Freitag, 29. März 2024

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Auf dem Natursteig bis nach Siegburg
Immer am Fluss entlang

Über 155 Kilometer schlängelt sich die Sieg von ihrer Quelle im Rothaargebirge bis zu ihrer Mündung in der Köln-Bonner Bucht. Der Name des Flusses hat weniger mit Triumph und Schlachtgetümmel zu tun, sondern geht auf das keltische Wort "Sikkere" zurück, der "schnelle Fluss". In den Ortschaften entlang des Flusses ist die lange Geschichte des Bergbaus immer noch präsent.

Von Thomas Doktor | 10.07.2016
    Die Abtei Michaelsberg fotografiert am 27.08.2013 in Siegburg (Nordrhein-Westfalen). Die Gemeinschaft der Mönche der Unbeschuhten Karmeliten zieht in die frühere Benediktinerabtei auf dem Siegburger Michaelsberg ein.
    Die Abtei Michaelsberg in Siegburg. (dpa/picture alliance/Oliver Berg)
    "Hier, wenn ich an der Quelle bin, trinke ich immer Wasser (...) das trinkt man aus der hohlen Hand. Hier kann man getrost immer Wasser trinken und das schmeckt gut. Ich trinke das Wasser schon sehr lange. Schon vor über 70 Jahren bin ich hier mit meiner Mutter über den Höhenzug rüber.
    Wilhelm Schöler hält die Hände unter das Ende einer Rinne aus halbierten und ausgehöhlten Baumstämmen, die das Quellwasser der Sieg über ein massives Natursteinbecken leiten. Eine Kostprobe: Weich mundet das Quellwasser und hat einen leicht erdigen Geschmack.
    "Und das wir hier schon hoch sind, sehen wir heute bei dem strahlenden Sonnenschein, trotzdem noch Schnee an den Wegrändern ..."
    155 Kilometer von der Quelle bis zur Mündung
    Auf knapp über 600 Meter Höhe entspringt die Sieg im Rothaargebirge, ganz im Süd-Osten von Nordrhein-Westfalen. Die Höhenzüge rings umher haben einen dichten Mischwaldbestand. Vorjähriges Laub bedeckt den Boden, während die Bäume kaum die ersten Knospen tragen. Rund 250 Meter Höhenunterschied fallen schon gleich zu Beginn des Flusslaufes an. Gerade einmal zwei Tage benötigt das Wasser der Sieg für die 155 Kilometer von der Quelle bis zur Mündung bei Niederkassel in den Rhein. Der Name des Flusses hat denn auch weniger mit Triumph und Schlachtgetümmel zu tun, sondern geht auf das keltische Wort "Sikkere" zurück, das "schneller Fluss" bedeutet. Wilhelm Schöler erinnert sich neben dem Quellwasser auch an einen anderen Schatz, den er der Sieg in jungen Jahren abzugewinnen wusste:
    "Wir haben ja als Jungen auf dem Bauch gelegen und gefühlt, wo die Fische waren und haben sie mit der Hand gefangen (...) Es gab Forellen zu fangen. Ich selbst esse keinen Fisch (...) aber das einzige, was ich gegessen habe, waren die selbst gefangenen Forellen, in Butter gebraten, die schmeckten gut."
    Eine Flasche Quellwasser kommt mit auf meine Reise entlang der Sieg, deren Ziel Siegburg ist, meine Geburtsstadt.
    Die Sieg ist besonders, weil ...
