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Athen muss "seine Hausaufgaben auch erledigen"

Die Demonstrationen in Athen dürfe man nicht überbewerten, meint Gunther Krichbaum (CDU). Die von Griechenland geforderte Sparpolitik sei "sehr hart", so der Vorsitzende des Bundestags-Europaausschusses. Aber Solidarität sei "keine Einbahnstraße". Athen müsse seine Reformzusagen einhalten.

Gunther Krichbaum im Gespräch mit Bettina Klein | 09.10.2012
    Bettina Klein: Mitgehört hat Gunther Krichbaum, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender im Europaausschuss. Guten Morgen, Herr Krichbaum.

    Gunther Krichbaum: Schönen guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Beginnen wir damit: wie sehen Sie die Demonstrationen heute, ein Affront gegen die Kanzlerin?

    Krichbaum: Also ich denke, man sollte die Dinge zunächst nicht überbewerten. Ich halte es nicht nur für eine gute Geste von Angela Merkel, jetzt nach Griechenland zu reisen, denn ich bin sehr davon überzeugt, dass die große Anzahl der Griechen das sehr wohl zu schätzen weiß, und die Regierungen waren ihrerseits natürlich in einem ständigen Dialog. Sie haben sich ja auch nicht nur in Athen getroffen, sondern an vielen anderen Orten. Aber ich denke, es ist wie gesagt auch ein gutes Signal.

    Klein: Zu schätzen weiß das die Bevölkerung? Die Bilder, die uns erreichen von den Protestdemonstrationen, sprechen natürlich eine etwas andere Sprache.

    Krichbaum: Es sind natürlich tatsächlich viele Demonstrationen jetzt im Augenblick. Aber auf der anderen Seite: wie gesagt, ich mahne auch etwas dazu, die Dinge nicht überzubewerten. Der Großteil der Bevölkerung weiß natürlich, dass die Reformen sehr hart sind, sie bekommen ja auch diese Reformen zu spüren. Aber auf der anderen Seite muss man auch immer wieder dazu sagen, und da scheint auch Herr Riexinger Ursache und Wirkung miteinander zu verwechseln: das Land hat über viele Jahre über seine Verhältnisse gelebt, es hat nicht davon Notiz genommen, was sich um das Land herum alles getan hat, und das rächt sich jetzt eben und jetzt muss man wieder schauen, wie man auf die Füße kommt. Deswegen muss natürlich Athen zunächst seine Hausaufgaben auch erledigen und abarbeiten. Auf der anderen Seite gibt es aber auch die Solidarität, dass man das Land nicht fallen lässt.

    Klein: Nun gilt Angela Merkel als Protagonistin dieser harten Sparpolitik, und genau daran entzündet sich ja die Kritik an ihr und auch an der Politik der Europäischen Union insgesamt, dass der Eindruck entstanden ist, es geht nicht, gleichzeitig Reformen umzusetzen und diesen sehr starken, sehr harten Sparkurs weiter durchzusetzen. Sind Sie der Meinung, dass dies weiter verfolgt werden muss, ohne Abstriche in den kommenden Monaten und Jahren?

    Krichbaum: Also zunächst ist das nicht der Sparkurs von Angela Merkel, sondern es gibt hier die Troika, die ihrerseits die Voraussetzungen prüft, damit auch dann nachher die Hilfstranchen ausgereicht werden können. Das ist alles in europäischer Hand und nicht in der Hand einer einzelnen Regierung. Auf der anderen Seite muss natürlich eine jede Regierung, die ja letztlich auch an den Hilfsmaßnahmen mit beteiligt ist, wissen, es sind die Gelder der Steuerzahler des eigenen Landes. Deswegen ist es nicht mehr als richtig, dass hier darauf geachtet wird, dass auch die Gelder natürlich nachher ihre entsprechende Verwendung finden und die Zusagen, die Reformzusagen des Landes auch eingehalten werden. Solidarität ist hier keine Einbahnstraße.

