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Atomwaffenlager Büchel
Hoffen auf endgültige Abrüstung

Im Zentrum der diesjährigen Ostermärsche steht die Kritik am Ukraine-Krieg, an der Terrormiliz "Islamischer Staat“, an Auslandseinsätzen der Bundeswehr und an Atomwaffen. Besonders in Büchel, Deutschlands einzigem Atomwaffenlager, wollen die Demonstranten ein Zeichen setzen.

Von Anke Petermann | 04.04.2015
    Demonstranten blockieren am 11.08.2013 alle Tore des Fliegerhorstes in Büchel (Rheinland-Pfalz). Mit der Aktion demonstrieren sie gegen die auf dem Stützpunkt noch immer gelagerten US-amerikanischen Atombomben.
    Demonstranten vor dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz. (picture alliance / dpa / Thomas Frey)
    "Meine Familienwurzeln lagen vor 300 Jahren exakt hier", sagt Thomas Gerhards, und deutet auf die Felder zwischen Büchel und Alflen, in der diesigen Südeifeler Ferne sieht man einen Kirchturm.
    "In der Kirche sind die getauft worden, meine Vorfahren, und mir ist das ein Anliegen: ich werd' so lange hierher kommen, bis die Dinger weg sind."
    Die "Dinger" die Gerhards weghaben will, sind die Nuklearsprengköpfe, die am Bundeswehr-Stützpunkt Büchel lagern.
    "Obwohl aus meiner Sicht das natürlich dem Atomwaffensperrvertrag und dem Grundgesetz widerspricht."
    Und obwohl der Bundestag vor genau fünf Jahren die Bundesregierung aufforderte, in der NATO mit Nachdruck auf den Abzug der letzten in Deutschland stationierten US-Atomwaffen hinzuwirken. Passiert ist nichts. Das bemängeln Gerhards, der keine 30 Kilometer vom Fliegerhorst entfernt in Neef an der Mosel Weinbergspfirsiche anbaut, und Markus Pflüger aus Trier, der gemeinsam mit seinem Sohn den Anti-Atom-Protest in Büchel unterstützt.
    "Hier in diesem touristisch ganz wichtigem Kreis Cochem-Zell finde ich es wirklich ganz wichtig, dass wir die Schönheit unserer Landschaft und unserer Region preisen, und da passen die Atombomben nicht so, aber wir wollen die auch nicht in einer anderen Gegend, wir wollen die überhaupt nicht."
    "Wenn ich mir überleg', was Atomwaffen anrichten können, wenn ich mir die Ukraine-Krise angucke, brauchen wir ein Umdenken, und dazu gehört, dass die Atomwaffen abgeschafft werden, was eigentlich alle Parteien wollen, aber sie tun im Moment nichts dafür. Deswegen dieser Druck und das entschlossene dafür Eintreten durch Blockaden."
    Die erste Protestwoche in Kälte und Sturm ging soeben zu Ende.
    "Nach dieser Erde/ wäre da keine,/ die eines Menschen Wohnung wär'"
    Dabei waren Menschen zwischen 14 und 84 aus ganz Deutschland. Katja Tempel war eine von denen, die täglich auf einer dünnen Isomatte vor der Hauptzufahrt zum Fliegerhorst froren und sich von der Polizei wegtragen ließen.
    "Ja, leider, würde ich sagen. Ich brauch' das auch nicht unbedingt. Ich bin eigentlich Hebamme, ich würde jetzt lieber bei 'ner Frau auf dem Bett sitzen und Herztöne hören und ihr sagen, dass mit ihrem Baby alles gut ist. Aber manchmal ist so was auch notwendig. Ja, dass mit der Welt alles gut ist, das wär' noch viel besser."
    Offiziell wurde die Existenz der Sprengköpfe nie bestätigt
    Die B 61-Bomben sollen in einem abgetrennten Bereich des Fliegerhorsts unterirdisch lagern - bewacht nicht von deutschen, sondern von US-Militärs. Im Krisenfall müssten die Tornado-Kampfjets der Bundeswehr diese Nuklearsprengköpfe möglicherweise abwerfen. Aus US- oder NATO-Waffen würden dann deutsche. Ein Abschreckungskonzept, das die NATO "Nukleare Teilhabe" nennt. Lebensgefährlich nicht nur für die Region, meint Markus Pflüger von der AG Frieden Tier:
    "Es ist ein Flugzeug abgestürzt, es passieren immer wieder Unfälle. Ich finde, jeder Tag ist hier ein Tag zu viel. Zum einen ist es so, dass die Soldaten auch von der Strahlung was abkriegen, und zum anderen ist das hier durch Unfälle, durch Terroranschläge immer gefährdet, jeden Tag."
    Offiziell hat keine Bundesregierung die Existenz der atomaren Überreste aus dem Kalten Krieg je bestätigt. Bundesaußenminister Steinmeier, SPD, tat das allerdings indirekt vor einem Monat im Bundestag. Anlässlich des Abrüstungsberichts bezeichnete er Zitat "das Thema" als "keineswegs aufgegeben". Aber "das Ziel", also der Abzug der Atomwaffen, sei kurzfristig nicht zu erreichen. 65 Tage lang wollen Friedensgruppen, Kirchenleute und Ärzte der Bundesregierung zeigen, dass sie das anders sehen. "Büchel65" heißt die Aktion, die ab Ende April parallel läuft zur New Yorker Überprüfungskonferenz zur Nichtverbreitung von Atomwaffen. Bis Konferenzende am 22. Mai soll "Büchel65" eine Mischung aus Blockade und Mahnwache sein, Motto: Atomwaffensperrvertrag endlich umsetzen!
    "Zehn Euro."
    "Ja, gut"
    "Im Wendland kosten die 14 Euro."
    "Ja, das ist ein Sonderpreis für Aktivisten."
    "Mir ist das lieb und teuer, weil's von hier ist."
    Ein Senior will Markus Pflüger unbedingt eine regenbogenfarbene Friedensfahne abkaufen. "Ich war vierzig Jahre im Geschwader, jetzt bin ich auf eurer Seite", sagt er den Blockierern, darunter die Gießener Pfarrerin Ilse Staude.
    "Vierzig Jahre, dann wissen Sie ja, wovon Sie reden."
    "Ich weiß, wovon ich rede, und ich unterstütz' das."
    Staude lächelt – mit einem solchen Verbündeten hatte keiner gerechnet.