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Atomkraftwerk Hinkley Point
Britische Regierung spielt auf Zeit

In Deutschland gilt die Atomkraft schon längst als Auslaufmodell. Nicht so in Großbritannien. Dort sollen Kernkraftwerke auch künftig einen Teil des britischen Energiebedarfs decken. Doch nun gibt es Ärger um das Projekt in Hinkley Point an der Westküste Englands.

Von Gerwald Herter | 29.07.2016
    Eine Brachfläche mit einem Warnschild, das einen Bagger und auf englisch den Text "Vorsicht! Planierarbeiten" zeigt
    Der Ort, an dem das Atomkraftwerk Hinkley Point C gebaut werden soll. (AFP / Justin Tallis)
    Das Festzelt am Hinkley-Point-C blieb leer, die chinesischen Vertreter sind wieder abgereist, EDF-Verantwortliche waren gar nicht erst gekommen und auch die Mitglieder der britischen Regierung blieben in London. Völlig überraschend hatte Energieminister, Greg Clarke, dort gestern Abend per Presse-Erklärung mitgeteilt, dass sie erst in einigen Wochen entscheiden wird, ob sie die Verträge unterzeichnet.
    Clark ließ keinen Zweifel daran, dass Kernkraftwerke auch künftig einen Teil des britischen Energiebedarfs decken sollen. Aus seinem Ministerium hieß es jedoch, die Verträge umfassten mehrere tausend Seiten, die Prüfung erfordere Zeit. Außerdem habe der französische Präsident Hollande, der britischen Regierungschefin May bei einem Treffen in dieser Woche einen Aufschub angeboten. Trotzdem spricht die Labour-Opposition bereits von "Chaos". Journalisten spekulieren, ob das Milliardenprojekt überhaupt noch zustande kommt. Der Umwelt- und Energiefachmann Malcom Grimstone, vom Londoner Imperial College geht immer noch davon aus, dass EDF die Hinkeley-Point-C-Reaktoren bauen wird:
    "Wir müssen jetzt schnell in irgendetwas investieren, denn so viele unserer Kraftwerke gehen vom Netz. Am großen Rahmen hat sich nichts geändert. Zudem haben sich Vertreter der Regierung noch in den letzten zwei Wochen sehr positiv zum Projekt geäußert."
    Chinesischer Investor soll etwa ein Drittel der Kosten übernehmen
    Ja oder nein zur Kernkraft – diese Debatte spielt in Großbritannien auch in Zusammenhang mit Hinkley keine allzu große Rolle. Im Vordergrund stehen die hohen Investitionen, finanzielle und technische Risiken. Die Kosten sind auf 21,5 Milliarden Euro veranschlagt worden, 18 Milliarden Pfund. Kritiker befürchten jedoch, dass sie auf 30 Milliarden Pfund steigen könnten. Zudem wird die Abnahme von Strom zu Preisen garantiert, die mehr als doppelt so hoch sind, als derzeit auf dem Markt. Der britische Umwelt- und Klimaexperte Tom Burke hat für verschiedene Regierung gearbeitet. Aus seiner Sicht wäre es tatsächlich besser, alles zu stoppen:
    "Hinkley ist eine ziemlich schlechte Idee, kein guter Beitrag zur Energiesicherheit, trotzdem werden unsere Stromrechnungen teurer. Wir werden in einer Technologie des 20. Jahrhunderts gefangen sein, statt auf moderne Technik zu setzen, die besser, billiger und schneller ist."
    Ein chinesischer Investor soll etwa ein Drittel der Kosten übernehmen. Die China Nuclear Power Cooperation würde dadurch in Groß-Britannien Fuß fassen, ob sie ein verlässlicher Partner ist, muss sich aus Sicht der Kritiker jedoch erst noch herausstellen.