    - weil es sich da sehr gut leben lässt und weil das Wasser besonders gut ist und sehr gut schmeckt. (Wilhelm Schöler)
    - weil (…) hier ganz viele verschiedene Bodenschätze vorgekommen sind und man auch heute noch die Möglichkeit hat, das, was die Bergleute und die Hüttenleute getan haben zu sehen, und dass man auch heute noch diese Bodenschätze finden kann. (Achim Heinz)
    - weil die Sieg ist ein wilder, naturnaher Fluss, der riesige Schleifen bildet und dadurch die Landschaft sehr vielgestaltig macht und insgesamt, wenn man sich hier aufhält, dazu beiträgt, dass man sich hier wohl fühlt, dass man das Gefühl hat, man ist draußen in der Natur und erlebt etwas. (Dr. Richard Grothus)
    - weil hier so viele verschiedene Landschaften zusammenkommen und auch so viele verschiedene Menschen aus verschiedenen Gegenden zusammenkommen - und man trifft sich an der Sieg. (Anna-Karina Birkenstock)
    - weil man hier auf’s Wasser gucken kann und manchmal auch kleinere und größere Fische beobachten kann. Außerdem gibt es bei uns Reiher – frei fliegende Reiher und das finde ich einfach nur großartig. (Mathias Wünsche)
    Jungendherberge Freusburg lädt zur Pause ein
    Unterwegs auf der Bahnstrecke durch das Siegtal. Kurz hinter Siegen erhebt sich auf dem nördlichen Hang seit dem frühen 12. Jahrhundert die mächtige Freusburg, die seit 1928 als Jugendherberge genutzt wird. Erinnerungen werden wach, an das Frühjahr 1979, als meine Schulklasse hier zur Klassenfahrt weilte: Schneefall Anfang März, abendliche Sagenstunden im Burgerker mit "Jung-Siegfried" und "Wieland dem Schmied" sowie drei vergebliche Versuche im angrenzenden Giebelwald die Spuren keltischer Eisengruben und Schmelzöfen ausfindig zu machen. (Gefunden habe ich sie dann zehn Jahre später auf der Wanderung mit einem Schulfreund, als uns ein ortskundiger Wanderer die eingefallenen Gruben im Wald und die Spuren der Öfen im vorgelagerten Tal zeigen konnte.)
    "Sie haben gesagt, Ihr Lehrer hat damals versucht, da noch was zu finden. Heute können Sie uns über die Freusburg buchen. Also eine Schulklasse, (...) die zur Freusburg hinkommt, kann über uns (...) "Das Gold des Giebelwaldes" buchen (...) und dann führen wir Euch, die Schulkinder, zu diesen alten Halden, wo man dann noch die Goldsteine ausgraben kann und mit nach Hause nehmen kann und wir tun das nicht (...) in der Art einer Führung (...), heute haben wir GPS-Geräte und dann wird Geo-Caching gemacht."
    Lange Bergbautradition im Siegerland
    Achim Heinz leitet das Bergbaumuseum in Herdorf-Sassenroth. Die massive Schnalle seines Gürtels mit gekreuztem Schlägel und Hammer gibt das traditionelle Symbol des Bergbaus wieder, der die Region über Jahrhunderte geprägt hat. Das Museum mit dem Förderturm und einem unterirdischen Schaubergwerk soll vor allem dem Nachwuchs einen Einblick in die Geschichte des Erzabbaus in der Region geben. Rund 2500 Jahre ist es her, dass sich hier im Siegerland eine technische Revolution vollzog, die die Gegend zu einem High-Tech Standort von europaweitem Rang entwickelte: Keltische Stämme erlangten die Fertigkeit des Eisenerzabbaus und seiner Weiterverarbeitung zu hochwertigem Eisen, etwa zum Schmieden von Schwertern. Bis ins ferne England verbreitete sich der Ruf der Siegerländer Schmiede und zwar dergestalt "dass in der Artussage Wieland der Schmied erwähnt wird, das ist ein Schmied hier aus der Gegend: Ob die Sage nun stimmt oder nicht, spielt ja eigentlich keine Rolle, aber warum sollte Geoffrey of Monmouth, (...) in dieser uralten Sage den Schmied ausgerechnet in Siegen ansiedeln, hat er aber gemacht. Da sieht man, dass hier unsere Eisenprodukte schon gefragt waren oder bekannt waren."
    Achim Heinz bleibt neben dem Förderkorb und der Signalanlage an einem Holzbrett stehen. Rund 100 kleine runde und gelochte Metallplättchen hängen durchnummeriert an Nägeln in Reih und Glied.
    "Wir sehen hier auch eine Markenkontrolle. Jeder Bergmann hatte solche Blechmärkchen hier, die an einem Brett hängen, da ist die Nummer des Bergmanns drauf - jeder Bergmann hatte seine eigene Nummer. Sinn der Sache war, er nahm das Märkchen mit in die Grube. Wenn er wieder raus war, hängte er es wieder zurück."
    Eine ebenso simple wie effiziente Kontrolle darüber, ob etwa noch ein Bergmann unter Tage verblieben war. Beim Blick auf die Tafel fällt auf: Marke Nummer 80 fehlt.
