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Atemberaubende Stupsnase

Veterinärmedizin.- Bulldoggen, Boxer, Möpse: Hunderassen wie diese haben eine charakteristische kurze Stubsnase, durch die die Tiere oftmals zu wenig Luft bekommen. Nicht selten müssen die Hunde deshalb sogar operiert werden. Die Leipziger Kleintierklinik hat dafür ein spezielles Verfahren entwickelt.

Von Anna-Lena Dohrmann | 24.10.2011
    So klang Max vor der Narkose. Denn er leidet an dem sogenannten brachyzephalen Syndrom. Das heißt: Sein Kopf ist zu klein, seine Nase deshalb zu kurz und so fällt ihm das Atmen schwer. Jetzt liegt die zweijährige französische Bulldogge auf dem Operationstisch, ein vierköpfiges OP-Team um ihn herum. Professor Gerhard Oechtering leitet die Kleintierklinik Leipzig. Er hat sich seit vielen Jahren auf kurzköpfige Hunde spezialisiert. Mit einem Endoskop, also einer speziellen Kamera, die Oechtering durch das Nasenloch einführt, guckt er sich die Nase von innen an:

    "Okay, gut, dann gucken wir von vorne. Unser kleiner Schweizer Gast hier, der Max, hat wirklich das Problem an allen denkbaren Enden: Der Naseneingang ist vorne schlitzförmig eng, dann kommt dahinter ein ganz aufgetriebener dicker innerer Nasenflügel, der den sogenannten Nasenvorhof zumacht. Und dann sehen wir jetzt hier in der Nase lauter fehlgewachsenes Muschelgewebe, was also ganz klobig die Atemwege verlegt."

    Bei einem gesunden Hund sind die Nasenmuscheln wie die Rippen einer Heizung angeordnet. Sie bilden feine Lamellen aus, die dann von der eingeatmeten Luft umströmt werden. Doch bei Max ist dafür kein Platz, sodass kaum Luftspalten vorhanden sind. Das hat zwei Folgen: Erstens bekommt er sehr schlecht Luft – vergleichbar mit einem Menschen, der eine stark verstopfte Nase hat. Und zweitens: Die Wärmeregulation funktioniert nicht. Deshalb leidet Max im Sommer auch am stärksten. Denn der Hund kann nicht wie der Mensch über die Haut schwitzen. Er braucht dafür seine Zunge und seine Nase, so Oechtering:

    "Der Hund hat keine Schweißdrüsen. Der muss seine Wärme abgeben über die Nasenatmung. Der hat die ganze Hautoberfläche sozusagen analog in der Nase. Die Luft streicht über die Nasenoberflächen durch. Die sind feucht, die Hunde haben ganz spezielle Drüsen da drin in der Nase. Und da wird viel Wasser produziert und dann streicht der Wind drüber, die Einatemluft. Und diese Verdunstungskälte, die entsteht, kühlt das Blut."

    Doch genau das funktioniert nicht, wenn sich die Nasenmuscheln berühren. Deshalb entfernt Oechtering mit seinem Team ganze Nasenmuscheln oder Teile von ihnen – und zwar mithilfe einer Laserfaser. Das Licht an der Spitze der Faser hat ein paar hundert Grad und wird von der Chirurgin Riccarda Schünemann quasi als Messer benutzt.

    "Also ich bräuchte jetzt mal die Fasszange. Jetzt gucken wir mal, was hier mitkommt. Ja, da haben wir jetzt die Nasenmuschel. Also die ist jetzt circa – würde ich sagen - ein Zentimeter mal 2,5 Zentimeter und ist quasi dieses ganze Ding, was da die Nasenhöhle bei diesem Hund verstopft hat."

    Die Lasertechnik macht die Operation in der Nasenhöhle überhaupt erst möglich. Denn bei der herkömmlichen Methode mit Skalpell würden die Hunde verbluten. Doch durch die Hitze des Lasers koaguliert das Gewebe. Das heißt: Es schrumpft zusammen – ähnlich wie die Ränder eines Spiegeleis. Dabei schnurren auch die Gefäße zu. Es kommt also nicht zu großen Blutungen.

    Diese Leipziger Methode ist weltweit einzigartig. Seit mittlerweile sieben Jahren entwickeln die Chirurgen ihre Technik ständig weiter. Doch am liebsten möchte Oechtering diesen Hunden gar nicht durch eine Operation helfen müssen. Er kritisiert die Zuchtvereine:

    "Die Hunde, die hatten immer einen Beruf: Hütehunde, Schutzhunde, Wachhunde, Jagdhunde. Das war sozusagen auch die Auslese: Wer gut im Beruf war, mit denen wurde weiter gezüchtet. Und erst so in der Industrialisierung haben Hunde ihren Beruf verloren und jetzt wurde auf Schönheit gezüchtet."

    Und momentan ist das Kindchen-Schema modern: ein kleiner runder Kopf mit hervorstehenden Augen. Dass das auf Kosten der Gesundheit geht, wissen die wenigsten Tierbesitzer bevor sie sich so einen Hund anschaffen. Deshalb will Oechtering vor allem aufklären und diese Überzüchtung eindämmen. Doch bis das greift, wird sein Team noch viele aufwendige Operationen durchführen. Der kleine Max ist nach knapp drei Stunden aber erst einmal fertig:

    "So, jetzt sauge ich hier noch die letzten Blutkoagel aus dem Rachen ab und dann sind wir fertig und der Hund kann aufwachen."