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Atomkraftwerk Isar 1
Aufwändiger Abriss

1979 wurde das Atomkraftwerk Isar 1 in Betrieb genommen, seit drei Jahren liegt es still und verursacht Kosten. Der Betreiber EON will Isar 1 so schnell wie möglich abreißen, doch ausgerechnet Umweltschützer wehren sich gegen einen überhasteten Rückbau - der wäre zu gefährlich.

Von Susanne Lettenbauer | 30.07.2014
    Die Sonne geht in Niederaichbach (Niederbayern) hinter dem Kühlturm auf dem Gelände der Isar-Kernkraftwerke auf.
    Die Sonne geht in Niederaichbach (Niederbayern) hinter dem Kühlturm auf dem Gelände der Isar-Kernkraftwerke auf. (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
    Der klotzige Bau des AKW Isar 1 wirkt unscheinbar. Gut 30 Jahre lang bis 2011 lieferte Isar 1 jedes Jahr rund sieben Gigawattstunden Strom. Ginge es nach dem Betreiber EON dann wäre in zwei Jahrzehnten hier wieder grüne Wiese. 900 Megawatt-Leistung, die könne man nicht einfach abreißen, sagt Hubert Barthel vom Bund Naturschutz:
    "Wir sagen, man sollte erst mal Alternativen prüfen, man könnt einen sicheren Einschluss planen, man könnte den sicheren Abriss planen, also wie geht es mit der Stilllegung weiter, wurde ja nicht gemacht. Wir haben gesagt, an sich darf man mit dem Abriss des Reaktors erst beginnen, wenn das Zwischenelemente-Lager, also das Nasselemente-Lager, das ja die radioaktiven Brennelemente enthält, erst geräumt ist, man kann doch nicht unten anfangen zu sägen und zu bohren und zu schweißbrennen, wenn das alles noch mit radioaktivem Material gefüllt ist. Auch da haben wir kein Gehör gefunden."
    Bei dem Erörterungstermin konnten Umweltverbände und Anwohner ihre Bedenken und Anmerkungen dem Betreiber mitteilen. Er und seine Kollegen hätten das Treffen fast mitten drin abgebrochen, sagt der Naturschützer:
    "Wir haben auch festgestellt in den Antragsunterlagen, dass da unterschiedliche Angaben gemacht werden, was hoch radioaktiv ist, was abgebaut werden soll, also ein genauer Zeitplan liegt nicht vor."
    Betonmüll nicht als Sondermüll
    Was der Bund Naturschutz vor allem kritisiert ist die Aussage des Betreibers, dass der Betonmüll nicht als Sondermüll behandelt werden soll, sondern ganz normal als Schutt weiterverwendet werden kann:
    "Wir sagen uns, also Bauschutt freimessen? Wie wollen sie diese zigtausende Tonnen im Detail durchmessen? Da werden, so vermute ich, Plausibilitätsannahmen gemacht, also die große Gefahr, dass dann doch dieses Material freigemessen wird und - das wurde uns dann auch bestätigt - wenn freigemessen wurde, dann ist es normaler Bau Müll, geht auf den Lastwagen und geht dann irgendwie in Straßenschotter, in Kellerverfüllung."
    Bayerns Umweltminister Marcel Huber kann die Einwände der Naturschutzverbände nicht nachvollziehen. Der Antrag werde gemäß dem Atomgesetz geprüft und bei Unklarheiten nicht genehmigt. Dass der Stromkonzern EON das AKW schnellst möglichst rückbauen will, kann er verstehen. Denn wer wird in 50 oder 70 Jahren noch das Wissen haben, wie diese Anlage von 1979 funktioniert? Die Bedenken vom Bund Naturschutz hinsichtlich radioaktiver Abfälle sieht er gelassen:
    "Dass 90 Prozent des Materials von so einer Anlage überhaupt nicht strahlend ist, muss man wissen und dass für die Lagerung dieser schwach und mittelradioaktiven Abfälle eine Entsorgungsmöglichkeit da sein muss, gehört zum Verfahren dazu. Steht ja ab 2019 Schacht Konrad zur Verfügung, wo diese Dinge untergebracht werden sollen."
    Finanzielle Mittel zu knapp bemessen
    In der Bundesregierung wird mittlerweile befürchtet, dass die finanziellen Mittel der Stromkonzerne für den Rückbau zu knapp bemessen sein könnten. Rund 36 Milliarden Euro stehen derzeit zur Verfügung. Oppositionspolitiker fordern, einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzuführen, in den die Rückstellungen überführt werden. Geschehe dies nicht, müsste der Steuerzahler irgendwann einspringen, so die Befürchtung. Bayerns Umweltminister widerspricht:
    "Also der Rückbau wird nicht eigentlich vom Betreiber finanziert, sondern er wird vom Betreiber finanziert, weil er gesetzlich dazu verpflichtet ist. Andere Lösungen, die angedacht werden kann man schon diskutieren, aber aus unserer Sicht ist eine ganz klare Voraussetzung gegeben: Es darf nicht so werden, dass Lasten für Rückbau oder Lagerung dann die Allgemeinheit zu tragen hat."
    Nur wenige hundert Meter weiter, in Niederaichbach zeigt sich die Meinung in der Bevölkerung gespalten. Einige wollen sich gar nicht äußern, weil Familienmitglieder im AKW arbeiten, andere haben resigniert:
    "Das wird eingeschlossen, jetzt hab ich gehört, die haben nicht genug Castoren, ja keine Ahnung, wie man so was bewerkstelligen kann, wenn das Material nicht da ist.

    Ich bin dafür dass es abgerissen wird, da können wir morgen tot sein, wenn es hoch her geht. Sorgen mache ich mir schon, dass mal noch irgendwas passieren könnte, aber ansonsten habe ich nicht viel zu sagen. Es ist denen ihre Entscheidung, ob sie es abreißen oder nicht."