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Asylrecht
Bundesrat für Verschärfung

Der Bundesrat hat die umstrittene Verschärfung des Asylrechts beschlossen. Sie stand bis zuletzt auf der Kippe. Möglich war der Beschluss durch die Zustimmung der Grünen aus dem grün-rot regierten Baden-Württemberg. Ministerpräsident Winfried Kretschmann verteidigte die Zustimmung.

19.09.2014
    Eine Roma-Familie auf dem Gelände eines Berliner Flüchtlingsquartiers.
    Eine Roma-Familie auf dem Gelände eines Berliner Flüchtlingsquartiers. (picture alliance / dpa / Hannibal Hanschke)
    Nach Worten des grünen Regierungschefs hatte die Bundesregierung vor der Abstimmung "substanzielle Verbesserungen" für Flüchtlinge garantiert. Dabei gehe es unter anderem um das Residenz- und Arbeitsrecht. Asylbewerber sollen sich demnach schon nach den ersten drei Monaten in Deutschland frei bewegen dürfen - bisher gilt für sie eine strikte Residenzpflicht. Außerdem sollen sie leichter und schneller eine Arbeit aufnehmen dürfen.
    Mehr Freiheiten für Flüchtlinge
    Das absolute Beschäftigungsverbot etwa wird laut Kretschmann auf die ersten drei Aufenthaltsmonate beschränkt - bisher sind es neun Monate. Außerdem wird die sogenannte Vorrangprüfung, wonach offene Stellen erst einmal mit geeigneten deutschen oder EU-Bürgern besetzt werden sollen, aufgeweicht. Wie Kretschmann weiter ausführte, ist zudem geplant, dass Flüchtlinge künftig vom Staat eher Geld bekommen sollen als Sachleistungen. Außerdem habe die Große Koalition versprochen, die Städte und Gemeinden bei der Aufnahme von Asylbewerbern stärker finanziell zu unterstützen.
    Schon vor der Bundesratssitzung hatte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die Entscheidung gerechtfertigt. Dies sei kein Kurswechsel seiner Partei in Sachen Asyl, sondern eine Einzelentscheidung. Er respektiere, dass andere Landesregierungen mit grüner Beteiligung zu anderen Ergebnissen gekommen seien. Bis zuletzt hatten CDU und SPD mit den Grünen über einen Kompromiss verhandelt - um die Pläne zu verabschieden, waren die Regierungsparteien auf eine Stimme aus einem grün-regierten Bundesland angewiesen.
    Beschluss sorgt intern für Verstimmung
    Ursprünglich wollten die Grünen im Bundesrat einheitlich votieren. Parteiintern sorgte der Alleingang Baden-Württembergs für Empörung. "Heute wurde das Menschenrecht auf Asyl für einen Appel und ein Ei verdealt", sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck. Er halte es für "unbegreiflich", dass nun Länder als "sichere Herkunftsstaaten" eingeordnet würden, in denen die Roma-Minderheit "massiven Diskriminierungen" ausgesetzt sei. Die Nachwuchsorganisation Grüne Jugend bezeichnete die Entscheidung Kretschmanns als fatal. Mitte der Woche hatte die Bundeschefin Simone Peter sich noch einmal gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung ausgesprochen.
    Im Kern sieht die Reform des Asylrechts vor, dass die Balkanländer Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sogenannte sichere Herkunftsländer eingestuft werden. In dem Fall wird es für deutsche Behörden leichter, Asylanträge aus diesen Staaten abzulehnen. Hintergrund ist, dass mehr und mehr Menschen aus den drei Ländern Asylanträge in Deutschland stellen, diese aber nur in sehr seltenen Fällen bewilligt werden. Die Neuregelung soll einen Antragsstau bei Behörden verhindern. Der Bundestag hatte den Plänen schon vor einigen Wochen zugestimmt.
    "Keine politische Verfolgung auf dem Balkan"
    Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) verteidigte die Pläne im Deutschlandfunk. Es sei richtig, die westlichen Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Den Menschen dort gehe es zwar wirtschaftlich schlecht, "eine politische Verfolgung gibt es dort aber nicht", so Ulbig.
    Die Europa-Abgeordnete der Grünen, Ska Keller, hielt im Deutschlandradio Kultur dagegen. Aus ihrer Sicht seien gerade Roma auf dem Balkan starken Diskriminierungen ausgesetzt. Verfolgung und Fluchtgründe gebe es nicht nur in Kriegsländern.
    (pr/stfr)