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Auf dem Trockenen

Das Saarland hat viele Qualitäten. Meeresnähe gehört nicht dazu. Kein Hinderungsgrund, dachten sich einige findige Geschäftsleute und überzeugten die Politiker in der saarländischen Stadt Völklingen davon, mehrere Millionen in ein Pilot-Projekt zu stecken: eine Zuchtanlage für Meeresfisch.

Von Tonia Koch | 09.09.2010
    "Jetzt wird nur noch gefeiert."

    Klaus Lorig kann aufatmen. An diesem Wochenende haben ihn die Völklinger Bürger eindrucksvoll im Amt des Oberbürgermeisters bestätigt. 61 Prozent im ersten Wahlgang, damit hatte er selbst wohl nicht gerechnet. Denn Lorig gilt als Steigbügelhalter des ebenso ehrgeizigen wie umstrittenen Projektes, der Meeresfischzuchtanlage Völklingen. Das Wahlergebnis wertet CDU-Mann Lorig deshalb als Zustimmung für die Idee, zum Schutz der Meere, fernab der Küste Seefische zu züchten.

    "Die Bürger haben mir das Vertrauen gegeben auf diesem Weg weiter zu gehen, dass die Projekte, die wir angegangen sind, die richtigen sind."

    Durch einen Zufall waren die Stadtoberen 2006 auf die Idee aufmerksam geworden. Sie gefiel ihnen, denn es war gleichzeitig die einzige, die versprach, dem stillgelegten Kokerei-Gelände wieder neues Leben einzuhauchen. Innovation pur, nach dem Rückzug des Bergbaus. Heute ist die Umsetzung des Projektes längst nicht soweit, wie sie sein sollte. Ein Monate andauernder Baustopp, Finanzierungsprobleme und Querelen zwischen dem Bauherrn, den Stadtwerken Völklingen und ihrem privaten Geschäftspartner, IFFT, der International Fish Farming Technologie, haben den Bau verzögert. Erst wenige Tage vor der OB-Wahl konnte der Streit beigelegt und grünes Licht für den Weiterbau gegeben werden. Doch bevor es wieder losgeht, sollten die Völklinger Bürger Gelegenheit erhalten, die halb fertige Fischfarm zu besichtigen.

    "Es staut sich schon. Wir gehen dann eben weiter ich erkläre es ihnen ."

    Uwe Waller freut sich über soviel Zuspruch. Waller ist Meeresbiologe und von der Universität Kiel ins Saarland gekommen. Mit der IFFT hat er bereits beim Bau großer Aquarien zusammengearbeitet. Eine Meeresfischzuchtanlage dieser Größenordnung ist eine Herausforderung für Waller und die mit ihm verhandelnde IFFT. Denn im Binnenland hat das noch niemand probiert.

    ""Hier haben wir eine Animation, weil wir ja leider noch nicht fertig sind, aber sie sehen hier, wie die Anlage in Zukunft aussehen wird. Die weißen Töpfe an der Wand sind Futterroboter, die bringen das Futter in der richtigen Größe zu den Fischen und da hinten wirft gerade ein Futterroboter die Pellets über das Becken."

    Waller ist fest davon überzeugt, dass es ihm gelingen wird in den riesigen aus Beton gegossenen Bassins, wohlschmeckende Seefische zu züchten. Doraden, Wolfsbarsche und warum nicht, Kaviar, sollen von Völklingen aus auf die Teller der Gourmets. In der bunten filmischen Animation sieht alles ganz einfach aus. Man nehme Leitungswasser, versetze es mit Salz, achte peinlich genau auf Sauberkeit, Keimfreiheit und Temperatur. Steuere die Sauerstoffzufuhr sowie die Futterrationen und sorge dafür, dass organisches Material, das in den Filtern hängen bleibt, abgeschieden wird. Dann werden sich die Tiere, von denen ab Weihnachten 2011 jährlich 500 Millionen Tonnen geerntet werden sollen, schon wohlfühlen, glaubt Waller.

