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Atompoker in Lausanne
"Keine Alternative zum Verhandeln"

Trotz der zähen Verhandlungen um ein Atom-Abkommen mit dem Iran hat sich Unionsfraktionschef Volker Kauder für eine Fortführung der Gespräche ausgesprochen. Wenn es zu keiner Übereinkunft komme, mache der Iran, was er wolle, sagte Kauder im Deutschlandfunk.

Volker Kauder im Gespräch mit Christine Heuer | 02.04.2015
    Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder
    Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder (dpa / picture-alliance / Maurizio Gambarini)
    Dies könne nicht im Interesse des Westens und der Region sein. Es gebe deshalb keine Alternative zu den Verhandlungen. Notwendig sei ein Abkommen, das eine strikte und klare Kontrolle des iranischen Atomprogramms vorsehe, betonte der CDU-Politiker.
    Der Unions-Fraktionschef hatte tags zuvor in Jordanien das Flüchtlingslager Zaatari besucht, in dem 85.000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien leben. Kauder zeigte sich beeindruckt, dass inzwischen eine Stadt mit kompletter Infrastruktur entstanden sei. Doch sei die Stimmung im Lager von Hoffnungslosigkeit geprägt. "Die Menschen sind deprimiert", so Kauder.
    "Ägypten ist keine Militärdiktatur"
    In seinen Gesprächen mit dem jordanischen König und dem ägyptischen Präsidenten Al-Sisi hätten diese betont, der Kampf gegen die IS-Terrormiliz sei zuvorderst ein arabischer. Ägypten spiele als Partner in der Region eine bedeutende Rolle. "Ägypten ist keine Militärdiktatur", betonte der Unions-Fraktionschef.
    Kauder bekräftigte sein Ja zur Ausrüstung kurdischer Kämpfer im Kampf gegen den IS mit deutschen Waffen. "Das würde ich wieder so tun", so Kauder. "Man kann nicht zusehen wie IS die Jesiden abschlachtet". Zur Debatte um die Qualität des Sturmgewehrs G36 äußerte sich der CDU-Politiker zurückhaltend. "Es gibt keinen Anlass für Schnellschüsse".

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: In Lausanne wird immer noch verhandelt. Immer noch gibt es keine Einigung im Atomstreit mit dem Iran. Und ob ein Abkommen überhaupt zustande kommt, selbst das ist offen. Am Telefon in Jordanien begrüße ich den Vorsitzenden der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Volker Kauder.
    Volker Kauder: Guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Der Iran, das Abkommen, über das in der Schweiz verhandelt wird, das ist immer noch nicht zustande gekommen. Glauben sie noch an eine Einigung?
    Kauder: Na ja, das ist mit dem Glauben ein bisschen schwierig. Wir sehen ja, dass wir seit Jahren verhandeln, und jetzt war man der Meinung, man sei auf einem guten Weg, und wieder wird es hinausgezögert. Es gibt aber zum Verhandeln keine wirklich gute Alternative und deswegen kann man nur hoffen, dass man doch noch zu einem Ergebnis kommt. Hier in der Region, in der ich gerade bin, in Ägypten und Amman, setzt man auch darauf, dass man zu Ergebnissen kommt. Aber man sagt auch, es dauert schon sehr lange, mit kritischem Unterton.
    "Dann macht der Iran, was er will"
    Heuer: Die Geduld schwindet. Aber ich verstehe Sie richtig: Sie denken im Grunde, jedes Abkommen ist besser als gar keins?
    Kauder: Nein, so kann man es nicht formulieren. Es kommt schon darauf an, was der Inhalt des Abkommens ist. Aber solange wir in Verhandlungen sind, gibt es noch die Chance, Einfluss zu nehmen. Wenn die Verhandlungen abgebrochen werden und wir zu keinem Ergebnis kommen, dann macht der Iran, was er will, und das kann nicht in unserem Interesse liegen und schon gar nicht im Interesse dieser Region hier, wo auch Israel natürlich massive Interessen hat.
    Heuer: Israel warnt ja dringlich vor einem Abkommen. Da würden Sie aber sagen, Israel wird sich schon daran gewöhnen, wenn wir eines haben?
    Kauder: Ja. Deswegen kommt es natürlich darauf an, dass wir schon zu einem Abkommen kommen, das klar sagt, es wird keinen Atomaufbau für militärische Zwecke geben. Die strikte, klare Kontrolle durch die zuständige Behörde in Wien, all dies muss natürlich vereinbart werden, und da sehe ich noch nicht den Durchbruch.
    "Es ist sehr deprimierend, was man dort erlebt"
    Heuer: Sie sind, Herr Kauder, in der Region unterwegs. Sie waren gestern im Flüchtlingslager Zaatari. Mit welchen Eindrücken kehren Sie, wenn Sie heute zurückkehren, nach Berlin zurück?
