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Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie der EU
Ist Youtube bald Rundfunk?

Die EU-Regeln für Rundfunkanbieter lassen die rasante Entwicklung des Netzes außen vor. In Brüssel wird nun über deren Modernisierung verhandelt. Eines der Ziele: Eine Quote für europäische Produktionen – und zwar nicht nur für die traditionellen TV-Sender, sondern auch für Streamingdienste wie Maxdome, Netflix oder Amazon Prime.

Von Thomas Otto | 24.05.2017
    Das Logo des Videoportals YouTube ist auf einem iPhone zu sehen
    Das Logo des Videoportals YouTube ist auf einem iPhone zu sehen (dpa / picture alliance / Sebastian Kahnert)
    Länger als gedacht hatte es gedauert, bis sich die 28 EU-Mitglieder im Rat einigen konnten, welche Regeln für Rundfunkanbieter in Zukunft gelten sollen – und wer überhaupt als Anbieter audiovisueller Mediendienste gelten soll. Umstritten dabei auch die Frage nach einer Quote für europäische Produktionen, erklärt die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters:
    "Da viele Mitgliedsländer ein generelles Misstrauen gegen Regulierung des Marktes überhaupt haben, war es schwierig dann trotzdem einen Kompromiss hinzubekommen. Und der sah vor, dass wir, wenn schon eine Quote für europäische Produktionen eingeführt wird, nur zwanzig Prozent benannt werden."
    Viele Befürworter im EU-Parlament
    Am Ende konnten sich dann aber die Befürworter einer höheren Quote als die von der EU-Kommission ursprünglich vorgeschlagenen zwanzig Prozent durchsetzen. Großbritannien, Dänemark, Finnland, die Niederlande und Luxemburg wurden überstimmt und eine Mindestquote von dreißig Prozent festgelegt.
    Auf den gleichen Wert hatte sich auch das EU-Parlament verständigt, mit dem sich Rat und EU-Kommission nun einigen müssen. Die zuständige Berichterstatterin Petra Kammerevert, die für die SPD im Europaparlament sitzt, hatte vor allem mit Widerstand der Streaming-Dienste gerechnet:
    "Also die waren natürlich auch nicht besonders erfreut. Aber auf der anderen Seite: Sie haben sich dann auch nicht so gewehrt, wie ich das ursprünglich mal erwartet hatte. Weil wir haben schon heute den Fakt, dass insbesondere die Großen schon heute, ich glaube zwischen 25 und 27 Prozent ihrer Angebote europäische Angebote sind. Und insofern haben die gesagt: ‚Naja, wir hätten lieber keine. Aber wenn es jetzt dreißig Prozent sind, dann können wir damit auch leben‘."
    TV-Anbieter sollen Werbung flexibler einsetzen können
    Bisher sind Streamingdienste von dieser Regelung ausgenommen. Deren Bedeutung ist aber so stark gewachsen, dass Kommission, Parlament und Rat sich einig sind: Die Regeln für Europa-Quoten, Jugendschutz und Werbung müssen auch hier gelten.
    Die Vorgaben für Fernsehwerbung sollen außerdem gelockert werden: Statt einer festen Begrenzung von maximal 20 Prozent der Sendezeit pro Stunde, sollen TV-Anbieter Werbung flexibler einsetzen können, so der Vorschlag von Kommission und Parlament. In der Summe soll die Werbezeit aber nicht ausgeweitet werden.
    Landesmedienanstalten werden mit neuen Regeln konfrontiert
    Mit der erweiterten Geltung der Richtlinie, müssten dann zum Beispiel auch Youtuber transparent machen, ob sie für bestimmte Inhalte bezahlt werden. Ein weiteres Mittel gegen Schleichwerbung, wie sie heute im Netz an der Tagesordnung ist. Damit kommt der Gesetzgeber den klassischen Rundfunkanbietern entgegen, die sich über eine Benachteiligung gegenüber Online-Anbietern beklagt hatten. Für die Aufsichtsbehörden bedeutet das Mehrarbeit, betont Kulturstaatsministerin Grütters:
    "Das bleibt natürlich am Ende eine Aufgabe der professionellen Mediendienste – also auch der Landesmedienanstalten. Die werden mit Sicherheit konfrontiert werden mit neuen Regeln."
    Provider trägt erst dann Verantwortung, wenn gegen Vorschriften verstoßen wird
    Vorher sollen aber bereits die Plattformbetreiber in die Pflicht genommen werden. Sie sollen Regeln zum Jugendschutz auferlegt bekommen und Mechanismen einrichten, mit denen Nutzer problematische Inhalte, wie zum Beispiel Aufrufe zu Hass und Gewalt, melden können. Allerdings, schränkt Berichterstatterin Kammerevert ein:
    "Es gibt keine Vorabkontrolle von Inhalten. Und auch der Provider, also derjenige, der das Video nur weiterleitet, ist auch erst dann verantwortlich, wenn er von dem Inhalt Kenntnis hat oder man davon fraglos ausgehen kann, dass er den Inhalt kennt. Erst dann muss er tatsächlich handeln, wenn gegen Vorschriften verstoßen wird, wenn gegen Jugendschutzregeln verstoßen wird, wenn Hassrede enthalten ist, beispielsweise."
    Endgültige Reform könnte erst kommendes Jahr in Kraft treten
    Kritiker befürchten allerdings, dass Plattformbetreiber auf Nummer sicher gehen wollen und auch viele legale Inhalte löschen werden. Für solche Fälle soll es einen Beschwerdemechanismus geben.
    Während das Parlament bereits einen umfassenden Gesetzesvorschlag vorgelegt hat, haben sich die Mitgliedsstaaten im Rat nur auf Eckpunkte verständigt. In den gemeinsamen Verhandlungen mit der Kommission werden sie nun versuchen, sich auf eine endgültige Reform der Richtlinie über die audiovisuellen Mediendienste zu einigen. Die könnte kommendes Jahr in Kraft treten und müsste dann von jedem Mitgliedsstaat in nationales Recht umgesetzt werden.