweise die Sachleistungen beziehungsweise die Geldleistungen.
    Klein: Residenzpflicht - da geht es aber um das Staatsangehörigkeitsrecht und nicht um das Asylrecht?
    Ulbig: Ja, da geht es darum: Wir haben ja derzeit eine räumliche Beschränkung von Asylbewerbern und Geduldeten, wo die einen bestimmten Bereich nicht verlassen sollen beziehungsweise verlassen können, und da geht es darum, eine entsprechende Lockerung vorzunehmen. Wir haben ja gerade gesehen, dass es doch im Bereich der Asylbewerber einen Run auf die großen Städte gibt, und da geht es jetzt darum, einen vernünftigen Ausgleich zu finden.
    "Darum kümmern, dass es den Menschen in diesen Ländern besser geht"
    Klein: Für die Grünen geht es aber vor allen Dingen auch darum, dass die drei Balkan-Staaten, um die es immer wieder ging, nicht als sichere Herkunftsstaaten einzuordnen seien, vor allen Dingen nicht nur, aber auch gerade wegen der Situation der Roma dort. Das heißt, erwarten Sie an der Stelle, dass die Union da noch nachgeben wird?
    Ulbig: Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, denn Sie haben es ja in der Anmoderation gesagt: Wir haben bei den steigenden Asylbewerberzahlen immerhin ein Fünftel, 20 Prozent von Asylbewerbern aus diesen Ländern. Und wenn wir uns das genauer anschauen, dann müssen wir ganz klar sagen: Erstens, es gibt dort keine politische Verfolgung, aber zugegebenermaßen zweitens, ja, gerade den Roma in diesen Ländern geht es besonders schlecht. Die haben besonders schwierige Situationen. Deshalb ist aus meiner Sicht die Lösung tatsächlich darin, diese Länder als sichere Herkunftsländer zu bestimmen, damit ein klares Zeichen zu setzen, ein Anspruch auf Asyl wegen politischer Verfolgung kann in Deutschland nicht geltend gemacht werden, aber wir müssen uns zweitens gemeinsam aus europäischer Perspektive darum kümmern, dass es den Menschen in diesen Ländern auch besser geht.
    Klein: Sie würden dann einen Anspruch formulieren, aber die Realität, die ja in einer sehr schlechten Situation der Roma und durchaus auch in Verfolgung besteht, ignorieren. Das heißt, was ist denn daran nicht politisch, an der Situation der Roma, wenn Sie sagen, politische Verfolgung ist nicht gegeben?
    Ulbig: Schauen Sie, ich habe gesagt: Wir müssen unterscheiden zwischen der Situation der Menschen vor Ort und der Frage, ob sie in ihrem Herkunftsland politisch verfolgt werden, denn dann hat man Anspruch auf Asyl. Und wenn wir uns die Anerkennungsquoten anschauen aus diesen Ländern, dann liegen die unter ein Prozent, und da gibt es Länder wie Syrien, Irak, Afghanistan, wo es wirklich eine politische Verfolgung gibt. In Syrien haben wir eine Anerkennungsquote von 90 Prozent und nach meinem Verständnis müssen wir dafür sorgen, dass für diese Menschen, die wirklich politisch verfolgt werden, auch entsprechende Unterkünfte hier bei uns in Deutschland vorhanden sind.
    "Aus der europäischen Perspektive einen anderen Lösungsansatz finden"
    Klein: Ist es eigentlich menschlich vertretbar, diese Unterscheidung zu treffen zwischen politisch Verfolgten auf der einen Seite und solchen, die nur nicht politisch verfolgt sind, aber denen es schlecht genug in den Ländern geht?
    Ulbig: Wir haben weltweit circa 45 Millionen Flüchtlinge, und ich denke, bei dieser Diskussion ist ein Stück weit Ehrlichkeit vonnöten. Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass wir innerhalb von Deutschland oder innerhalb Europas die Probleme all dieser Menschen lösen könnten, sondern wir haben nach meinem Verständnis wirklich eine Verantwortung für diejenigen, die politisch verfolgt sind, und wenn diese über den Weg des Asylantrages kommen, müssen wir dafür sorgen, dass die Menschen ordentlich untergebracht werden, dass ihr Antrag auch entsprechend bearbeitet, anerkannt werden kann und dass diese Menschen dann bei uns integriert werden. Und für andere Länder, gerade für die Westbalkan-Staaten, müssen wir aus der europäischen Perspektive einen anderen Lösungsansatz finden, und der ist nach meinem, nach unserem Verständnis so zu sehen, dass man den Menschen in den Ländern hilft.