    Kauder: Vom Flüchtlingslager auf der einen Seite beeindruckt, was dort bisher schon geleistet worden ist. Es ist eine Stadt mit 85.000 Einwohnern, mit Einkaufsmöglichkeiten, Krankenhaus, Gesundheitsversorgung, Wasser, Abwasser, Strom, alles. Aber die Menschen sind deprimiert. Ich habe mit Menschen aus Syrien gesprochen, die ihre kleine Landwirtschaft verlassen haben mit vier Kindern und sehr wohl wissen, dass die Perspektive zur Rückkehr nicht so schnell sein wird, die sich einrichten, die aber ein Leben ohne Perspektive vor sich haben, verlorene Jahre, wie sie formulieren. Es ist sehr deprimierend, was man dort erlebt.
    Ich habe mit Präsident Al-Sisi in Ägypten gesprochen, mit dem König Abdullah in Jordanien, und habe dort eine interessante Vorstellung erhalten. Beide haben gesagt, der Kampf gegen IS ist zunächst und in erster Linie ein Kampf der arabischen Länder und der islamischen Länder, nicht in erster Linie ein Kampf, den der Westen führen muss und auch nicht soll, sondern sie brauchen Unterstützung. Aber sie sagen, wir müssen den Kampf gegen den islamistischen Terror aus unserer Kultur und aus unserer Religion heraus führen, damit nicht wieder der Vorwurf kommen kann, der Westen kommt wieder mal in einer Invasion über unsere Region.
    "Das war richtig, würde ich wieder tun"
    Heuer: Trotzdem hat der Westen - er wurde ja auch um Hilfe gebeten - Hilfe geleistet. Im Kampf gegen den IS hat Deutschland zum Beispiel den kurdischen Peschmerga ja mehrere Tausend Sturmgewehre vom Typ G36 geschenkt, eine Waffe, die bei hohen Temperaturen, wie wir jetzt wissen, nicht präzise zielt. War das, Herr Kauder, eine gute Hilfe?
    Kauder: Zunächst einmal war es völlig richtig und das wird auch hier in Ägypten und Jordanien so gesehen, dass wir Kräfte vor Ort natürlich ausstatten und ausrüsten. Jordanien selber braucht auch Unterstützung und Hilfe, dass aber dann von den Kräften vor Ort die militärische Hauptaktion geführt wird. Natürlich braucht man auch die Unterstützung aus der Luft durch die Vereinigten Staaten. Dass wir den Kurden Waffen gegeben haben, war deren Wunsch und war auch richtig und das würde ich wieder befürworten. Dass die Waffen natürlich funktionieren müssen, ist völlig klar. Darüber kann ich aber jetzt keine Aussage machen. Wir haben beispielsweise ein Erfolgsmodell, das ist die Milan-Rakete, eine panzerbrechende Waffe, den Kurden zur Verfügung gestellt und damit haben sie auch Erfolge erzielen können. Es ist immer eine Frage, kann man in Krisenregionen Waffen liefern, aber man kann auch nicht zuschauen, wie beispielsweise IS die Jesiden abschlachtet, und die Kurden waren bereit, dort einzugreifen und dafür zu sorgen, dass sich die Dinge ändern. Ja, das war richtig, würde ich wieder tun.
    Heuer: Lassen Sie uns trotzdem noch kurz bei dem Waffentyp bleiben. Ursula von der Leyen sagt ja, das Sturmgewehr G36 habe ein Präzisionsproblem. Heckler & Koch, die Firma, die es herstellt und die in Ihrem Wahlkreis liegt, sagt, das stimmt nicht. Wem glauben Sie denn mehr?
    Kauder: Wir haben klare Untersuchungsergebnisse, die Ursula von der Leyen vorlegt. An diesen Untersuchungsergebnissen habe ich keinen Grund zu zweifeln. Es gab ja auch durchaus Berichte, dass es Probleme gab bei besonderen Temperaturen, und die Berichte nehme ich natürlich ernst und die Konsequenzen müssen jetzt daraus gezogen werden. Das Sturmgewehr galt immer als eine besondere Präzisionswaffe, als deutsche Wertarbeit. Dass nun solche Ergebnisse herauskommen, ist natürlich nicht schön, um es mal vorsichtig zu formulieren.
    Heuer: Herr Kauder, um diesen Teil schnell abzuschließen, noch eine ganz kurze Frage dazu. Gehören zu den Konsequenzen, die Sie ansprechen, auch Schadensersatzforderungen?
    Kauder: Das kann ich jetzt von hieraus nicht beurteilen. Da muss erst mal überhaupt festgestellt werden, sind Schäden entstanden und welche. Frau von der Leyen hat gesagt, dass sie dies prüfen wird. Diese Prüfung muss man abwarten. Um es im Bild zu lassen: Für Schnellschüsse gibt es hier keinen Anlass.
    "Ägypten ist keine Militärdiktatur"
    Heuer: Dann sprechen wir noch einmal über den Kampf gegen den Islamischen Staat. Sie werben, haben das auch gerade getan bei uns jetzt hier im Interview, für eine engere Partnerschaft mit Ägypten. Ägypten ist aber eine Militärdiktatur, in der Wahlen immer wieder verschoben werden, in der die Pressefreiheit eingeschränkt wird, in der die Todesstrafe inflationär ansteigt. Kann man einen solchen Staat wirklich als Stabilitätsanker bezeichnen, so wie Sie das tun?
