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Auch Breivik schrieb an Zschäpe

"Da ist eine Gesinnungsgemeinschaft, die auch in den Gefängnissen kommuniziert", sagt der Journalist und Rechtsextremismusexperte Wolfgang Kapust über die Netzwerke rechter Häftlinge. Es gebe diese Netze bundesweit. Das Bindeglied zwischen den einsitzenden Neonazis seien die Anwälte.

Wolfgang Kapust im Gespräch mit Christiane Kaess | 11.04.2013
    Christiane Kaess: Ein neues rechtsextremes Netzwerk in Gefängnissen hat offenbar auch Kontakt zu der mutmaßlichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe gesucht. Bei mir im Studio ist der Journalist und Rechtsextremismusexperte Wolfgang Kapust. Herr Kapust, wie funktioniert so ein Netzwerk?

    Wolfgang Kapust: Dieses Netzwerk ist nicht so organisiert, dass es eingetragene Institutionen sind, obwohl in diesem Falle der betroffene Neonazi aus dem Gefängnis in Hünfeld in Hessen angekündigt hat, er wollte einen Verein gründen interessanterweise. Da gründen Neonazis, die sonst nicht organisiert sind, möglicherweise einen ordentlichen Verein mit Satzung und mit allen diesen juristischen vereinsrechtlichen Regelungen. In diesem Falle war das wohl eine Täuschung. Er hat Kontakt gesucht zu anderen. Das Netz besteht darin, dass man sich kennt. Man kennt sich ja von draußen, man hat ja keine anderen Freunde in anderen politischen Bereichen. Man kommuniziert da, man trifft sich zu allen möglichen Anlässen, Feiern und zu Märschen und Lagerfeuer. Aber die Anwälte auch dieser in Haft sitzenden Neonazis sind ein wichtiger Kommunikationsfaktor, weil sie verbinden die Neonazis. Sie gehen ein und aus, sie sind zum großen Teil, muss man sagen, mit der Szene verflochten. Sie geben auch einschlägige Ratschläge in einschlägigen Postillen von Neonazis. Sogar die NPD-Zeitung gibt Ratschläge, wie man sich juristisch korrekt bis in feinste Kleinigkeiten verhält. Also das Netzwerk heißt, man kommuniziert über Dinge. Und was sehr wichtig ist: Soziale Kontakte gibt es auch. Wir wissen, dass eine andere Frau aus Thüringen, aus dem Umfeld von Beate Zschäpe, sie hatte Briefe geschrieben damals bei einer Institution, die so etwas schon mal gemacht hat, die HNG, die dann verboten worden ist 2011. Briefe geschrieben an Inhaftierte. Da stellen dann auch Frauen von draußen Kontakte her und soziale Kontakte eben.

    Kaess: Was wissen Sie über direkte Kontakte zur rechtsextremen Terrorzelle NSU?

    Kapust: Es ist wohl so, dass bei der Durchsuchung der Zelle und der Materialien dieses betroffenen Mannes in Hünfeld in Hessen, der da wohl der Drahtzieher und Hauptorganisator war, dass dieser Mann, ein gewisser Bernd, offensichtlich auf seiner Liste auch den Namen Zschäpe hatte. Zschäpe saß ja ein bis vor Kurzem in Köln-Ossendorf in der Justizvollzugsanstalt, und möglicherweise hat er sie wohl auch angeschrieben. Es gibt offensichtlich noch keine offiziellen Dokumente dafür. Aber ich erinnere daran, dass der Massenmörder Breivik in Norwegen, der ja im Gefängnis sitzt und sehr aktiv im Kommunizieren ist, dass auch er an Beate Zschäpe geschrieben hat. Er hat ihr einen Brief geschrieben mit der Anrede "Liebe Freundin". Da ist eine Gesinnungsgemeinschaft, die auch in den Gefängnissen kommuniziert, und das wissen wir aus vielen, vielen anderen Beispielen.

    Kaess: Also kann man auch davon ausgehen, dass Beate Zschäpe jetzt in der Haft auch solche Kontakte hat?

    Kapust: Das, was ihr erlaubt ist an Kommunikation – im Einzelfalle werden die Justizbehörden das genau sehen -, darf ja nichts Strafrechtliches sein, darf ja nichts zu tun haben mit möglicherweise strafrechtlich relevanten Dingen für ihren Prozess. Sicher kann sie kommunizieren, was private Dinge angeht. Beispielsweise hatten ja ihre Kölner Anwälte den Wunsch geäußert und den Antrag gestellt, dass Beate Zschäpe in ihre Heimat verlegt wird, weil dort ihre Großmutter lebt, die ihre einzige private soziale Bezugsperson ist. Das ist nicht der Fall gewesen. Also diese Kontakte müssen da sein, aber die Anwälte beklagten ja, dass die Haftbedingungen von Beate Zschäpe so schlimm seien, dass es möglicherweise auch zu psychischen Gefährdungen kommen könnte.

    Kaess: Mit einer Bitte um eine ganz kurze Antwort: Glauben Sie, dass das Netzwerk bundesweit ist?

    Kapust: Das ist bundesweit, das wissen wir auch sonst. Wir müssen nur die gesamte Szene uns ansehen, wer mit wem, und die vielen Briefe und Städte, die durch den betreffenden Neonazi Bernd angegangen worden sind, die sind ja bundesweit. Gestern war zum Beispiel aus Kiel auch zu hören, dass dort auch Kontakte bestehen. Also das Netz in dem Sinne: Man kennt sich, man kommuniziert und plant für die Zukunft, wenn man wieder rauskommt. Man will ja mal weitermachen, man wird nicht belehrt. Das ist bundesweit.

    Kaess: Dankeschön für diese Informationen, Wolfgang Kapust. In hessischen Gefängnissen wurde das Netzwerk gestern aufgedeckt.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.