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Athen braucht keine "direkte finanzielle Unterstützung"

Griechenland hat Deutschland aufgerufen, in der Schuldenkrise ausdrücklich seine Solidarität zu bekunden. Nötig sei eine klare Botschaft an die Finanzmärkte, dass Athen volles Vertrauen entgegengebracht werde, sagte Vize-Außenminister Droutsas. Direkte finanzielle Unterstützung wolle man dagegen nicht.

Dimitris Droutsas im Gespräch mit Jochen Spengler | 04.03.2010
    Jochen Spengler: EU-Kommission und Bundesregierung waren des Lobes voll und auch die Europäische Zentralbank hat das von der griechischen Regierung angekündigte neue Sparpaket begrüße. Die Währungshüter in Frankfurt am Main sprachen von überzeugenden zusätzlichen und dauerhaften Konsolidierungsmaßnahmen. Morgen in Berlin bei Bundeskanzlerin Merkel zu Gast der griechische Premier- und Außenminister Giorgos Papandreou. Im Deutschlandfunk heute Morgen am Telefon der Vizeaußenminister Griechenlands, Dimitris Droutsas. Guten Morgen, Herr Droutsas.

    Dimitris Droutsas: Guten Morgen, Herr Spengler.

    Spengler: Was erwarten Sie von der morgigen Begegnung zwischen Frau Merkel und Herrn Papandreou?

    Droutsas: Zunächst einmal ein sehr gutes Gespräch. Ich glaube, es ist eine ausgezeichnete Möglichkeit für den griechischen Premierminister, für Herrn Papandreou, Frau Merkel nochmals darzustellen, wie die neue griechische Regierung – ich darf daran erinnern, dass wir erst vier Monate im Amt sind – diese schwierige Wirtschaftssituation, die wir geerbt haben, in Griechenland zu meistern versuchen, mit einem wirklich seriösen, mit systematischer Arbeit vorbereiteten Maßnahmenpaket. Erst gestern haben wir in einer außerordentlichen Ministerratssitzung in Griechenland, in Athen weitere Maßnahmen beschlossen und angekündigt.

    Spengler: Herr Droutsas, wenn ich Sie kurz unterbrechen darf. Das Paket, was sie da gestern beschlossen haben, fünf Milliarden Euro soll gespart werden, wird man es schaffen, das Haushaltsdefizit damit in diesem Jahr von 12,7 auf 8,7 Prozent zu senken, oder wird es weitere Sparpakete geben müssen?

    Droutsas: Wir sind guter Hoffnung, dass dieses Maßnahmenpaket, dieses zusätzliche Maßnahmenpaket ausreichen wird. Wie Sie bereits gesagt haben, das Ziel für 2010 für Griechenland, für die griechische Regierung ist, unser Haushaltsdefizit von 12,7 auf 8,7 zu beschränken, das heißt also vier Prozentpunkte einzusparen. Wir sind sehr optimistisch, dass wir durch die richtige Umsetzung dieses Maßnahmenpaketes hier dieses Ziel erreichen können für 2010. Das ist unsere Verpflichtung und das ist auch etwas, was die griechische Regierung wirklich sehr ernst unternimmt.

    Spengler: Nun braucht Griechenland bis Mai aktuell 20 Milliarden Euro, um die Schulden zu bezahlen. Woher soll das Geld kommen?

    Droutsas: Darum geht es ganz genau. Wir sind gezwungen, wie leider viele andere Staaten, auch viele andere EU-Partner, in den internationalen Finanzmärkten hier Darlehen, Anleihen zu erhalten, und das ist genau der Zweck und das ist genau dort, wo wir auch die Hilfe, die Unterstützung, die Solidarität unserer EU-Partner brauchen, dass eben diese Anleihen, die Griechenland aufnimmt von den internationalen Finanzmärkten, nicht zu teuer werden. Ich darf Ihnen vielleicht nur ein kurzes Beispiel nennen, um auch unseren Zuhörern dies es vielleicht etwas deutlicher und anschaulicher zu machen. Heute muss Griechenland für einen Kredit, für eine Anleihe von fünf Milliarden Euro 750 Millionen Euro mehr an Zinsen zahlen, als dies Deutschland tun würde, würde Deutschland ein ähnliches Darlehen aufnehmen. Das sind die sogenannten "Spreads", die sehr hoch sind für Griechenland, und das sind wir hier bemüht hinunterzuschrauben, und dafür brauchen wir eben das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte. Dazu dienen diese Maßnahmen, die wir ergriffen und angekündigt haben, und dafür ist es auch notwendig, dass uns unsere EU-Partner und insbesondere EU-Mitglieder wie Deutschland hier unterstützen und ihre Solidarität kund machen.

    Spengler: Herr Droutsas, meinen Sie mit Unterstützung auch finanzielle Unterstützung, also direkte Zahlungen?

    Droutsas: Das darf ich klarstellen. Griechenland, die griechische Regierung hat zu keiner Zeit von seinen EU-Partnern direkte finanzielle Unterstützung verlangt. Dies ist nicht nötig, dies braucht Griechenland nicht. Wir können, wir wollen aus eigener Kraft unseren Staatshaushalt wieder sanieren. Was wir allerdings brauchen von unseren EU-Partnern und von so wichtigen EU-Partnern wie Deutschland, ist eine ausdrückliche, klare Solidaritätskundgebung, eine ausdrückliche, klare Nachricht, Signal an die internationalen Finanzmärkte, dass hier Griechenland und der griechischen Regierung volles Vertrauen ausgesprochen wird.

