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"Auch im Jahr 2030 werden nur 30 Prozent der Neuzulassungen Elektrofahrzeuge sein"

Elektroautos sind umweltverträglich. So lautet eine weit verbreitete These, die im Idealfall auch stimmt. Wenn allerdings der Strom für die Fahrzeuge nicht aus Erneuerbarer Energie gewonnen wird, sieht die Sache anders aus, erläutert Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland. Neben der Weiterentwicklung des Elektroautos müsse auch die Effizienz von Benzin- und Diesel-Fahrzeugen verbessert werden.

Gerd Lottsiepen im Gespräch mit Georg Ehring | 30.01.2012
    Georg Ehring: Elektroautos sollen den Verkehr umweltverträglicher machen, doch ob die Rechnung aufgeht ist fraglich. Hinten, wo bei anderen Fahrzeugen der Auspuff ist, kommt zwar nichts raus, doch darauf kommt es nicht an: die Emissionen entstehen bei der Stromerzeugung. Neue Studien des Freiburger Ökoinstituts und des Heidelberger Instituts für Energie und Umweltforschung stützen die Zweifler. Gerd Lottsiepen beschäftigt sich beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) mit dem Thema. Ich habe ihn vor dieser Sendung gefragt, was bei der Energieversorgung passieren muss, damit das Elektroauto die Umwelt entlastet.

    Gerd Lottsiepen: Das Elektroauto macht natürlich nur dann Sinn, wenn der Strom regenerativ erzeugt wurde, also wenn Windstrom, Solarstrom genutzt wird. Wenn wir den herkömmlichen Kraftwerksmix anrechnen bei Elektrofahrzeugen, dann haben sie wenn überhaupt, dann einen minimalen Vorteil, der allerdings damit erkauft werden müsste, dass das ja alles viel, viel teurer ist. Also die Förderung der Elektromobilität geht nur zusammen mit einem raschen und wirklich intensiven Ausbau erneuerbarer Energien.

    Ehring: Der Ökostrom wird aber ja ohnehin massiv ausgebaut. Kommt das grüne Elektroauto damit nicht ganz von allein?

    Lottsiepen: Es muss beides gleichzeitig passieren. Wir brauchen viel mehr Ökostrom, als wir heute haben, denn der Ökostrom, der heute produziert wird, reicht ja bei weitem noch nicht aus, um all unseren Stromverbrauch, also auch den Gebrauch der Kaffeemaschine, der Waschmaschine, dass wir das mit Ökostrom machen. Und Elektromobilität macht nur dann Sinn, wenn tatsächlich der Strom regenerativ erzeugt wird, weil sonst haben wir keine positive Umweltbilanz.

    Ehring: Die Idee ist ja, dass die Elektroautos vor allem in den Zeiten aufgeladen werden, wenn andere Nutzer wenig Strom verbrauchen, also in der Nacht. Geht das nicht auch?

    Lottsiepen: Das muss man noch ganz genau schauen. Der Normalfall ist der: die Leute kommen aus dem Büro und die kommen alle relativ gleichzeitig aus dem Büro und schließen ihre Autos dann an. Genau das wird ein Problem werden. Wir brauchen auf jeden Fall ein intelligentes Lademanagement. Das muss jetzt nicht sein, was uns immer erzählt wird, dass die Batterien als Speicher fungieren und auch mal Strom abgeben ins Netz. Es würde schon reichen, wenn der Strom für die Fahrzeuge tatsächlich dann gezogen wird, wenn Überangebot an Strom da ist. Aber davon sind wir leider noch weit entfernt. In der letzten Woche war zu lesen, dass die großen Konzerne jetzt hingehen und sich auf einen einheitlichen Stecker einigen wollen. Da frage ich, was haben die eigentlich in den letzten Jahren gemacht. Die haben angeblich schon so viel für Elektromobilität getan; die haben es immer noch nicht geschafft, sich auf einen Stecker zu einigen. Die Diskussion, das läuft dort schon seit Jahren; getan wurde da noch nichts.

    Ehring: Beim Elektroauto steht die Entwicklung aber doch noch ganz am Anfang. Wie sehen Sie denn das Entwicklungspotenzial?

    Lottsiepen: Elektroautos gibt es auch schon sehr lange. Auch sehr lange wird dort entwickelt. Es ist nicht so, dass wir da jetzt im Beginn stehen, sondern mehrfach wurde die Entwicklung angegangen, dann wieder unterbrochen. Uns wird versprochen, dass das alles funktioniert, aber das hat man mit dem Wasserstoffauto auch getan, und wir müssen sehen, ob diesen Ankündigungen, den Ankündigungen der Industrie, den Ankündigungen der Bundesregierung, ob da auch Taten folgen, und das ist zurzeit nicht wirklich zu sehen.

    Ehring: Effizientere Benziner und effiziente Dieselfahrzeuge könnten zu diesen Zukunftsvisionen gegenwärtige Alternativen sein. Muss man darauf für die nächsten 10, 15 Jahre noch setzen?

    Lottsiepen: Unbedingt, denn nach den optimistischsten Schätzungen sind im Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf dem Markt. Die neue Studie, die besagt, dass erst im Jahr 2022 erst diese eine Million Fahrzeuge erreicht werden können. Wir haben dann aber weit über 40 Millionen Verbrennungsmotor-Fahrzeuge, und das geht in die Zukunft noch so weiter. Auch im Jahr 2030 werden nur 30 Prozent der Neuzulassungen Elektrofahrzeuge sein. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir jetzt herangehen, den Energieverbrauch, den Spritverbrauch von Verbrennungsmotor-Fahrzeugen zu begrenzen, ambitioniert zu begrenzen, und den Ausstoß des Treibhausgases CO2 zu begrenzen. Jetzt laufen in der EU die Verhandlungen um den Grenzwert für 2020 an. Das ist das wichtigste. Was in diesem Bereich der Mobilität im Klimaschutz getan werden kann, ist ein ambitionierter CO2-Grenzwert für Pkw im Jahr 2020. Davon profitiert auch die Entwicklung von Elektrofahrzeugen, weil Elektrofahrzeuge dort sehr positiv angerechnet werden.

    Ehring: Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland. Das Interview haben wir vor dieser Sendung aufgezeichnet.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.