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Atemlos

Medizin.- Gleich drei neue Studien zu Athma sind in der vergangenen Woche publiziert worden. Doch die Ergebnisse darin wirken keinesfalls neu: Lebensmittelallergien hängen mit Asthma zusammen, gestresste Eltern sollen das Asthma ihrer Kinder verschlimmern und auch die einzunehmende Cortisondosis wird erneut in Frage gestellt.

Von Martina Preiner | 26.10.2010
    Ansätze zur Asthmatherapie gab es schon viele. Vor acht Jahren zum Beispiel, da träumten Forscher wie Harald Renz, Professor für Immunologie an der Universitätsklinik Marburg, von einer sogenannten Schmutzimpfung gegen Allergien und Asthma.

    "Damit nimmt man also Keime, die werden dann etwas aufbereitet, und damit versucht man dann das Immunsystem so zu kräftigen, dass sich Allergien nicht entwickeln. Das ist natürlich erst ganz am Anfang, da muss noch viel – auch klinische Forschung Patienten – durchgeführt werden, bevor wir das als eine Art Allergieimpfung propagieren können. Aber toll wär's natürlich schon."

    Toll wär's auch gewesen. Aber die Idee der Schmutz-Hyposensibilisierung zerplatzte im Endeffekt wie eine Seifenblase. Statt zu lindern, riefen die verabreichten Wirkstoffe teilweise noch stärkere Asthmaanfälle hervor. Schuld an Asthma ist ein chronischer Entzündungsprozess in den Atemwegen. Dieser wird meist lokal mit entzündungshemmendem Cortison behandelt. Francine Ducharme, Professorin am Universitätsklinikum St. Justine in Montreal, hat kürzlich zusammen mit ihren Mitarbeitern eine Studie herausgebracht, die die Cortison-Therapie genauer betrachet. Ducharme weiß, wie schwer es ist, Asthma genau zu verstehen.

    "Je mehr man forscht, desto mehr Fragen ergeben sich daraus. Unsere Studie zum Beispiel wirft die Frage auf, ob eine Erhöhung der Cortisondosis bei schwerem Asthma überhaupt etwas bringt. Bisher ist diese Behandlungsweise üblich, aber es kann auch sein, dass es Zufall ist, wenn die Zahl der Asthmaanfälle durch eine höhere Dosierung sinkt. Denkbar ist aber auch, dass wir einfach alle Patienten zu sehr über einen Kamm scheren und viel mehr beachten müssten, was das Asthma auslöst. Das können Allergien sein, aber genauso gut andere Erkrankungen, die nichts mit Allergien zu tun haben. Ausgehend von dieser Erkenntnis können wir dann anfangen, die Behandlungen zu verbessern."

    Bei immerhin einem von zehn Patienten geht Asthma nicht mit einer Allergie einher. Andererseits legen zahlreiche Studien einen kausalen Zusammenhang zwischen Allergien und Asthma nahe. Dazu passt, dass sowohl Allergien als auch Asthma ähnliche Ursachen haben. Beide werden durch überempfindliche Entzündungsreaktionen im Körper hervorgerufen. Auf molekularbiologischer Ebene können Forscher die beiden Erkrankungen trotzdem noch nicht hundertprozentig verbinden. Das heißt aber nicht, dass es keine Fortschritte in der Asthmaforschung gibt.

    "Anti-IgE zum Beispiel war doch eine ganz große Errungenschaft. Denn es war nach langer Zeit, nachdem wir unsere Asthmamedikamente eingesetzt hatten – und wir haben ja nicht so wahnsinnig viele – doch ein ganz neuer Wirkansatz."

    Dr. Andrea Koch, Leiterin der Lungenheilkunde in der Uniklinik Köln. Seit inzwischen fünf Jahren gibt es den Wirkstoff Anti-IgE. Er unterbindet Entzündungen in den Atemwegen anders als Cortison. Das war eine wichtige Entwicklung, denn bei fünf Prozent der Asthmatiker wirkt Cortison nur schlecht oder gar nicht. Außerdem hilft Anti-IgE – so wie Cortison – nicht nur bei Asthma, sondern auch bei vielen Allergien. Unterm Strich weist also alles auf eine direkte Verbindung zwischen Asthma und Allergien hin. Nur das Phänomen der nicht-allergischen Asthmatiker passt nicht ins Bild. Und genau das macht die Wissenschaftler vorsichtig: Asthma wird durch viele, teils unbekannte Faktoren beeinflusst.

    "Die Asthma-Forschung geht in einer Seite komplett in die genetische Richtung, und forscht nach dem Asthma-Gen. Sie sucht einfach ein Gen, das sie verhaften kann. Und die andere Seite geht komplett auf die Umweltfaktoren und guckt halt, welche Umweltfaktoren sind besonders schädlich für Asthmatiker, aber auch zur Auslösung von Asthma?"

    Im Endeffekt trägt jeder Asthmapatient durch eine Mischung aus genetischen und äußeren Einflüssen seine individuelle Form der Krankheit mit sich herum. Und die lässt sich nicht so einfach in Schubladen stecken.