    Kauder: Frau Heuer, da muss ich schon zunächst einmal widersprechen. Ägypten ist keine Militärdiktatur. Der Präsident Al-Sisi wurde in einer demokratischen Wahl gewählt. Das hat nun mit Militärdiktatur nichts zu tun.
    Heuer: Jetzt warten die Ägypter aber gerade ziemlich lange auf Neuwahlen.
    Kauder: Die Parlamentswahlen waren, es wurde schon ein Parlament gewählt, das wurde vom Verfassungsgericht aufgelöst wegen Mängel bei der Wahl. Es wurde ein neues Gesetz vorgelegt, das wurde nun wieder vom Verfassungsgericht beanstandet. Es sollen auch jetzt Neuwahlen durchgeführt werden. Wir haben aber auch andere Länder, mit denen wir eng zusammenarbeiten, in denen demokratisch gewählte Parlamente ebenfalls nicht vorhanden sind.
    Heuer: Saudi-Arabien zum Beispiel. Die Frage ist ja, Herr Kauder: Sind das wirklich die richtigen Partner, oder müssen wir mit diesen Partnern gehen, weil wir keine besseren, effektiveren haben?
    Kauder: Ich finde, dass wir allen Grund haben, Ägypten auf dem Weg in eine moderne Demokratie zu begleiten, Ägypten nicht allein zu lassen. Ich habe zu dem, was Präsident Al-Sisi sagt im Kampf gegen IS, was er sagt, wie er sein Land in eine gute Zukunft führen will, dass er gerade keine Macht der Militärs will und er sagt, wir müssen in Ägypten stabile Verhältnisse schaffen, damit die Militärs gerade nicht eingreifen. Das wird noch ein längerer Weg sein, aber auf diesem Weg sollten wir Ägypten begleiten. Ich sehe durchaus eine ganze Reihe von Hinweisen, dass Ägypten auf einem guten Weg ist, und es wäre schön, wenn es gelingen könnte, in dieser Region ein Land aufzubauen, das unseren demokratischen Ansprüchen entspricht.
    "Sie werden aber auch dort getötet, wo wir nichts unternehmen"
    Heuer: Saudi-Arabien tut das im Zweifel nicht, unseren demokratischen Ansprüchen genügen, aber Saudi-Arabien führt jetzt die arabische Streitmacht gegen die Islamisten an. Sie haben das begrüßt, Herr Kauder, aber bei den Angriffen im Jemen - das lesen wir jeden Tag - werden immer wieder Zivilisten getötet. Ist das im Sinne des Erfinders?
    Kauder: Es werden leider Gottes viel zu viele Menschen getötet im Augenblick. Sie werden aber auch dort getötet, wo wir nichts unternehmen. Und wenn ich daran denke, was IS in Mossul angerichtet hat, wo wirklich nur Zivilisten getötet und umgebracht, versklavt wurde, dann kann man nur sagen, das ist alles eine dramatische Situation und wir müssen IS bekämpfen. Das geht nicht nur politisch, sondern da müssen militärische Aktionen stattfinden, wie wir jetzt gerade in jüngster Zeit gesehen haben. Es ist alles furchtbar. Wenn wir aber weiter zulassen, dass IS mordet, dann werden jeden Tag Tausende von Zivilisten umgebracht, aufgehängt, verbrannt, gekreuzigt. Das darf nicht sein.
    Heuer: Es hängt ja in der Region alles mit allem zusammen: ISIS in Syrien und im Irak, Boko Haram in Nigeria, den Jemen habe ich erwähnt, Libyen ist in Auflösung begriffen. Da entsteht ein staatlich nicht mehr kontrollierbarer islamistischer Moloch. Herr Kauder, nach Ihrer Reise jetzt, sind Sie hoffnungsvoll, dass die Welt dem tatsächlich etwas entgegenzusetzen hat, oder wird sich herausstellen, im Grunde ist man dagegen einfach machtlos, es ist zu viel an zu vielen Orten mit zu viel Kraft?
    Kauder: Ich war in der letzten Zeit häufiger in dieser Region und bin immer mit gemischten Gefühlen zurückgekehrt. Dieses Mal kehre ich optimistischer zurück, weil ich sehe, dass die arabischen Länder, islamische Staaten sagen, wir nehmen die Dinge nun in die Hand, wir setzen uns auseinander, nicht nur militärisch-politisch, sondern auch mit Argumenten, was beim Islam erlaubt ist und nach dem Koran und was nicht. Man nimmt die Dinge sehr ernst, weil man auch sieht, dass im Augenblick mehr Muslime umgebracht werden als Christen und andere Mitglieder von Religionsgruppen. Deswegen kehre ich optimistischer zurück. Wir müssen das, wie der jordanische König gesagt hat, gemeinsam tun, aber wir haben die größte Verantwortung dafür.
    Heuer: Der Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Volker Kauder. Herr Kauder, ich danke Ihnen für das Gespräch und ich wünsche Ihnen eine gute Rückkehr aus Jordanien nach Deutschland.
    Kauder: Danke, Frau Heuer! Tschüss!
    Heuer: Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.