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Atomverhandlungen mit dem Iran
"Ohne Abkommen keine Kontrolle"

Dass der Westen und der Iran verhandeln, ist für Omid Nouripour ein gutes Zeichen, denn ein Abkommen sei dringend nötig. "Für den Iran gibt es keinen schnelleren Weg zur Bombe, als wenn wir in Lausanne kein Ergebnis haben", sagte der Grünen-Außenpolitiker im Deutschlandfunk.

Omid Nouripour im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 31.03.2015
    Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen
    Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen (dpa / Hannibal Hanschke)
    Die Hauptarbeit stünde erst an, wenn es bei den Atomverhandlungen in Lausanne ein Abkommen gegeben habe, sagte Nouripour. "Da geht es dann darum, genau zu prüfen, was im Iran passiert und ob sich der Iran dran hält. Kein Abkommen heißt, dass es diese Kontrolle nicht gibt." Und dann könne das Teheraner Regime im Geheimen an einer Bombe bauen.
    "Der Iran ist zu weit"
    Der Iran habe in der Vergangenheit zwar wenig Gründe gegeben, um Vertrauen in ihn zu haben. Aber: "Wir wollen, dass der Iran die Bombe nicht bekommt. Nur mit einem Abkommen hat man Zugriff auf das, was im Iran passiert." Man brauche viele Möglichkeiten, um den Iran zu überprüfen. Dann könne neues Vertrauen aufgebaut werden.
    Es sei "realitätsfern", dem Iran überhaupt kein Atomprogramm zuzugestehen, sagte Nouripour. "Jedes Land hat das Recht auf ein ziviles Programm. Und der Iran ist zu weit, um ihm das Programm zu verweigern." Gebe es keine Einigung in Lausanne, würde der Iran ohne Abkommen nach Hause fahren, "hat aber immer noch das Programm".
    Sanktionen bleiben wirkungsvolles Druckmittel
    Nouripour ist froh, dass beide Seiten überhaupt wieder an einem Tisch säßen, das sei vor zwei Jahren noch undenkbar gewesen. "Es zeigt, dass der Wille da ist." Gegen den Iran gebe es international zurzeit militärisch keinerlei Optionen, auch nicht aus Israel. Die Sanktionen seien daher das größte Druckmittel, sagte Nouripour. "Die Tatsache, dass der Iran an den Verhandlungstisch zurückgekehrt ist, zeigt, dass die Sanktionen wirken."

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Eigentlich war der Wille spürbar, den Gordischen Knoten jetzt endlich zu durchschlagen. Seit dem Wochenende verhandeln die Außenminister der fünf UNO-Vetomächte und Deutschlands im schweizerischen Lausanne mit der iranischen Seite. Das Ziel: Ein Abkommen, mit dem das iranische Atomprogramm beendet, oder zumindest so zurückgefahren wird, dass ein Bau einer Atombombe nicht möglich ist. Die Zeit, sie drängt. Präsident Obama ist noch bis Ende 2016 im Amt und keiner weiß, wie die politische Lage in den USA dann sein wird. Bis heute um Mitternacht sollte deshalb ein Rahmenabkommen ausgehandelt werden. Doch ob diese Frist eingehalten werden kann, ist fraglich.
    Am Telefon ist jetzt bei uns Omid Nouripour von Bündnis 90/Die Grünen, dort außenpolitischer Sprecher. Schönen guten Morgen, Herr Nouripour.
    Omid Nouripour: Schönen guten Morgen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Dass es jetzt so hakt, ist das ein Fingerzeig dafür, dass das Abkommen möglicherweise doch nicht zustande kommt, oder eher ein Zeichen dafür, dass sich beide Seiten nichts geben und der Wille zur Einigung aber doch da ist?
    Nouripour: Na ja, ich bin so froh, dass sie überhaupt an einem Tisch sitzen. Das wäre vor zwei Jahren noch überhaupt nicht mehr denkbar gewesen. Und diese täglichen Bilder von John Kerry und Sarif, dem iranischen Außenminister, die sich die Hand geben, sind schon ein Schritt nach vorne und zeigen, dass der Wille da ist. Die Uhr tickt und ich kann nur hoffen, dass die Zeit bis zum letzten Augenblick gebraucht wird.