    "Dieser Bergmann ist tatsächlich tödlich verunglückt. Wir wussten das auch nicht. Und eines Tages sahen wir einen älteren Herren hier stehen, der weinte. Ich habe ihn dann angesprochen und gefragt, was los ist. Ja, sagt er, das war ein guter Kollege von mir – ein Freund von mir, denn die Namen stehen hier auch noch drunter. Und dann hat er mir die Geschichte erzählt"
    Wer tiefer in die Geschichte des Bergbaus im Siegerland eindringen möchte, dem sei an dieser Stelle der im Eigenverlag erschienene Roman "Tagesbrüche" ans Herz gelegt, in dem Museumsleiter Achim Heinz einen spannenden Bogen von der Bergbauära des späten 19. Jahrhunderts in das Jahr 2004 schlägt, als Erdeinbrüche unter einer Siegener Hochhaussiedlung unter dem Titel "Siegener Loch", bundesweit für Schlagzeilen sorgten.
    Größter Wasserfall in Schladern an der Sieg
    Schladern an der Sieg: Auf 84 Metern Breite stürzt die Sieg zwischen mächtigen Felsen, auf denen ein Graureiher auf Nahrung wartet, einen Wasserfall hinab.
    "Man sagt, der größte Wasserfall in Nordrhein-Westfalen, ist nicht natürlich entstanden, sondern ist im Rahmen des Eisenbahnbaus entstanden, das war 1858, man hat hier eine sehr große Siegschleife und man musste die Eisenbahntrasse quer zu dieser Schleife legen, hätte also zwei Brücken gebraucht, um das zu überwinden", erläutert Dr. Richard Grothus, Umweltbeauftragter der Gemeinde Windeck. Um die hohen Kosten für zwei Brücken zu vermeiden, fassten die Ingenieure einen anderen Entschluss:
    "Wir schneiden die Schleife ab. Wir machen eine Sprengung und wir führen die Eisenbahn auf einem Damm. (...) Dann hat sich ein findiger Unternehmer gedacht, wir haben jetzt hier ein sehr hohes Gefälle in der Sieg und man könnte das doch ausnutzen, um Strom zu gewinnen und hat durch den Berg einen Stollen graben lassen, dort eine Turbine eingerichtet und hatte eigentlich vor, eine Papierfabrik dort zu gründen."
    Statt der Papierfabrik, siedelte sich jedoch das britische Unternehmen "Elmore’s" an der Sieg an, das Kupfererzeugnisse produzierte, die im stromintensiven Elektrolyseverfahren hergestellt wurden. (Die technischen Innovationen in der Herstellung von Kupferrohren wurden auf der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900 mit einer goldenen Medaille ausgezeichnet und zwei Jahre später stellte das Unternehmen das weltweit größte nahtlos gezogene Kupferrohr vor.) 1995 schloss das Werk - mittlerweile unter dem Namen "Kabelmetall" - seine Tore, die alten Werksgebäude verfielen, bis 2004 drei ortsansässige Bürger das alte Areal erwarben, um es zu einem attraktiven Ort für Kultur, Vereinsleben und Tourismus umzugestalten. Fünf Millionen Euro an Fördermitteln investierten Land und Gemeinde um die alte Versandhalle - einen Ziegelbau von 1910 - unter dem alten Namen "Kabelmetall" in ein Bürger- und Kulturzentrum umzubauen, erzählt die Geschäftsführerin, Heike Hamann.
    "Die Halle ist eine Veranstaltungshalle, die ist sehr gut ausgerüstet, mit sehr hochwertiger Technik. Die ist nutzbar für ganz kleine Sachen, Lesungen, für Kindertheater, aber auch für Kabarett-Veranstaltungen oder Rock-Bands, Blues, Jazz, Klassikkonzerte, also ganz gemischt"
    Anfang September 2016 wird die zweite Ausgabe des Elektronik-Festivals "Schwingungen", zu dem unter anderem die Elektropioniere von "Tangerine Dream" erwartet werden, Besucher aus dem In- und Ausland an die Sieg locken. Neben der Mehrzweck-Halle bündeln eine regionale Tourismus-Information, ein Eiscafé und eine Naturschule für Kinder das attraktive Angebot des wiederbelebten Areals. Der Biergarten "Elmore’s", unter der Stahlkonstruktion der alten Verladestation des Kupferwerkes ist an diesem sonnigen Tag gut besucht und erinnert mit seinen fantasievollen Metallskulpturen und Installationen ein wenig an das Berliner Kunsthaus "Tacheles" nach dem Mauerfall.
    Kindererlebnisweg in Blankenberg
    "Mein Name ist Anna Karina Birkenstock und ich bin Kinderbuchillustratorin und -autorin."