    "Wir haben die Aufgabe, 1.700 Kubikmeter sauber zu halten, glasklar zu halten, damit die Tiere sich erkennen können, damit sie Schwärme aufbauen. Es ist nicht so, dass die Tiere gezwungen werden, irgendwo zu schwimmen. Sie bauen Schwärme auf und schwimmen dann ganz spontan hin und her ... "

    Die Besucher begegnen der kühnen Idee wohlwollend, wenn auch ein wenig skeptisch.

    "Es ist natürlich ein Riesenprojekt und was mich stört, ist, dass wir im Binnenland sind, das ist doch eine Anlage, die man am Meer irgendwo baut. Das ist eine Sache, die ist sehr weitsichtig. Ich finde das Projekt klasse, hier werden einmal ganz neue Wege gegangen. Wenn es funktioniert und es sich preislich darstellen lässt, finde ich das in Ordnung. Millionengrab, weiß man's? Wenn das ja so toll laufen soll, dann müssten ja die Investoren alle schon da sein, sind sie aber nicht."

    Bislang hat sich kein privater Investor gefunden. Der Steuerzahler trägt das finanzielle Risiko. Die Stadtwerke Völklingen halten knapp 90 Prozent an der Projektgesellschaft und engagieren sich mit insgesamt 15 Millionen Euro. Nur wenn der Bau der Anlage teurer wird, muss der private Partner, IFFT, die International Fish Farming Technologie, Geld zuschießen. Ob sich die Fisch-Farm für die Stadt tatsächlich lohnt, ist fraglich. Nicht einmal die IFFT rechnet damit, dass mit der Völklinger Meeresfischzuchtanlage schon bald Geld zu verdienen sein wird. Friedrich Esser, Geschäftsführer der IFFT.

    "Von verdienen möchte ich hier nicht reden, das ist auch nicht der Fall. Das Ziel war eine solche Anlage zu realisieren und nicht Gewinn daran zu machen. Wir wollen, dass die ganze Sache nach vorne kommt, um dann zeigen zu können, dass das Gesamtkonzept auch funktioniert."

    Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Stadt sich schwer damit tut, Investoren zu finden, die es wagen, mit privatem Geld in die Meeresfischzuchtanlage einzusteigen. Vor Wochen habe man einen Investor an der Angel gehabt, der sei jedoch wieder abgesprungen. Die Suche gehe aber weiter, sagt Oberbürgermeister Klaus Lorig.

    "Wir haben immer gesagt, wir werden nicht auf Dauer Mehrheitsgesellschafter bleiben. Für uns war 2014 das Jahr, wo wir gesagt haben, dass sich die Mehrheitsverhältnisse umdrehen, dass die privaten den übergroßen Anteil haben. Und für uns war es wichtig drin zu sein, weil das hier ein Abnehmer für Energie ist. Wir brauchen Energieabnehmer, das ist überlebenswichtig für unsere Stadtwerke."

    Die Stadtwerke Völklingen schaffen sich ihre fehlenden Kunden also selbst, in dem sie öffentliche Gelder in Millionenhöhe in eine Meeresfischzuchtanlage investieren. Aber gehört es auch zur städtischen Aufgabe Kaviar zu produzieren? Mit öffentlicher Daseinsfürsorge, mit der Bereitstellung von Strom, Wasser oder der Unterhaltung von Bussen und Bahnen hat dies nur wenig zu tun. Ein öffentlicher Zweck der Meeresfischzucht sei kaum auszumachen, wenden selbst die Kritiker aus den eigenen Reihen ein. Die Stadt spiele sich als Unternehmer auf, wozu sie gar kein Recht habe, argumentiert der Sprecher der CDU-Mittelstandsvereinigung, Jürgen Presser.

    "Für mich ist das Projekt weiterhin ohne Rechtsgrundlage."

    Doch auf diesem Ohr ist die CDU-geführte saarländische Landesregierung taub. Mehr noch. Mit einer halben Million Euro finanzieren Stadt und Land eine Stiftungsprofessur Aquakultur an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Der Posten ging an Uwe Waller, den Erfinder der Fischzuchtanlage in Völklingen.