    Spengler: Warum wenden Sie sich nicht an den Internationalen Währungsfonds?

    Droutsas: Wir sind Mitglied der Europäischen Union, der Euro-Zone, des Euros. Wir wollen und wir müssen hier aus eigener Kraft und mit Hilfe und Unterstützung unserer EU-Partner den Ausweg finden, und das ist unsere Bemühung und wir sind optimistisch, dass wir dies auch schaffen werden.

    Spengler: Im Deutschlandfunk der Vizeaußenminister Griechenlands, Dimitris Droutsas. – Herr Droutsas, Sie haben ein heftiges Sparpaket beschlossen. Ich möchte noch mal darauf zurückkommen. Die Renten für Beamte und Angestellte werden eingefroren, es gibt Steuererhöhungen für Alkohol, für Tabak, im öffentlichen Dienst wird das 13. Gehalt um 30 und das 14. Gehalt um 60 Prozent gekürzt. Werden Ihre Landsleute das einfach hinnehmen?

    Droutsas: Es ist sicherlich eine nicht angenehme Situation für meine Mitbürger in Griechenland. Die Regierung appelliert natürlich an das Verständnis unserer Mitbürger. Es sind harte Maßnahmen, es sind harte Zeiten für den griechischen Bürger. Wir wollen dies und wir glauben, dies auch im Dialog mit unseren Mitbürgern bewältigen zu können.

    Spengler: Wissen die Griechen, dass es in einem vergleichsweise reichen Land wie Deutschland im öffentlichen Dienst kaum noch ein 13. und schon gar kein 14. Gehalt mehr gibt?

    Droutsas: Wie gesagt, das sind strukturelle Bedürfnisse auch in Griechenland. Das Durchschnittsgehalt ist auch, wenn wir schon den Vergleich mit Deutschland anstellen, in Griechenland für einen öffentlich Bediensteten viel niedriger, und aus diesem Grund sind Angelegenheiten wie 13., 14. Monatsgehalt für den Griechen etwas sehr, sehr wichtiges und daher auch etwas sehr, sehr sensibles. Deswegen glaube ich – und das zeigt die Seriosität und auch die Bereitschaft, den Willen der Regierung, hier wirklich seriöse Maßnahmen zu setzen -, dass die Regierung nicht gezögert hat, auch solch sensible Punkte anzugreifen.

    Spengler: Wir hören jetzt in letzter Zeit sehr viele Berichte, wir lesen viele Berichte aus Griechenland, und da ist oft die Rede von Schmiergeld, ohne das wenig geht, von Steuern, die kaum einer zahlt. Jeder vierte Erwerbstätige stehe im Dienst des Staates, es gäbe reiche Reeder, die sich arm rechnen. Wie will man so ein System, so das denn stimmt, und davon gehe ich mal aus, wie will man so ein System, so eine Mentalität ändern, ohne eine Revolution?

    Droutsas: Wir sind uns bewusst, dass sich in der Vergangenheit in der griechischen Öffentlichkeit einige Mentalitäten etabliert haben, die eben zu diesen misslichen Umständen für die griechische Ökonomie, für die griechische Wirtschaft geführt haben. Sie haben recht und das ist eines der großen Vorhaben dieser Regierung, auch solche Mentalitäten zu ändern. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Viel Arbeit, seriöse Arbeit liegt vor uns, aber diese Regierung ist wirklich willens, dies zu tun. Und darf ich vielleicht ein letztes sagen in diesem Zusammenhang. Es ist eine schwierige Krise für Griechenland, aber wir hoffen, diese Krise nicht nur meistern zu können, sondern diese Krise auch als eine Chance zu sehen und zu verwerten, nämlich das Griechenland von morgen aufzubauen.

    Spengler: Herr Droutsas, darf ich Ihnen eine letzte Frage stellen? Es steht um das griechisch-deutsche Verhältnis derzeit nicht zum besten. Wieso wollen Ihre Landsleute Kritik aus Deutschland, Ratschläge nicht so gerne hören?

    Droutsas: Darf ich zunächst einmal sagen, dass ich glaube, dass das Verhältnis zwischen unseren beiden Ländern, Griechenland und Deutschland, nach wie vor ein sehr gutes ist, und ich glaube, das wird auch im morgigen Gesprächstreffen zwischen Herrn Papandreou und Frau Merkel sehr deutlich zu Tage treten. Es ist nicht so, dass die griechische Bevölkerung hier keine Ratschläge hören will, ganz im Gegenteil. Nur darf man bitte nicht außer Acht lassen, dass der griechische Bürger wirklich vor einer sehr großen Herausforderung steht. Er ist sich im Klaren, dass harte Zeiten auf ihn zukommen. Es ist nur so, dass er in letzter Zeit nicht Ratschläge, sondern mehr Kritik hört, und häufig wird diese Kritik auch in Tönen ausgedrückt, die auch zu Missverständnissen führen können. Das kann manchmal auch die Emotionen hochschwellen lassen, aber nochmals: Ich glaube, dass zwischen Griechenland und Deutschland die Beziehungen so eng und so gut sind. Viele Deutsche kennen, glaube ich, Griechenland auch sehr gut und ich glaube, das ist die beste Grundlage für eine stete gute Zusammenarbeit und für gute Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern.

    Spengler: Dimitris Droutsas, stellvertretender Außenminister Griechenlands. Danke für das Gespräch.

    Droutsas: Ich danke Ihnen!