    Klein: Es klang gerade im Interview mit Bernd Riexinger an, seine Kritik an der griechischen Regierung, an der griechischen Führung, und er sagt ganz klar, wir unterstützen diese Führung, diese Regierung nicht darin, wie sie zum Beispiel mit Millionären und Milliardären umgeht, wenn die einfach das Geld ins Ausland schaffen, während der Rest der Bevölkerung ziemlich darbt und große Einsparungen hinnehmen muss. Ist das ein Kritikpunkt, den die Kanzlerin heute ansprechen wird?

    Krichbaum: Nun, ich weiß tatsächlich nicht, was die Kanzlerin alles ansprechen wird, aber dazu gleich zwei Bemerkungen. Zum einen ist es natürlich wichtig und richtig, dass hier Griechenland selbst sein Steuervollzugssystem aufbauen muss, denn der Staat hat Steueraußenstände von über 50 Milliarden Euro, die fehlen. Und es kann natürlich auch auf der anderen Seite nicht sein, dass hier Gelder aus anderen Ländern, aus Europa nach Griechenland fließen als Hilfszusagen, wenn auf der anderen Seite nicht die zustehenden Gelder, die dem Staat zustehenden Gelder, eingetrieben werden. Hier bestehen erhebliche Vollzugsdefizite und da muss das Land zunächst selbst auch dafür sorgen, dass diese beseitigt werden. Hier gibt es auch Unterstützungszusagen, insbesondere aus dem Bundesfinanzministerium, beim Aufbau einer funktionierenden Steuerverwaltung mitzuhelfen.
    Zweite Anmerkung: Es kann natürlich auch nicht sein, was Herr Riexinger hier betreibt, nämlich Innenpolitik vom Ausland aus zu betreiben. Dass er sich hier an Demonstrationen beteiligt, gewissermaßen da auch Öl ins Feuer gießt, das ist schon wirklich skandalös.

    Klein: Unter dem Strich: es wird so ein bisschen gerätselt, Herr Kirchbaum, was diese Solidaritätsadresse, als die sie ja gewertet wird, von Merkel bei ihrem Besuch in Athen heute eigentlich bedeutet. Wie verstehen Sie diese Reise? Mehr Zeit und mehr Geld, egal was kommt und was im Troika-Bericht Mitte November stehen wird?

    Krichbaum: Nein. Ich glaube, das wären völlig überzogene Erwartungen an den Besuch und das kann auch die Bundeskanzlerin überhaupt nicht leisten, denn die Reihenfolge ist in der Tat die, dass zunächst der Troika-Bericht abgewartet werden muss. Dann werden die Bewertungen vorgenommen. Es handelt sich wie gesagt immer noch um einen europäischen Verbund und nicht um eine einzelne Regierung. Letztlich ist es auch so: Sie wissen, dass gerade der Deutsche Bundestag in all diesen Angelegenheiten ein erhebliches Mitspracherecht hat, und deswegen ist es eben auch wichtig, die Reihenfolge einzuhalten. Ich denke, es ist zunächst ein gutes Signal, dass hier auch Deutschland sich Griechenland gegenüber solidarisch erweist – solidarisch, dass man hier auch aufeinander zugeht, dass man miteinander im Gespräch ist und nicht, wie es eben auch vielfach gedeutet wurde, dass man nur übereinander redet. Nein, man redet miteinander und das wird auch durch diesen Besuch deutlich.

    Klein: Im Gespräch bleiben ist immer gut. Aber noch mal nachgefragt mit Bitte um eine kürzere Antwort: Die Bevölkerung soll nicht darauf vorbereitet werden, dass Griechenland nicht nur mehr Zeit, sondern im Zweifel auch mehr Geld bekommen wird, egal was im Troika-Bericht steht?

    Krichbaum: Soweit Sie die Frage auf die deutsche Bevölkerung beziehen, kann ich sagen, nein!

    Klein: Gunther Krichbaum, CDU-Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender im Europaausschuss des Deutschen Bundestages, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Krichbaum.

    Krichbaum: Vielen Dank Ihnen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.