    Lieber kein Deal als ein schlechter Deal: "Das ist einfach schlicht falsch"
    Heckmann: Und Sie denken, dass es dann zu einem solchen Abkommen wirklich am Ende des Tages kommen wird?
    Nouripour: Ich hoffe sehr. Es gibt ja immer wieder diesen Satz, den man hört, den viele Leute sagen: Lieber kein Deal als ein schlechter Deal. Und das ist einfach schlicht falsch. Ein schlechter Deal würde bedeuten, dass man Schwierigkeiten hat, das Ergebnis zu verifizieren und zu überprüfen. Ein Nicht-Deal, wenn man keinen Deal mit dem Iran hätte, würde bedeuten, dass es keine Überprüfung mehr gibt, dass die Inspekteure nicht mehr ins Land können, aber dass im Iran die Zentrifugen weiterlaufen. Es gibt keinen schnelleren Weg des Irans zur Bombe, als wenn wir jetzt in Lausanne kein Ergebnis erzielen.
    Heckmann: Und Sie sagen allen Ernstes, besser ein schlechter Deal als kein Deal?
    Nouripour: Na ja, es ist ja grundsätzlich eine Vertrauensfrage. Es ist ja grundsätzlich so, dass, wenn es ein Abkommen gibt, es weiterhin nicht ganz klar ist, inwieweit sich die Iraner daran halten werden. Deshalb wird die Hauptarbeit beginnen, wenn es ein Abkommen gegeben hat. Die Arbeit wird noch kommen, die Hauptarbeit beginnt erst mit einem Abkommen, und da geht es darum, genau nachzuprüfen, genau zu schauen und alles daran zu setzen, dass man wirklich auch genau nachgucken kann, was im Iran passiert und ob der Iran sich an Abkommen hält. Kein Abkommen bedeutet, dass es alles das nicht gibt, und die Iraner werden einfach weiter ihr Uran anreichern und ohne Überwachung im Geheimen an einer Bombe bauen können, wenn sie denn wollen.
    Heckmann: Sie sagen, das ist eine Vertrauensfrage, diese Verhandlungen, auch ein Abkommen mit dem Iran. Aber hat Teheran nicht oft genug bewiesen, dass man eigentlich kein Vertrauen haben kann und darf, weil dieses Atomprogramm ja auch verdeckt und heimlich vorangetrieben worden ist?
    Nouripour: Die Tatsache, dass man mit dem Iran Sonderregeln braucht, die weit über das internationale Abkommen zur Nichtverbreitung von Atomwaffen hinausgehen müssen, ist ja eben, dass der Iran sehr, sehr häufig die Regeln gebrochen hat, und deshalb ist der Grund für Vertrauen nicht da. Das ist zweifelsfrei richtig. Aber wir wollen ja, dass der Iran die Bombe nicht bekommt, und deshalb muss man einen Rahmen finden, in dem man verifizieren kann, in dem man überprüfen kann, in dem man kontrollieren kann. Das ist ja das, worüber in Lausanne gesprochen wird. Tut man das nicht, hat man gar keinen Zugriff mehr auf das, was da im Iran passiert, und deshalb bin ich sehr der Meinung, dass man abschließen sollte und dass man natürlich schauen sollte, dass man viele Möglichkeiten hat zu überprüfen, und am Ende des Tages dann hoffentlich ein Ergebnis hat, das trägt, das auch ein paar Jahre trägt, über das dann doch wieder Vertrauen aufgebaut werden kann.
    "Es gibt kein militärisches Mittel"
    Heckmann: Ziel ist es ja, Sie haben es gerade erwähnt, das iranische Atomprogramm so einzudämmen, dass ein Bau einer Atombombe innerhalb von zwölf Monaten jedenfalls nicht möglich ist. Ich habe es auch gerade schon angedeutet: Teheran hat den Westen ja in der Vergangenheit jahrelang in die Irre geführt. Ist es nicht gefährlich, dem Iran überhaupt ein Atomprogramm zuzugestehen, wenn auch ein ziviles?
