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Atomausstieg praktisch

Der Atomausstieg ist nicht kostenlos zu haben, warnen vor allem die Gegner. Am Montag hat die Bundesregierung ein Bündel Maßnahmen beschlossen, mit dem sie zum Beispiel Hausbesitzern Anreize für mehr Wärmedämmung geben wollen.

Von Philip Banse | 31.05.2011
    Für die Verbraucher bedeuten die energiepolitischen Pläne der Bundesregierung mehr Licht als Schatten, sagt der Energieexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbandes Holger Krawinkel. Gemeint ist vor allem die energetische Sanierung von Häusern. Das Marktanreizprogramm wird weiter geführt, dass heißt, der Staat fördert auch weiterhin, wenn Hausbesitzer erneuerbare Energiequellen wie Solarzellen installieren. Mehr Geld, nämlich 1,5 Milliarden Euro, will die Bundesregierung ausgeben für die KfW-Kredite, das sind Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau mit günstigen Zinsen für alle, die ihr Haus komplett oder teilweise sanieren. Allerdings sind diese billigen Kredite für viele Hausbesitzer schwer zu verstehen und der finanzielle Vorteil mitunter überschaubar, sagt Holger Krawinkel. Deswegen lobt er den Plan der Regierung, Sanierungskosten für Eigenheim von der Steuer absetzen zu können

    "Die Bürger und Bürgerinnen, die in den Vorstädten oder auf dem Land wohnen, haben natürlich jetzt sehr gute Möglichkeiten, durch die steuerliche Absetzbarkeit der energetischen Sanierung ihr Gebäude deutlich energiesparender zu gestalten. Sie haben aber auch durch die anderen Fördermöglichkeiten die Chance, ihren Strom selber zu erzeugen, sei es durch Photovoltaik oder kleine Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen im Keller. Das ist sicher ein ganz interessanter Weg und der wird - da bin ich mir ziemlich sicher - von vielen Verbrauchern auch angenommen."

    In der Stadt werde Fernwärme sehr attraktiv und könnte viel Geld und CO2-Emissionen sparen. Vermieter sollen zukünftig nicht nur zwei Prozent der Investitionen in energiesparende Sanierungen von der Steuer absetzen können, sondern bis zu zehn Prozent. Für Mieter bedeuten solche Sanierungen mit neuen Fenstern und besserer Dämmung höhere Mieten, denn der Vermieter kann elf Prozent der Sanierungskosten auf die Miete drauf schlagen. Allerdings sinken danach die Heizkosten, so dass der Mieter die Chance hat, unterm Strich weniger auszugeben. Gleichzeitig aber bedeutet der Atom-Ausstieg aber, dass das gesamte Deutsche Energiesystem umgebaut werden muss. Regierungspolitiker wie Wirtschaftsminister Phillip Rösler, FDP, suggerieren zwar, dass die Energiepreise stabil bleiben:

    "Wir haben das Ziel Versorgungssicherheit im Blick, auch die Versorgungssicherheit der deutschen Wirtschaft. Das geht bis zur Frage Brennstoffelementesteuer, wo auch klar wird, dass man hier auf der einen Seite nicht zu Steigerungen bei den Verbrauchern kommt und die Industrie entlastet. Das ist ein guter Kompromiss für die Energiepolitik und die Industrie in Deutschland."

    Doch viele Experten rechnen, damit, dass Strom teurer werden wird. Davor warnt etwa der oberste Lobbyist der Atomindustrie, Ralf Güldner, Chef des Deutschen Atomforums:

    "Wir müssen massiv in erneuerbare investieren in Deutschland, wir müssen massiv in den Ausbau der Netze investieren. Das wird zu Kostenbelastungen führen, die Strompreise werden steigen, wir reduzieren die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland."
    Die Energie-Ökonomin des Deutschen Instituts für Wirtschaftforschung, Claudia Kemfert, geht davon aus, dass eine vierköpfige Familie im Jahr 40 bis 70 Euro mehr für Strom wird zahlen müssen. Ob und wie stark der Strompreis durch den Atomausstieg steigt, hänge davon ab, welche erneuerbaren Energien zukünftig eingesetzt werden, sagt Holger Krawinkel von der Verbraucherzentrale. Er plädiert dafür, vor allem Windkraft auf dem Land stärker auszubauen - etwa mit Bürgerwindparks und mehr Hoheiten für die Kommunen:

    "Dann habe ich äußerst geringe Erzeugungskosten, das könnte auf plus minus null raus gehen. Wenn ich aber auf teure Erzeugungsarten setze, insbesondere Offshore-Energie und Photovoltaik, wird es eben deutlich teurer."

    Energiesparen wird daher immer wichtiger. Die Regierung will daher für Elektrogeräte strengere Vorschriften machen - Waschmaschinen und Kühlschränke könnten also teurer werden, verbrauchen aber eben auch weniger Strom.