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Atomabkommen
Der Iran und die Bombe

Kein Bau von Atomwaffen – dazu hat der Iran sich in der "Wiener Vereinbarung“ 2015 verpflichtet, wenn im Gegenzug Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden. Letztes Jahr brachen die USA das Abkommen, nun droht der Iran das auch zu tun. Wissenschaftler befürchten das Wiederaufleben des Waffenprogramms.

Von Dagmar Röhrlich | 24.05.2019
Irans Präsident Hassan Ruhani besucht das Atomkraftwerk Bushehr
Irans Präsident Hassan Ruhani beim besuch eines Atomkraftwerkes im Jahr 2015. Damals hatte der Iran sich verpflichtet Atomkraft ausschließlich für friedliche Zwecke zu nutzen. (dpa / EPA/PRESIDENTIAL )
Robert Kelley vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI verfolgt die Vorgänge im Iran seit langem.
"Die meisten Iran-Analysten sind der Überzeugung, dass das Land mit Sicherheit in den 90er-Jahren mit der Entwicklung von Atomwaffen begonnen hat – wohl als Reaktion auf das irakische Programm. CIA-Dokumente und die Unterlagen, die israelische Agenten aus einem Lagerhaus in Teheran entwendet haben, beweisen, dass der Iran bis 2004 ein Atomwaffenprogramm verfolgt hat."
Dossier: Atomwaffen
Satellitenbilder belegen, dass sich die Aktivitäten nach 2004 verlangsamten oder stoppten. IAEO-Generaldirektor Yukiya Amano erklärte Anfang April auf einer Pressekonferenz:
"Für die Zeit nach 2009 gibt es keine glaubwürdigen Hinweise darauf, dass sie ihre Bemühungen fortsetzen."
Das Atomabkommen steht vor dem Aus
Als die Wiener Vereinbarung 2015 unterzeichnet wurde, besaß das Land fast 20.000 Zentrifugen zur Urananreicherung - und für acht bis zehn Bomben so hoch angereichertes Uran, dass es innerhalb von zwei oder drei Monaten auf die waffenfähigen 90 Prozent hätte gebracht werden können. Diese Bestände musste der Iran abgeben. Seitdem darf er Uran nur noch auf 3,67 Prozent anreichern, mit den ältesten und ineffizientesten Zentrifugen. Die hochmodernen stehen in einem versiegelten und von der IAEO kontrollierten Lager. Doch jetzt verkündete die Regierung in Teheran als Reaktion auf die Maßnahmen der USA, Teile der Vereinbarung auszusetzen. Interessant sei, dass Präsident Rouhani die intensiven Inspektionen bislang nicht gestoppt habe, urteilt Robert Kelley. Teheran drohe derzeit weder damit, den Nichtverbreitungsvertrag zu kündigen, noch die IAEO zu verlassen. Es sei von einer Intensivierung der Produktion sei die Rede, und einer höheren Anreicherung des Urans. Doch wie sicher kann man sein, dass der Iran nicht doch wieder heimlich an der Bombe baut?
"Es ist immer schwierig zu beweisen, dass etwas nicht passiert. Die bekannten Anlagen werden intensiv überwacht. Doch auch ein versteckter Reaktor arbeitet nicht im Vakuum. Man muss das Uran fördern, es zu Reaktorbrennstoff anreichern, in den Geheimreaktor bringen. Ein Zyklus, an dessen Ende eine Waffe steht, ist komplex und es gibt viele Möglichkeiten aufzufallen, was dann ernste Konsequenzen hätte."
Das Material fehlt, aber die Kompetenz ist da
Hans Kristensen von der Federation of American Scientists schreibt auf Anfrage in einer mail, dass der Iran derzeit nicht die Kapazitäten für den Bau einer Bombe habe.
"Um die zu bauen, müsste auch die Forschung an einem funktionierenden Sprengkopf wieder aufgenommen und dieser Sprengkopf dann in eine Rakete oder ein anderes System integriert werden. Außerdem müssen Atomtests durchgeführt werden, um zu beweisen, dass es funktioniert."
Allein hochangereichertes Uran für eine Bombe zu bekommen, dauere mindestens ein Jahr - und die anderen Schritte sehr viel länger. Prinzipiell aber ist Robert Kelley von SIPRI überzeugt:
"Die Informationen, die die Israelis mitgenommen haben, zeigen, dass sie sehr kompetent sind. Ich verfolge ihre wissenschaftliche Literatur, und die Menschen an den Universitäten und Instituten leisten gute wissenschaftliche Arbeit. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie in der Lage sind, selbst eine Bombe zu entwickeln."