    Nouripour: Na ja. Das wäre realitätsfern, das nicht zu tun. Erstens gibt es internationale Regeln. Jedes Land, das im Rahmen der Vertragsgebung tatsächlich auch sich verpflichtet hat, hat das Recht tatsächlich auf ein ziviles Atomprogramm. Das ist das eine. Das Zweite ist: Der Iran ist einfach viel zu weit. Der Iran ist einfach viel zu weit vorangeschritten, als dass man jetzt sagt, wir wollen aber nicht, dass ihr ein Programm habt. Was passiert dann, wenn wir das sagen? Was passiert, wenn wir sagen, ihr dürft das Programm nicht haben? Die Iraner sagen, na gut, dann haben wir halt kein Abkommen und keine Vereinbarung. Dann gehen sie nach Hause und haben immer noch das Programm. Wir haben ja keine Druckmittel in dem Sinne, dass wir jetzt tatsächlich das denen sofort aus der Hand nehmen können, dass sie ein Atomprogramm haben.
    Heckmann: Wir haben keine Druckmittel, der Iran ist zu weit, also auch zu stark.
    Nouripour: Nein, nein, es gibt natürlich Druckmittel, aber es gibt keine schnellen Druckmittel.
    Heckmann: Das heißt, wir müssen uns unterwerfen? Der Westen, die Vetomächte müssen sich unterwerfen?
    Nouripour: Nein, nein, das ist nicht wahr. Es gibt ja natürlich Druckmittel. Das sind die langfristigen, das sind die Sanktionen. Aber es gibt ja kein militärisches Mittel. Sie finden keine ernst zu nehmenden Sicherheitsleute in keinem Land, die sagen, na ja, wir werfen jetzt Bomben und dann ist der Iran einfach atomwaffenfrei und atomprogrammfrei. Das gibt es ja nicht. Das heißt, wir haben ein Problem, dass wir langfristige Sanktionen haben, die wirken können auf der einen Seite, und die wirken ja bereits. Die Tatsache, dass der Iran an den Verhandlungstisch zurückgekehrt ist, hat ja auch sehr viel mit diesem Druck und mit den Sanktionen zu tun. Und sie haben auf der anderen Seite aber Zentrifugen, die laufen, und deshalb ist es wichtig, dass man eine Vereinbarung findet, mit der tatsächlich auch gut kontrolliert werden kann, was im Iran passiert.
    "Der Iran zieht Riesen-Selbstbewusstsein aus dem Desaster im Irak"
    Heckmann: Der Iran sieht sich ja als Regionalmacht. Es unterstützt die Huthi-Milizen im Jemen, die den gewählten Präsidenten dort vertrieben haben. Im Libanon unterstützt der Iran die Hisbollah, um nur zwei Standorte quasi zu nennen. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu, der wirft jetzt dem Westen und Russland vor, dass der Iran dafür jetzt auch noch belohnt werde.
