Freitag, 19. April 2024

Athleten kritisieren Spitzensportreform
"Es geht um den Athleten - aber ohne ihn zu fragen, was er will"

Die Spitzensportreform wühlt viele Leistungssportler auf. Einige beklagen während der 6. Sportkonferenz im Deutschlandfunk, dass ihre Meinung nicht gehört werde - obwohl es doch um sie gehe.

Nadine Apetz, Fabienne Kohlmann, Manuela Schmermund und Max Planer im Gespräch mit Matthias Friebe | 15.11.2016
    (v.l.) Deutschlandfunk-Redakteur Matthias Friebe, Läuferin Fabienne Kohlmann, Boxerin Nadine Apetz, Ruderer Max Planer und Sportschützin Manuela Schmermund
    (v.l.) Deutschlandfunk-Redakteur Matthias Friebe, Läuferin Fabienne Kohlmann, Boxerin Nadine Apetz, Ruderer Max Planer und Sportschützin Manuela Schmermund (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
    Die Sportschützin Manuela Schmermund, die an den Paralympics in Rio de Janeiro teilgenommen hat, ärgert sich über den Satz "Der Athlet steht im Mittelpunkt". Dieser Satz werde nicht mit Leben gefüllt. "Es geht um den Athleten - aber ohne ihn zu fragen, was er will", sagte Schmermund. Als Leistungssportler müsse man sich an zahlreichen Umfragen beteiligen, die unwichtig seien. "Aber warum kann man nicht bei so einer grundsätzlichen Geschichte, wo es um existenzielle Dinge geht, den fragen, den es betrifft?"
    Die Mittelstreckenläuferin und Olympiateilnehmerin Fabienne Kohlmann sagte, dass sie zwar ihre eigene Leistung und ihren Erfolg beeinflussen könne. "Aber wenn es um Strukturen des Verbandes geht, dann frage ich mich, inwiefern ich da im Mittelpunkt stehe und was ich da als Athletin bewegen kann."
    Boxerin Apetz: "Wieso erfahren wir davon als allerletzte?"
    Für die Boxerin Nadine Apetz ist die Spitzensportreform nicht das einzige Thema in dieser Hinsicht. Sie beklagte die mögliche Schließung ihres Leistungsstützpunktes - von der sie und andere Athleten im Radio gehört hätten. "Warum erfahren diese Athleten, die diese Maßnahmen betreffen, die gravierend in unser Leben eingreifen, davon als allerletzte?" An einem Wohnortwechsel hänge viel für sie, was ihr Studium angehe. "Dann müsste ich mich zwischen dem Sport und dem Studium entscheiden." Apetz promoviert zurzeit in Köln, und das habe im Zweifel Vorrang.
    Der Ruderer Max Planer, der mit seiner Mannschaft in Rio im Vierer ohne Steuermann den zwölften Platz belegt hat, berichtete vom Frust nach den Spielen. "Danach bin ich in ein mentales Loch gefallen. Es ist klar, dass man mit dem zwölften Platz nicht im Mittelpunkt steht." Er forderte ein bisschen mehr Unterstützung ein für die Sportler, die nicht so erfolgreich abgeschnitten hätten. Er kritisierte, dass viele Sportler ohne Medaille - im Gegensatz zu den erfolgreichen - sofort aus Rio hätten abreisen müssen.
    Schmermund: "PotAS als Unwort des Jahres"
    Die Sportschützin Schmermund sieht sich als Sportlerin auf einen Wert reduziert. "Für mich ist es eher so ein betriebswirtschaftlicher Abriss: 'Wie kann ich aus dem Humankapital das Bestmögliche herausholen?'" Sie sprach dabei Das Potenzialanalysesystem (PotAS) des DOSB an - das ist ein computerbasiertes Berechnungsmodell, das eine "erfolgsorientierte Bewertung der Zukunftschancen" in den nächsten zwei Olympiazyklen vornehmen soll. "PotAS hätte als Unwort des Jahres bei den Sportlern ganz gute Chancen", sagte Schmermund.