    Stadt Blankenberg an der Sieg. Von 1245 bis 1805 besaß der kleine Ort Stadtrecht, seit den 50er-Jahren führt er den Namenszusatz als Titularstadt. Auf einem Bergsporn am Südufer der Sieg gelegen, erhebt sich die alte Burganlage aus dem 12. Jahrhundert mit den Resten der alten Befestigungsmauern und den zahlreichen liebevoll restaurierten Fachwerkhäusern. Ein Gang durch die schmalen Gassen gleicht einer Zeitreise in längst vergangene Zeiten. Anna Karina Birkenstock hat einen Kindererlebnisweg entwickelt, der auch die jungen Besucher zu einer spannenden Reise in das Blankenberg des hohen Mittelalters einlädt. Die junge Frau mit dem halblangen braunen Haar steht im Schatten eines der beiden mächtigen steinernen Stadttore, dem Katharinenturm, neben sich die lebensgroße hölzerne Skulptur, eines übellaunig drein blickenden Mannes mit Kapuzenumhang und Hakennase:
    "Das ist der böse Zauberer Malus Sinistrus, der die Stadt Blankenberg zerstören will und zwar, weil er vermutet, dass unter der Stadt eine geheime Höhle ist, wo er Gold machen kann."
    Anton und Amelie heißen die jungen Helden der Geschichte, die in einem kleinen Buch zusammen mit einem Pergament in den angrenzenden Cafés erhältlich ist. Auf dem Pergament müssen die jungen Abenteurer eine ganze Reihe von Aufgaben lösen, um dem Zauberer das Handwerk zu legen. Doch zunächst gilt es, ins 13. Jahrhundert zurückzureisen. Ein sprechender Kater namens Remus weist den Kindern den Weg:
    "'Schnell', ruft Remus, 'folgt Malus durch das Zeittor!' Amelie umklammert das Pergament mit festem Griff und nimmt Anton bei der Hand. 'Komm, retten wir Stadt Blankenberg!' Die Kinder rennen durch das Tor direkt in das blaue Licht hinein. Der Nebel schlägt über ihren Köpfen zusammen, Blitze zucken auf und als Amelie und Anton auf der anderen Seite in der Vergangenheit landen, sehen sie gerade noch, wie Malus Sinsitrus’ blutroter Mantel links in der Katharinastraße verschwindet. 'Hinterher!'"
    Kreuz und quer führt die Rätselreise durch die alte Burgstadt. Spielend lernen die Kinder dabei auch die mittelalterliche Lebenswelt kennen:
    In der Geschichte begegnen Anton und Amelie verschiedenen Menschen des Mittelalters, also einem Handwerker, der gerade an der Kirche gebaut hat, einem Schmied, einem Brunnenbauer und sie fragen alle um Hilfe bei diesem Pergament und diese Menschen erklären ihnen erst einmal, dass sie weder lesen noch schreiben können und auch kein Latein und sie lachen sich darüber kaputt, dass die Kinder offensichtlich lesen können und die wichtigen Begriffe, die hier in Latein stehen, werden sie dann erst von einem Mönch übersetzt bekommen.
    Am Rande einer Wiese, dort wo einst die Altstadt Blankenbergs gestanden hat, bevor im 13. Jahrhundert der heute erhaltene Teil, die Neustadt, errichtet wurde befindet sich neben einer Bank ein massiver Steinquader auf dessen Oberfläche eine Metallplatte angebracht ist: Anna Karina Birkenstock nimmt das Pergament aus der Tasche und legt es darauf:
    "Es passt also genau auf diese Metallplatte und deshalb ist es auch wichtig einen Bleistift dabei zu haben. Ich rubbele also jetzt mit meinem Bleistift über diese Metallplatte und genau an den Feldern, die in meinem Pergament vorgesehen sind, sehen wir ein schönes Bild von? Können Sie es erkennen?"
    Ein Fisch und eine Mühle sind auf dem Pergament sichtbar geworden und ein weiterer Puzzlestein zur Rettung Stadt Blankenbergs vor dem finsteren Zauberer ist gefunden. Den Mönch treffen die Kinder dann im Kräutergarten der Burgruine an - er soll zwei lateinische Begriffe für sie übersetzen:
    "Der Mönch beugt sich dicht über das Pergament: "in iuris" bedeutet Unrecht und "monasterias" bedeutet Abtei - hier steht der Abtei sei ein Unrecht widerfahren."