    Nouripour: Na ja, das ist ja nicht ganz richtig, weil die Iraner haben halt ein sehr großes Selbstbewusstsein: Erstens, weil die sehen, dass unsere Druckmittel beschränkt sind, zweitens, weil sie sehen, dass die internationale Gemeinschaft, vor allem die, die da verhandeln, die fünf plus eins, nicht sehr einig sind. Dass die Russen und die Amerikaner mit am Tisch sitzen auf der einen Seite des Tisches, ist schon sehr bemerkenswert und sehr, sehr gut, aber ist nicht ein Beleg dafür, dass man keine Differenzen miteinander hätte. Und drittens ziehen sie ein Riesen-Selbstbewusstsein vor allem aus dem Desaster im Irak, was für sie, glaube ich, das wichtigste Land ist in der Region gerade. Es ist völlig richtig, dass die Iraner in so manchen Ländern eine sehr unrühmliche Rolle spielen. Sie haben in anderen Ländern wiederum auch gute Rollen gespielt, wie zum Beispiel in Afghanistan. Aber all das ist nicht ein Grund zu sagen, der Iran wird unser Partner, wenn es einen Deal gibt. All das ist ein Grund zu sagen, wir müssen ein Problem nach dem anderen versuchen zu lösen, weil wir nicht zu dem großen Wurf kommen können, und das größte Problem ist natürlich ein Land, das nach der Bombe strebt. Im Übrigen ist das Problem mit der Bombe nicht nur der Iran, sondern dass einige andere Länder bereits jetzt schon verkündet haben, dass sie sehr zügig nach dem Iran nach der Bombe greifen werden in der Region, und das wäre auf diesem Pulverfass draufgesetzt im Nahen Osten etwas, was wir uns jetzt die ganze Zeit schon anschauen müssen.
    Heckmann: Herr Nouripour, Sie haben gerade eben gesagt, es gibt niemanden, der wirklich ernst zu nehmen ist, der einen Militärschlag erwägen würde gegen den Iran. Würden Sie das auch für die israelische Regierung so formulieren?
    Nouripour: Ich habe das bisher so gehört, dass es seitens der Politik in Israel immer wieder gerade für die innenpolitische Debatte diese Aussage gibt. Aber wenn man genau hinschaut, wenn man sich anhört, was Militärs sagen, wenn man sich anhört, was die Sicherheitsdienste in Israel sagen, dann wird sehr, sehr klar: Macht, dass es nicht eine ernsthafte militärische Option gäbe und dass der höchste Gewinn der ganzen Geschichte tatsächlich wäre, dass der Iran ein paar Monate zurückgeworfen wird in dem Atomprogramm, und gleichzeitig gerade bei den regionalen Verwebungen, die Sie gerade beschrieben haben, es unklar ist, wie der Iran reagieren würde. Das heißt, der Schaden wäre sehr, sehr wahrscheinlich deutlich größer.
    Brief der US-Republikaner: "Eine Unverschämtheit"
    Heckmann: Die Republikaner in den USA, die sehen das ganz anders als Sie. Die wehren sich auch strikt gegen ein Atomabkommen mit dem Iran. Wäre ein solches Abkommen quasi eine Totgeburt? Es wurde ja schon angekündigt, dass das nicht ratifiziert würde und das ganze Rad auch wieder zurückgedreht würde, wenn Obama das Weiße Haus verlässt.
    Nouripour: Ich glaube, dass die amerikanischen Republikaner da einen riesengroßen Fehler machen. Der Brief, den 47 Senatoren unterzeichnet haben, an das iranische Regime war eigentlich eine Unverschämtheit, und zwar nicht nur, weil sie darin den eigenen Präsidenten desavouiert haben, sondern alle Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, mit dem Iran überhaupt zu verhandeln. Die sagen, dass sie nicht bereit sind, im Kongress irgendetwas zu geben. Die Iraner wissen das. Die Iraner wissen, dass die Sanktionen über die USA nicht alle aufgehoben werden von heute auf morgen, und die wissen, dass einiges, was tatsächlich die amerikanische Seite anbieten kann, nur unter Vorbehalt steht. Aber nichts desto trotz ist es für den Iran trotzdem ein Schritt nach vorne und der Druck nach innen würde auch kleiner werden, wenn die UN-Sanktionen aufgehoben werden würden und wenn vor allem die europäischen Sanktionen aufgehoben werden würden. Das ist der Grund, warum die überhaupt noch weiterhin am Tisch sitzen, und deshalb ist durchaus ein Abkommen weiterhin möglich.
    Heckmann: Das wird eine spannende Entwicklung, die interessant wird zu beobachten. Im Gespräch hier im Interview im Deutschlandfunk war das Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Herr Nouripour, danke Ihnen für Ihre Zeit!
    Nouripour: Ich danke Ihnen, Herr Heckmann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.