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Auf dem Rückzug

Ebenso wie in den Niederlanden wurde auch in Polen der Afghanistaneinsatz in den vergangenen Jahren immer unpopulärer. Eine direkte Reaktion auf die Entscheidung der Niederländer gibt es zwar nicht, Premierminister Donald Tusk erklärte aber, er arbeite an einem Konzept für einen Rückzug.

Von Florian Kellermann | 04.08.2010
    Die Stimmung in der Bevölkerung hat viele Gründe. Zunächst sank die grundsätzliche Bereitschaft, an der Seite der USA in ein Konfliktgebiet zu ziehen. Die weltweite Kritik am Vorgehen im Irak färbte auch auf die Afghanistan-Mission ab.

    Der Einsatz kam allerdings auch in Verruf, als eine polnische Eliteeinheit vor drei Jahren das Dorf Nangher Kel beschoss, wo sich angeblich Taliban-Kämpfer versteckten. Die sechs Todesopfer waren jedoch alle Zivilisten. Die beteiligten Soldaten wurden von einem Militärgericht freigesprochen.

    Auch aus dem Militär selbst kam massive Kritik. Hohe Generäle bemängelten, die Truppen seien viel zu schlecht ausgerüstet, um sich gegen die Taliban zu verteidigen. Insgesamt 19 polnische Soldaten kamen bisher in dem Konflikt um.

    Die Strategie der NATO sei gescheitert, sagte General Stanislaw Koziej:

    "Wir sind nach Afghanistan gefahren, um das Land zu stabilisieren. Es hat sich aber erweisen, dass wir dort einen Krieg führen müssen. Mit den derzeitigen Methoden kann man diesen Krieg nicht gewinnen. Deshalb muss sich die NATO fragen, ob sie diesen Krieg gewinnen will. Wenn ja, dann müssten wir unsere Strategie auf eine Kriegsstrategie umstellen. So aber, muss man ganz deutlich sagen, ist die NATO nicht im Stande ihren militärischen Auftrag in Afghanistan zu erfüllen."

    Angesichts solch massiver Kritik sprach der damalige Präsidentschafts-Kandidat Bronislaw Komorowski vielen Menschen aus der Seele, als er im Wahlkampf im Juni versprach:

    "Wir planen, 2011 unser militärisches Kontingent in Afghanistan zu verringern. Mit der Perspektive eines kompletten Rückzuges im Jahr 2012."

    Noch in diesem Jahr wolle er bei der NATO auf einen gemeinsamen Plan drängen, die Mission zu beenden, erklärte Komorowski. Sollte es keine Einigung geben, werde Polen selbstständig handeln, so der künftige Präsident, der aus der rechtsliberalen Regierungspartei "Bürgerplattform" stammt.

    Bei der rechtskonservative Oppositonspartei "Recht und Gerechtigkeit", kurz PiS, stieß er damit auf Kritik. Das Thema im Wahlkampf anzuschneiden, sei ein gefährliches Signal an die Taliban, erklärte der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski. Für seine Partei, die sich traditionell USA-freundlich gibt, verteidigte er den Einsatz auch heute noch mit dem Argument:

    "Die Soldaten haben bei solchen Missionen die Gelegenheit, sich unter echten Bedingungen zu schulen. Und ich glaube, unsere Armee ist heute stärker als je zuvor. Das ist auch eine Sache unserer internationalen Verpflichtungen und unserer internationalen Bedeutung."

    Seit die Präsidentenwahl entschieden ist, sprechen die Regierung und der künftige Präsident Komorowski allerdings wieder etwas verhaltener über den Rückzug aus Afghanistan. Ende 2012 werde Polen die "Formel seiner Beteiligung" an dem Einsatz ändern, erklärte Außenminister Radoslaw Sikorski vor kurzem bei einem Besuch der Truppen. Das Land wolle dann lieber an zivilen als an militärischen Projekten mitarbeiten, so der Außenminister.

    "Ich bin stolz darauf, dass die polnischen Soldaten im Rahmen der NATO den Afghanen helfen, sich aus dem Teufelskreis von Bürgerkrieg und Unterdrückung, mal von rechten, mal von linken Extremisten, zu befreien. Ich hoffe, dass die Afghanen es schaffen, selbst die Verantwortung für ihr Land zu übernehmen. Dann können wir uns ehrenvoll zurückziehen."