    Klein: Aber ein Argument der Grünen ist ja gerade, dass man, indem man diese Länder zu sicheren Herkunftsstaaten macht, oder sie als solche deklariert, eine Art Qualitätssiegel dort verleiht, das eigentlich den Tatsachen nicht gegeben ist, und die Grünen verweisen auch auf die Erfahrungen in Rumänien und Bulgarien, wo man bestimmte Kompromisse eingegangen ist und sich heute überlegt, ob das so richtig war. Das heißt, sicheres Herkunftsland ist ein Qualitätssiegel, das eigentlich nicht zutreffend ist?
    Ulbig: Mit dieser Art von Einstufung kann ich nicht leben. Wir müssen da wirklich genauer unterscheiden. Und es geht nur darum, ob die Menschen in ihrem Herkunftsland politisch verfolgt werden. Ich bin im letzten Jahr da unten gewesen, habe mich mit auch NGOs unterhalten, Menschen, die gerade für Roma Verantwortung tragen, und die sagen alle gleichermaßen, eine politische Verfolgung gibt es in diesen Ländern eben nicht. Deshalb ist es notwendig, dass wir dafür Sorge tragen, dass es den Menschen da unten besser geht. Wir haben gerade mit einem Schulprojekt gesprochen und da wird es eher als problematisch angesehen, dass sich durch die vermeintliche Möglichkeit, die es in Europa und Deutschland gibt, dass man Asyl bekommt, Familien mit mehreren Kindern auf den Weg machen, wochen-, monatelang in Asylunterkünften sind und am Ende doch wieder nach Hause geschickt werden. Stellen Sie sich mal so eine Situation vor. Die halte ich für deutlich problematischer und aus diesem Grunde muss wirklich an der Wurzel des Übels angepackt werden, und das ist aus meiner Sicht in diesen Ländern. Deswegen müssen wir aus europäischer Perspektive dafür sorgen, dass es den Menschen da unten besser geht und dass sie sich überhaupt nicht, auch nicht aus wirtschaftlicher Situation auf den Weg machen müssen.
    100.000 Asylbeweber mehr
    Klein: Viele, die uns zuhören, denken vielleicht, besser wäre es, sie könnten hier bleiben bei uns, auch wenn sie nicht politisch verfolgt wären. Ein Argument ist ja, dann aber auch zu sagen, die Kommunen sind überlastet. Nur da könnte ja Abhilfe geschaffen werden, eben auch vonseiten der Bundesregierung.
    Ulbig: Aber schauen Sie, wir hatten letztes Jahr circa 127.000 Asylbewerber. In diesem Jahr rechnen wir mit 220.000. Das sind fast 100.000 Menschen, die in einem Jahr mehr nach Deutschland kommen werden. Deshalb müssen wir schon darüber nachdenken, wie ist auch die Möglichkeit der Unterbringung gegeben. In den Städten, in den Landkreisen wird fieberhaft gesucht und man schaut, welche Räumlichkeiten können noch hergerichtet werden, und aus diesem Grunde müssen wir auch darüber nachdenken und deutlich sagen an der Stelle: Diejenigen, die eben keinen Anspruch haben, die sollten gar nicht erst zu uns kommen und damit auch die Kapazitäten nicht in Anspruch nehmen, die Menschen aus anderen Ländern brauchen, wo sie wirklich politisch verfolgt werden.
    Klein: Der Bundesrat stimmt heute über eine Reform des Asylrechts ab. Ob es dafür eine Mehrheit gibt, das ist bis zur Stunde noch nicht klar. Die Grünen haben Widerstand angekündigt. Das war heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk der Innenminister des Freistaates Sachsen, Markus Ulbig von der CDU. Ich bedanke mich für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.