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Atomausstieg
Streit um Kostenübernahme geht weiter

Heute wurde über die Schadensersatzklage von RWE für die Abschaltung seines Kraftwerks Biblis verhandelt. Im Streit um den Atomausstieg wehren sich die Konzerne gegen die Übernahme der vollen Kosten. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission soll bis Ende Februar klären, welche Akteure wie viel Geld für den Ausstieg aufbringen können.

Von Benjamin Dierks | 17.12.2015
    Luftaufnahme des RWE-Atomkraftwerks Biblis bei Biblis am Rhein
    Der Energiekonzern RWE will Schadenersatz für das abgeschaltete Atomkraftwerk Biblis in Südhessen (dpa / picture-alliance / Thomas Muncke)
    "Wir erleben aber im Moment die Diskussion so, dass zumindest einige es gerne hätten dass vom grundsätzlichen Verursacherprinzip und damit der Haftung der Abfallverursacher, der Akw-Betreiber abgewichen werden soll und hier tatsächlich jetzt ein Verhandlungsergebnis erzielt werden soll, wonach dann auch der Staat und damit die Steuerzahler einen Teil der Kosten übernehmen soll und das ist etwas, was wir grundsätzlich ablehnen."
    Sagt Thorben Becker vom Umweltverband BUND. Die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs wurde im Oktober von der Bundesregierung eingesetzt. Bis Ende Februar soll sie klären, wie die Kosten des Atomausstiegs verteilt werden. In den Anhörungen kommen Experten und Beteiligte zu Wort. Die vier großen Energiekonzerne Eon, EnBW, Vattenfall und RWE hatten in der letzten Anhörung Ende November gefordert, dass die Kosten von Staat und Unternehmen gemeinschaftlich getragen werden. Sie argumentieren, dass die Unternehmen sich zwar mit der Nutzung der Atomkraft in Deutschland dazu verpflichtet hätten, für Betrieb, Abbau und Entsorgung der Kraftwerke zu sorgen. Die Regierung trage allerdings die Verantwortung für den Bau von Zwischen- und Endlagern. Und da vor allem ein Endlager noch nicht existiere, seien die Kosten unabsehbar. Das habe der Staat zu verantworten. Schließlich habe Berlin den Atomausstieg beschlossen.
    "Es steht in den Gesetzen, dass eben die Energiebetreiber natürlich für die Entsorgung zuständig sind und sie zu finanzieren haben, der Staat das aber zu organisieren hat, und jetzt geht es darum, wie viel können sie tatsächlich auch in eine aktuelle konkrete Kasse hineingeben, damit das Geld auch dann zur Verfügung steht, wenn es gebraucht wird, das heißt, wenn die Endlagerung tatsächlich ansteht. Das wird ja noch einige Jahrzehnte dauern, bis wir tatsächlich zur Endlagerung kommen."
    Rückstellungen reichen nicht
    Die SPD-Politikerin Monika Griefahn ist Mitglied der Kommission. Einem Gutachten für das Bundeswirtschaftsministerium zufolge wird der Atomausstieg zwischen 29 Milliarden und 77 Milliarden Euro kosten. Derzeit haben die vier großen Energiekonzerne gut 38 Milliarden zurückgelegt. Ob das Geld reicht, ist also nicht klar. Außerdem ist fraglich, ob die Unternehmen das Geld flüssig haben werden, wenn es gebraucht wird. Denn die halten die Summe nicht in Cash vor, sondern in Beteiligungen, die ihren Wert zu verlieren drohen.
    "Ob es Müllverbrennungsanlagen, Atomkraftwerke sind, die werden ihren Wert natürlich verlieren. Und da ist die Frage, welches Geld haben wir tatsächlich zur Verfügung um hinterher die Endlagerung auch praktisch umsetzen zu können, langfristig und sicher."
    Deswegen müsse das Geld jetzt gesichert werden, sagt Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace:
    "Daher schlagen wir die Überführung der Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds vor und es den Konzernen zu entziehen, weil die Erfolgsaussichten, die Geschäftsmodelle der Konzerne sind im Moment nicht sehr rosig, ist die Gefahr, wenn man das jetzt nicht schnell macht, dass man in wenigen Jahren noch viel weniger Substanz haben wird."
    Trittin: "Die Zeit drängt"
    Vor der Kommission wird neben Gewerkschaften und Betriebsräten heute auch ein Vertreter des Branchenverbands BDEW sprechen und die Situation der Energiewirtschaft schildern. Der Verband weist darauf hin, dass viele Energiekonzerne in einer schwierigen Lage seien, weil sie wegen der Versorgungssicherheit noch herkömmliche Kraftwerke betreiben müssten. Die würden sich aber immer weniger lohnen. Die Kommission muss also die Konzerne für die Finanzierung in die Pflicht nehmen, ohne sie daran pleitegehen zu lassen. Und die Zeit drängt, warnt Grünen-Politiker Jürgen Trittin, einer der drei Vorsitzenden der Kommission:
    "Man kann nicht zuwarten, man muss eine Lösung finden, sonst stehen alle mit leeren Händen da, das Verursacherprinzip läuft leer, und die Frage einer gesicherten Finanzierung des Umgangs mit dem gefährlichsten Müll, den die Menschen je produziert haben, bleibt ungeklärt."