    Von Siegburg in die Köln-Bonner Bucht
    Die Abtei - das ist das alte Kloster auf dem Michelsberg in Siegburg, der sich unten in der Ebene, in der die Sieg nun der Mündung zueilt, deutlich vom Horizont abhebt. Wie die Suche zu Ende geht und welcher Schatz am Ziel auf die jungen Abenteurer wartet, soll hier natürlich nicht verraten werden. Anna Karina Birkenstock verabschiedet sich. Sie hat ein Treffen mit befreundeten Illustratoren, im Rahmen des Projekts "Illustratoren für Flüchtlinge", das Flüchtlingskindern helfen soll, die deutsche Sprache zu erlernen. Bevor ich mich auf den Weg mache, blicke ich noch einmal ins Tal. Eine wunderbare Aussicht bietet sich hier auf das Mündungsgebiet der Sieg: Die Hänge treten weit zurück und die Ebene öffnet sich in die Köln-Bonner Bucht. Ein Bild, dass ich mit der Zeit verbinde, als ich nach der Schule in Stadt Blankenberg meine erste Wohnung hatte, ein Bild, das gleichsam dazu aufforderte hinein- und den Lebensweg anzutreten, der mich die Sieg und den Rhein hinab, die Ruhr hinauf und schließlich an Havel und Spree führen sollte.
    Der Markt der Kreisstadt Siegburg. Die alte Töpferstadt feierte 2014 ihr 850-jähriges Jubiläum. Die "Siegburger Schnelle" ein Tonkrug mit angebrachtem Emblem war so etwas wie die "Coca-Cola-Flasche" des Mittelalters, ein robustes Gefäß zum Transport von Lebensmitteln, das sich auf den Handelswegen der Hanse bis ins Baltikum verbreitete. Vom Stadtmuseum weht Glockenspiel herüber. Die Melodie stammt vom großen Sohn der Stadt, dem Komponisten Engelbert Humperdinck. Am Rande der Innenstadt wohnt Mathias Wünsche, der ein kreatives Mehrfachleben als Sozialpädagoge, Schriftsteller und Musiker führt. Im Herbst 2015 erschien sein erster Köln-Krimi "Ein Männlein steht im Walde" um den Ex-Polizisten und Detektiv Lou Parker. Mathias Wünsche liest einen Ausschnitt, in der der Ermittler eine Wohnung in der Siegburger Aulgasse betritt:
    "Als Parker beherzt das Zimmer betritt, sind all seine Sinne und Muskeln gespannt, bereit, sich einer möglichen Attacke zu stellen. Im Bruchteil einer Sekunde überblickt er die Szene, begreift sein Gehirn das, was seine Augen sehen: Die Blutlache, die sich auf dem Parkett vor ihm ausgebreitet hat, kommt Parker enorm groß vor. Der Körper des Mannes legt unnatürlich verrenkt auf dem Rücken, die offenen Augen starren zur Decke. Das junge Gesicht auf fürchterliche Weise verzerrt. Der Detektiv nähert sich dem Mann, er bückt sich und registriert die zahlreichen Wunden am Oberkörper und am Hals, aus denen Blut sickert. Das vormals weiße T-Shirt des Mannes ist dunkelrot verfärbt. ((Parker legt Zeige- und Mittelfinger auf die Halsschlagader. Kein Puls! Verflucht, er hat schon viele Mordopfer gesehen, und es ist nie einfach, den Anblick zu verkraften, aber das hier ist schon ... Parker bemerkt den Angreifer, der sich von hinten angeschlichen hat, zu spät. Noch bevor er hochschnellen kann, spürt er den harten Schlag im Nacken und sackt zusammen.))"
    Für 2017 ist der zweite Band der Reihe geplant, in der die Figur ihrem Autoren folgen und von Köln nach Siegburg ziehen wird, das Mathias Wünsche wegen seiner weniger hektischen Atmosphäre im Vergleich zur Domstadt schätzen gelernt hat. Im März 2016 hat er mit seiner Band "Conte", für die er komponiert und textet, die erste CD - "Rosagrau" - veröffentlicht und aus den Aufnahmen diesem Sonntagsspaziergang freundlicherweise die musikalische Untermalung zur Verfügung gestellt. Auf dem Weg zum Bahnhof, vorbei am Krankenhaus, in dem ich geboren bin, fällt mein Blick amüsiert auf den Aufkleber am Heck eines geparkten Autos:
    "Zwischen Köln und Bonn", steht da zu lesen, "passt immer ein Siegburger!"